Stockdorf:Aus alt wird neu

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Andrea Flotzinger und Britta Drummer schneidern in ihrem Studio in Stockdorf aus alten Stoffen und Klamotten modische Unikate. Aus Hemdsärmeln werden Schals, aus Surfsegeln Badetaschen.

Blanche Mamer

Andrea Flotzinger (links) und Britta Drummer betreiben in Stockdorf das Studio Zickzack. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Stockdorf- Schräg gegenüber vom Bundesnachrichtendienst in Stockdorf im Hinterhof, Wanneystraße 11, findet sich ein magischer Ort, in dem aus Altem Neues entsteht. Im Vorraum der hellen Halle sind ausgefallene Kleider in Schwarzrot und Schwarzgrau drapiert, Leinentaschen mit Kreuzstichstickerei, farbige Filztaschen, in die auch ein Ordner passt, und jede Menge Schals. Wir sind im Studio von Andrea Flotzinger und Britta Drummer.

Seit fünf Jahren dient das Gebäude, in dem früher ein Baustoffhandel untergebracht war, den beiden Stockdorferinnen als Atelier. Unter dem Label "Zickzack" - roter Zickzackstich auf jeansblauem Grund - nähen sie Unikate mit Erinnerungswert. Die gelernte Raumausstatterin und die gewiefte Hobbynäherin entwerfen ihre Objekte selbst, meist aus alten "Klamotten". Gerade sitzen sie über einem grasgrün gemusterten Retro-Stoff aus Baumwolle und überlegen, wofür er sich eignen würde. Da "Partnerlook" gut ankommt, stehen ein Sommerkleid für ein kleines Mädchen und ein Tellerrock für die Mama, oder etwas Luftiges für Muttern und ein Hängerchen für's Kind zur Diskussion. "Die Stoffe und Kleider, die uns die Kunden bringen, haben immer eine persönliche Bedeutung, erinnern sie doch meist an einen geliebten Menschen", erzählt Britta Drummer. Kürzlich kam eine Freundin und brachte ein Leinentischtuch, das ihre Mutter bestickt hatte. Daraus entstanden Leinentaschen mit unterschiedlicher Optik. Oder Andrea Flotzingers auffallender Schal, ein Hingucker und bei den Kundinnen sehr gefragt. Sie hat ihn aus Hemdsärmeln genäht, die Manschetten für die Enden verwendet.

Die beiden Stockdorferinnen haben sich vor fünf Jahren zufällig im Kindergarten getroffen. "Ich fand für meine drei Kinder nie die Anziehsachen, die ich wollte. Da dachte ich mir, ich bin doch Schneiderin, mach' ich sie doch selbst." Als Flotzinger das beim Elternabend erwähnte, war Britta Drummer sofort interessiert, hatte sie sich doch selbst überlegt, was sie tun könnte, abends, und an zwei, drei Vormittagen in der Woche. "Ich brauchte aber noch etwas Zeit, bis ich mich rührte", sagt sie, doch es zeigte sich schon bald, bei einer Adventsausstellung, dass die Zusammenarbeit klappte. Es fügte sich eins ins andere, die Halle wurde frei und die Idee, aus alten Kleidern und Stoffen Neues zu schaffen, passte gut in die Zeit: "Upcycling" und "shabby Chic" wurden langsam zu Markenzeichnen, "Transformation" das Schlagwort bei Modeschauen. "Unsere Sachen haben den Kunden gefallen", so Flotzinger. Taschen waren von Anfang an ein Renner. Weil sie selbst eine große Badetasche brauchte, entwarf sie ein Modell mit genügend Platz für ein großes Badetuch, Dusch- und Handtuch, mit verschließbarer Innentasche, verschiedenen Fächern und einer Außentasche für Buch oder Zeitung. Wieder half der Zufall, ein Bekannter brachte große, gut erhaltene Segel vorbei. "Das war strapazierfähiges, unverwüstliches Material, das ich sofort zu Badetaschen verarbeitete, jede anders, jede ein Unikat", sagt Flotzinger. Das Segel ist längst aufgebraucht, die Nachfrage bleibt. Zum Glück kam ein Surfer auf die Idee, ihnen bunte Surfsegel zu schenken, womit die nächste Generation an ausgefallenen Badetaschen gesichert ist. Beliebt sind auch ihre Musikschultaschen. "Die Kinder sind ganz stolz, wenn sie sich den Stoff aussuchen und sagen dürfen, wie die Taschen sein sollen." Klar, mittlerweile kaufen die beiden auch Stoff hinzu. "Hin und wieder komme ich einfach nicht vorbei an einem schönen Material", sagt Drummer. Ein einziges Mal habe sie zwei gleiche Röcke genäht, der Stoff sei so toll gewesen und auch ziemlich preiswert. "Aber das mache ich nie wieder, denn die Röcke haben sich getroffen. Die Frauen nahmen es zum Glück mit Humor", erzählt sie. Und so gibt es nun nur noch Einzelstücke, es sei denn, Mutter und Tochter oder zwei Schwestern wünschen sich den Partnerlook.

Neben den robusten Nähmaschinen aus der Vor-Computerzeit sind die kleinen Auftrenner wichtigstes Werkzeug. Schließlich werden nicht nur die Nähte der alten Anziehsachen exakt gelöst, auch die Reißverschlüsse werden sorgfältig herausgetrennt. "Wir recyceln so viel wie möglich, neben den Reißverschlüssen sammeln wir auch Knöpfe", so Drummer. Die beiden und ihre Kinder tragen die eigenen Kreationen, sind die besten Models. Dies und Mund-zu-Mund-Propaganda fördern das Geschäft, das zwei Jahre ein Geheimtipp war, aber nun Schritt für Schritt bekannter wird. Das Studio ist inzwischen an jedem Werktag von 9 bis 12.30 Uhr geöffnet. Der "dritte Zick & Zack Adventszauber" findet am Wochenende vom 24. und 25. November von 11 bis 20 Uhr statt. Dabei sind der Blumenladen "handwerkblume", der Gautinger Geschenkeladen "moppelfritz", der Grafiker Dirk Eckert und der Metallgestalter Stevie Klein.

© SZ vom 23.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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