Starnberg/München:Verstoß gegen Pressefreiheit

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Das Verwaltungsgericht nimmt Eva John in die Pflicht. (Foto: Nila Thiel)

Verwaltungsgericht verdonnert Stadt, allen Redaktionen Sitzungsunterlagen zu schicken.

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg/München

Es läuft schlecht für die Starnberger Bürgermeisterin Eva John (Bündnis Mitte Starnberg). Wieder musste sie vor dem Verwaltungsgericht eine Niederlage hinnehmen. Diesmal ging es nicht um die Straßenausbausatzung, sondern um die Ungleichbehandlung von Presseorganen bezüglich Zusendung von Unterlagen für die Stadtratsgremien. Geklagt hatte in diesem Fall Peter Riemann, Redakteur der Gewerbeverbands-Postille Starnberger Bote.

Im Gegensatz zu anderen Starnberger Zeitungen erhielt er von der Stadtverwaltung keine Beschlussvorlagen mehr zu den jeweiligen Sitzungen. Laut Riemann hatte die Stadtverwaltung mit Einzug der neuen Bürgermeisterin John die Versendung der Unterlagen eingestellt. Das wollte er nicht mehr hinnehmen. Er ging deshalb vors Verwaltungsgericht und klagte gegen die Stadt Starnberg. Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts München unter dem Vorsitz von Richter Michael Eder gab Riemann in allen Punkt recht und sah im Verhalten der Stadt einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, also einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

In seinem Urteil verpflichtete das Gericht die Starnberger Stadtverwaltung, Riemann künftig die Vorlagen zu den Sitzungen "rechtzeitig" zukommen zu lassen. Außerdem verdonnerte das Gericht die Stadt, die Kosten des Verfahrens zu übernehmen und setzte den Streitwert auf 5000 Euro. Mit anderen Worten: Es ist eine heftige Kritik am Informationsgebaren der Bürgermeisterin. Richter Eder machte in der Verhandlung am Donnerstag deshalb deutlich, dass er nicht viel von Einschränkungen der Pressefreiheit halte. Erst kürzlich habe diese Kammer gegen den Freistaat entschieden, weil Innenminister Joachim Herrmann bei einer Pressekonferenz bewusst einen Journalisten mit seinen Fragen übergangen habe. Auch hier sei gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoßen worden.

Rechtsanwältin Andrea Stöppler, die Riemann vertrat, hatte es daher viel leichter als ihr Kollege Gerd Hegemann. Er war von der Stadt Starnberg beauftragt worden. Seine Strategie, die allerdings nicht aufging, zielte auf die publizistische Qualität der Postille ab, für die Riemann schreibt. Er führte Artikel 5 an, also die Meinungs- und Informationsfreiheit und schloss Artikel 3 aus. Da es sich beim Boten um ein Anzeigenblatt handle, das nur vierteljährlich erscheine, könne man es nicht mit tagesaktuellen Zeitungen vergleichen. Was heißen sollte: Nicht zugesandte Sitzungsunterlagen seien kein Verstoß. Die Tagesordnung sei im Internet allen zugänglich. Dieser Argumentation wollte Richter Eder nicht folgen. "Der Staat (in diesem Fall die Stadt. Anm. d. Red.) hat keine Definitionshoheit über das, was Presse ist. Dass der Bote nicht dem hohen Anspruch der Journalistenschulen entspricht, gehört auch nicht in seine Beurteilung." Ob ein Blatt täglich oder vierteljährlich erscheine, sei bei der Beurteilung ebenfalls ohne Bedeutung.

Da sich beide Seiten "unversöhnlich gegenüber standen", kündigte der Vorsitzende ein Urteil an. Dieses fiel so aus, wie es sich Riemann gewünscht hatte. Die Stadt muss ihm künftig die Unterlagen zuschicken.

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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