Studie:Irrfahrt in die Zukunft

Eine Studie soll zeigen, wie es sich im Jahr 2030 im Landkreis lebt und arbeitet. Doch die Vision des Zukunftinstituts Österreich GmbH enthält wenig Konkretes. Wer weiß schon, was "Glokalisierung" ist?

Von Otto Fritscher, Weßling

Der Weg in die Zukunft des Landkreises Starnberg beginnt erst einmal mit einer Irrfahrt. Wer es geschafft hat, über verwinkelte Sträßchen auf dem Gelände des DLR ins Raumfahrtkontrollzentrum vorzudringen, wird dann aber mit bunten Bildern statt langatmiger Reden belohnt. Sanft glitzert auf der Leinwand der Starnberger See in der Abendsonne, fröhliche Menschen arbeiten hier in der Gegend offenbar liebend gern, sie lachen und plaudern in dem Filmchen. Etwas ernster wirkt nur die Frau, die erklärt, worauf es denn in Zukunft ankommt. Ach ja, es ist Ursula Münch, die Leiterin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

Ursula Münch ist an diesem Nachmittag sozusagen doppelt vertreten, einmal in dem Videoclip, und dann auf dem Podium bei einer Diskussion, die sich mit dem selben Thema befasst. Alles dreht sich um die Frage: "Wie leben und arbeiten wir im Jahr 2030? Zukunftstrends für die Region Starnberg-AmmerSee". Aufschluss geben soll darüber eine Studie, die das Zukunftinstitut Österreich GmbH im Auftrag der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung gfw erarbeitet hat. Jannis Lambert von Prognos stellt die Studie vor 70 Multiplikatoren - zu denen der ehemalige Kreisbauernobmann Helmut Wagner und Starnbergs Stadtförderin Sarah Buckel gehören - im Kontrollzentrum vor. Deren Inhalte hatte zuvor schon der Feldafinger Filmemacher Ralf Luethy in einem fünfminütigen Videoclip als Appetitmacher sozusagen zusammengefasst. Wie gesagt, See im Sonnenlicht, Überflug der Roseninsel, Unering und Andechs. Wenn man den Film auf sich wirken lässt, möchte man meinen, dass es hier so schön und lebenswert ist, dass sich am besten gar nicht ändern sollte.

Doch genau mit dieser These ruft man etwa bei gfw-Chef Christoph Winkelkötter Widerspruch hervor. "Der Landkreis muss sich weiterentwickeln und darf sich nicht zurücklehnen", fordert er. Während Jannis Lambert von "Glokalisierung" spricht, ein Neologismus aus "Globalisierung" und "lokal", von "Gender Shift und Silver Society", fällt auf, dass der Landkreis zwar an Stelle acht von 402 deutschen Landkreisen steht, was die Zukunftsfähigkeit betrifft, aber auf Platz 235, was den Altersdurchschnitt der Bevölkerung betrifft. Nun ja.

Was sagen Gäste der Zukunftsvisions-Veranstaltung? "Es geht darum, die Qualität zu steigern, nicht die Quantität", erklärt Regionalmanagerin Katrin Kollmann. Berater Ralf Roeschlein will "das Netzwerken stärken", und nur Tourismus-Chef Klaus Götzl wiegt bedenklich den Kopf und sagt: "Wir müssen vernünftig wachsen, Bewährtes erhalten, aber dafür andere Projekte wie die Seeanbindung und die Verkehrsproblematik in Starnberg endlich lösen."

In der Studie werden dagegen wenig konkret drei "Trendszenarien" entwickelt. Starnberg-AmmerSee als "Wir-Region", als "Region auf dem Weg zur Wert-Wirtschaft", und die Region als "Ort wahrer Regeneration". Orientierung in diesem Marketing-Sprech soll eine "Megatrend-Map" bieten, die aussieht wie ein Plan des MVV-Streckennetzes, nur viel komplizierter.

Was sind nun "Quintessenz und Konsequenz" etwa des Trendszenarios Nummer drei mit dem Titel "Starnberg-AmmerSee als Ort wahrer Regeneration"? Wir zitieren: "Die Möglichkeit, Gesundheit zu tanken, wird zum Angebotsmerkmal. Orte werden gesucht, die ein Heilungsversprechen haben - für die körperliche und spirituelle Ebene. Die Region Starnberger-AmmerSee hat - aus ihrer Tradition heraus - die Chance, mehr zu bieten als den schnellen Ausflug zum See. Für die konnektiv Gestressten des Landkreises und aus dem Großraum München kann sie die Region sein, die Achtsamkeit mit sinnstiftender Aktivität verbindet." Noch icht genug? "Dazu müssen mehr touristische Angebote mit medizinischen Services verbunden werden, genauso wie authentische Gastronomie mit Produkten aus der Region mit Sport- und Bewegungsräumen. Die Region hat die Chance zur Positionierung als Ort der Regeneration, des Auftankens und als Aktivregion." Ende. Alles klar? Hat ja nur einen Betrag im niedrigen fünfstelligen Bereich gekostet, dieser Blick in die Zukunft des Landkreises im Jahr 2030.

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