Stimmungsbericht:"Der Wolf ist uns schnuppe"

Wolf

Der Jungwolf gerät auf einer Lichtung im Landkreis Starnberg mitten in den Fokus der Kamera.

(Foto: Landesamt für Umwelt)

Schafzüchter sind alarmiert, manch einer ist besorgt. Doch das wandernde Raubtier von Münsing lässt die Menschen im Landkreis Starnberg überwiegend kalt.

Von Carolin Fries, Sankt Heinrich

Von wegen Angst. Noch nicht einmal Aufregung. "Der Wolf ist uns schnuppe", sagt Hartwig Görtler, Vorsitzendes Kreisjagdverbands in Starnberg. Er beschreibt die Natur als Zuwanderungsland und die Politik der Jäger als Willkommenskultur. Ganz gleich, ob es sich um Luchs, Biber oder Wolf handele. "Unsere Aufgabe ist es, sich um alle Wildarten zu kümmern", sagt Görtler. Freilich nur bis zu dem Punkt, an dem eine kritische Masse erreicht ist. Dann gelte es, einen sinnvollen Konsens zu finden. "Aber ein Wolf - der ist wurscht."

Dass es ein Wolf war, der in der Nacht zum 1. April in Sankt Heinrich vier Schafe getötet und eins verletzt hat, ist durch eine DNA-Analyse der gerissenen Tiere zweifelsfrei bestätigt. Ob er sich noch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen oder schon Starnberg aufhält, ist fraglich. Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) geht davon aus, dass es sich um einen Einzelwolf auf Wanderschaft handelt.

An dieser These hält auch Görtler fest. "Es könnte sogar sein, dass es sich um das Tier handelt, das im vergangenen Jahr bereits im Landkreis gesichtet wurde", sagt Görtler. Im März 2016 wurde ein durch den Wald streifender Rüde von einer Wildkamera fotografiert. Junge Wölfe auf Wanderschaft sind nichts Ungewöhnliches. Meist im dritten Lebensjahr ziehen sie los, um ein neues Revier, eine Partnerin oder ein Rudel zu suchen. Mitunter legen sie dabei in einer Nacht bis zu 70 Kilometer zurück. "Es ist gut möglich, dass der Wolf schon gar nicht mehr hier ist", sagt Ludwig Fesenmeier, stellvertretender Vorsitzender des Kreisjagdverbandes. Das Waldgebiet rund um den Starnberger See sei für den Wolf ohnehin viel zu klein, vor allem aber viel zu stark besiedelt.

Grundsätzlich meidet der Wolf den Menschen

Unsicherheit in der Bevölkerung gibt es dennoch. Görtler berichtet von Anrufen besorgter Bürger, die beispielsweise wissen wollen, ob man sich im Wald noch sicher fühlen könne. Was er dann antwortet? "Grundsätzlich meidet der Wolf den Menschen." Sollte der Wolf wider Erwarten als gefährlich eingestuft werden, gebe es eine Task Force, bestehend aus Vertretern des Landratsamtes, der Polizei und der Jägerschaft. "Das hat den Vorteil, schnell reagieren zu können", sagt Görtler. Landratsamts-Sprecher Stefan Diebl bestätigt die enge Zusammenarbeit der Behörden mit den Jägern. "Wer einen Wolf sieht, sollte ihn gleich melden", sagt er. Bislang habe die Starnberger Kreisbehörde keinerlei Maßnahmen ergriffen.

Alarmiert sind aktuell vor allem die Schafzüchter. Für Schäfer Markus Schnitzler aus Dießen steht eine langfristige Ansiedlung des Wolfs in der Region außer Frage: "Das werden wir nicht aufhalten können." Er fürchtet, dass der Wolf den hiesigen Naturraum negativ verändern wird und unterstützt deshalb die Forderung des bayerischen Schafzüchterverbands nach einer wolfsfreien Zone. Wegen seiner 200 Schafe fürchtet er das Wildtier weniger, da habe er mehr Probleme mit freilaufenden und streunenden Hunden, die ihn jedes Jahr zwei bis drei Schafe kosten. Auch Georg Zankl, Kreisobmann des Bauernverbands, hält einen Wolf für unproblematisch. Ein Rudel allerdings sei "nicht vertretbar". Dafür würde der Wald im Großraum München zu sehr als Freizeit- und Erholungsraum genutzt.

Doch nach der aktuellen gesetzlichen Lage lässt sich die Population des Wolfs nicht steuern. Er steht in Deutschland unter Naturschutz (bis auf Sachsen, wo er seit 2012 dem Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit unterliegt). Ihn zu erlegen, ist eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden kann. Der Abschuss eines Wolfes kann nur in Ausnahmefällen angeordnet werden, etwa wenn sich ein Tier auffällig aggressiv verhält oder trotz Schutzmaßnahmen wiederholt Nutztiere reißt.

Die "Waldameisen" jedenfalls haben keine Angst vor einem bösen Wolf. In Ammerland am Starnberger See treiben sich die 18 Kinder des Waldkindergartens fröhlich zwischen den Bäumen herum. Dass sich das Wildtier womöglich noch in dem Gebiet herumtreibt, stört Leiterin Bettina Calliari nicht. "Mein Mann ist Schafzüchter und geht davon aus, dass der Wolf auch eines seiner Lämmer bei Iffeldorf gerissen hat", erzählt sie. Ein gutes Zeichen, wie sie findet: "Das bedeutet, er verhält sich wie ein gewöhnlicher Wolf und meidet den Menschen."

Von den Eltern habe es jedenfalls keine einzige besorgte Nachfrage gegeben, sagt Calliari. Der Wolf - für viele bleibt er vor allem eine bekannte Figur aus dem Märchen und nicht Bewohner des Waldes.

Mehr zum Wolf gibt's im Internet unter lfu.bayern.de, dort im Reiter "Natur", Unterpunkt "Wildtiermanagement Große Beutegreifer".

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