Fünfseen-Filmfestival 2017:Wundertüte

Popcorn im Kino

Der Stoff, aus dem die Einnahmen sind: Popcorn.

(Foto: dpa)

Warum es ohne Popcorn mutmaßlich keine Lichtspielhäuser geben würde

Von Astrid Becker

Wenn es nach Matthias Helwig ginge, gäbe es kein Popcorn. Schon gar nicht im Kino. "Was?", werden jetzt diejenigen Kinogänger schreien, für die der Besuch eines Lichtspielhauses keineswegs nur mit bloßem Filmanschauen verbunden ist, sondern mit einem Gesamterlebnis, das auch mit Essen und Trinken verbunden ist. Oder wie es der Schweizer Filmwissenschaftler Vinzenz Hediger formuliert, der im Popcorn-Mampfen eine "Vervollständigungshandlung der synästhetischen Erfahrung des Kinos" sieht. Darüber hat der 1969 geborene Mann, der seit heuer auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur ist, sogar einen neun Seiten umfassenden, wissenschaftlichen Aufsatz verfasst. Ein kritisches Werk, das vor allem mit der Filmtheorie abrechnet, die sich so gar nicht mit konsumorientierten Kinogängern befasst. Was er damit offenbar nachholt.

Das ist insofern gut, als der Forscher darin mal ganz jenseits von allen intellektuellen Kunst-, Kultur- und psychoanalytischen Herangehensweisen an das Wesen des Cineasten - das ihn in jeder dieser Disziplinen fern von Essen und Trinken sieht - auch mal rein ökonomische Gesichtspunkte anführt. So schreibt er: "Das Wohlergehen nicht allein der amerikanischen Filmindustrie hängt zu einem guten Teil von der Bereitschaft des Publikums ab, die Betrachtung des Film mit dem Verzehr von Eis, Schokolade, Linomade und natürlich vor allem Popcorn zu verbinden." Um es ganz einfach mit Hediger zu sagen: Während die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten den Film und seine Vermarktung finanzieren, sprich: das Geld einspielen, das ein Kinobetreiber den Verleihern für das Vorführen des Films bezahlen muss, darf er den Gewinn aus dem Verkauf von Esswaren und Getränken selbst einstreichen. Das heißt damit vielleicht nur ein klein wenig überspitzt gesagt: Ohne Popcorn kein Kino.

Das weiß auch Matthias Helwig. Darum gibt es in seinen Kinos auch Popcorn neben Biolimonaden oder Biobier - mit Ausnahme des Breitwand im Schloss Seefeld. Aus gutem Grund: Denn diese Spielstätte ist als "Art House"- Lichtspieltheater konzipiert, also als Programmkino, zu dem Popcorn gar nicht passt. Denn Einzug in die Kinokultur hat der Puffmais erst in den 1970ern gehalten, in den Anfangsjahren der Blockbuster-Ära, die übrigens mit dem Film "Der weiße Hai" (1975) begonnen haben soll. Mit diesen Filmen, die aus kommerziellen Gründen nicht mehr einzelne Publikumsgruppen, sondern die breite Masse ansprechen sollten, waren schon bald auch Popcorn und Co. eng verbunden. Sogar so sehr, dass sie mittlerweile auch "Popcorn movies" genannt werden.

Insofern erklärt sich schnell Helwigs persönliche Abneigung gegen dieses mal süße, mal salzige Naschwerk. Es passt, gelinde gesagt, nicht zu seinem intellektuellen Anspruch. Wie der in Sachen Kulinarik in Verbindung mit Kino aussieht, lässt sich im neuem Breitwand in Gauting ablesen. Dort gibt es das Restaurant "Abacus", das ganz ohne "Mainstream-Food" auskommt. Also ohne Pommes , ohne Burger. Aber nicht ohne Popcorn. Das wird aber nicht im Lokal, sondern nur im Foyer verkauft.

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