SZ-Adventskalender:Ein Leben unter Schmerzen

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Immer wieder rutscht Lisa Langer in ihrer engen Dusche aus und verletzt sich, weil diese nicht barrierefrei ist

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Es dauert einige Zeit, bis Lisa Langer (Name von der Redaktion geändert) ihre Haustüre aufmacht. Ihr Rheuma macht ihr wieder zu schaffen und sie kann sich nur sehr langsam auf ihrem Rollator fortbewegen. Die Wohnung ist eng, aber blitzsauber. Wenn sie unter starken Schmerzen leidet, wie heute, brauche sie den ganzen Tag, um ihren Haushalt zu erledigen, erklärt Lisa Langer. Sie könne dann nicht liegen und nicht stehen. Sie müsse immer wieder eine Pause einlegen, bis die Schmerzen etwas nachlassen.

Man merkt ihr an, dass sie über ihre verschiedenen Leiden schon oft berichtet hat, aber nicht immer auf Verständnis gestoßen ist. Lisa Langer hat seit ihrer Geburt einen Hüftschaden. Manchmal kann sie kaum gehen, die Schmerzen nehmen zu im Alter. Die 54-Jährige hat zudem Bronchialasthma. Sie trägt stets ein Asthmaspray bei sich, in ihrer Wohnung steht ein Notfallkoffer griffbereit. Ihr Rheuma sei lange nicht erkannt worden, die Ärzte hätten sie jahrelang als Simulantin eingestuft, erzählt sie mit Tränen in den Augen.

Doch das Schlimmste für Lisa Langer ist ihre Medikamentenallergie. Bislang wurde noch kein Schmerzmittel gefunden, das sie verträgt. "Die anderen Leute haben es schön, sie können Schmerzmittel nehmen, wenn sie Kopfweh haben oder Zahnschmerzen", sagt sie. Lisa Langer hat es schon mit Naturmedizin versucht, doch auch dagegen hat sie Allergien entwickelt. Jetzt muss sie ihre Schmerzen aushalten, ihr Rheuma, ihre Hüftschmerzen und die Schmerzen, wenn sie wieder einmal im Bad ausrutscht. Das Bad ist so eng, dass ihr Rollator nicht hineinpasst. Der Einstieg in die Duschkabine ist nur 30 Zentimeter breit. Direkt davor steht die Toilette. Wenn sie einen Rheumaschub hat und sich kaum bewegen kann, verliert sie schnell das Gleichgewicht. Wie soll sie da über die Toilettenschüssel steigen, um in die Dusche zu kommen?

Langer lebt von Hartz IV, einen Beruf hat sie nie erlernt. Sie hatte viele Geschwister, ihre Brüder gingen vor. "Die Buben sollen etwas lernen, du gehst in die Fabrik", habe es in ihrem Elternhaus geheißen. Lisa Langer erinnert sich nicht gerne an ihre Kindheit. "Ich habe mich dort nie zu Hause gefühlt." Die Familienverhältnisse seien schwierig gewesen, erklärt sie. Es habe Missbrauch gegeben und Prügel. Oft genug habe ihr Vater gesagt, sie gehöre gar nicht zur Familie. Erst als Erwachsene hat Langer herausgefunden, dass ihr Vater offenbar die Vaterschaft angezweifelt hat. Mit 17 Jahren wurde sie schwanger und heiratete. "Ich wollte weg von zu Hause." Das Kind hat sie verloren, die Ehe ging schief. Auch spätere Beziehungen hielten nicht. Sie bekam eine Tochter, die heute 34 Jahre alt ist.

Ihre Jobs konnte sie ebenfalls nicht auf Dauer behalten. "Wie soll das gehen, wenn ich immer wieder wochenlang krank bin?" Mit Tränen in den Augen erzählt sie, dass sie dennoch als arbeitsfähig eingestuft worden sei - zwei bis drei Stunden laut Gutachten, erklärt ihr Caritas-Betreuers Stefan Engelhardt. Wegen ihrer gesundheitlichen Probleme habe sie jedoch keine Chance, eine Arbeit zu bekommen. "Das ist ungerecht, ich kann doch nichts für meine Krankheiten", sagt Langer. Ein barrierefreier Umbau der Dusche wird nicht bezahlt, weil sie keine Pflegestufe hat. Mit den Spenden aus dem SZ-Adventskalender könnte der Einstieg in die Dusche vergrößert werden, damit Langer sich zumindest abbrausen kann, ohne Gefahr sich zu verletzen. Laut Engelhardt wären dafür rund 1500 Euro nötig.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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