Theater mit Migrationshintergrund:Zwischen den Welten

Frauen mit Migrationshintergrund spielen Theater

Ein interkulturelles Theaterprojekt mit Tanz und Musik brachten Frauen auf die Bühne, die in München leben, aber aus verchiedenen Ländern stammen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sechs Frauen aus Griechenland, Italien, der Türkei und Moldawien berichten, was Heimat für sie bedeutet. Ein mitreißendes Stück mit Tanz und Musik in der Starnberger Schlossberghalle, das ein großes Publikum verdient hätte

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Wer bin ich und wo lebe ich? Bin ich daheim, wo ich wohne? Wo ist meine Heimat? " Mit diesen Gedanken und Fragen beschäftigt sich das Interkulturelle Theaterprojekt "Heimatwelten hier und dort", unter der Leitung von Ulrike Behrmann von Zerboni. Sechs Frauen, die in München leben, jedoch aus verschieden Ländern stammen, setzen sich mit "Heimat" auseinander. Sie spielen, tanzen und singen in der Schlossberghalle Starnberg Szenen aus ihrem Leben, die Texte haben sie selbst geschrieben. Das Stück ist authentisch, aufregend, mitreißend und hätte ein großes Publikum verdient. Denn es schärft den Blick auf die Vielfalt und den kulturellen Gewinn, der durch eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft entsteht. Klar wird auch: Jedes Leben ist anders, gemeinsam ist ihnen nur der aktuelle Ort.

Der Einstieg ist abrupt: Aus dem Nichts springt eine junge Frau auf die Bühne. "Ich bin Alex, meine Farbe ist Lila, nein Aubergine, und ich wollte immer nur Schauspielerin werden." Für sie sei Heimat dort, "wo ich liebe und geliebt werde". Alexandra Hanstein ist Münchnerin. Eine Frau mit roten Haaren kommt hinzu. Sie heißt Manuela. Dann treten Fatoz und Nunzia auf ("ich lese") und schließlich Viorica. "Auch Gastarbeiterkind?" wendet sich Nunzia an Manuela. Ja, der Vater kam 1960 aus Griechenland am Hauptbahnhof in München auf Gleis elf an, hat im Allgäu die Mutter kennengelernt, die aus Graz stammt. Nunzias Vater kam 1973 aus Sizilien. Die Frauen sind hier geboren oder leben schon lange hier, doch Fremdsein kennen sie alle. Sie haben eine Mutter- oder Vatersprache, mit der sie aufgewachsen sind und eine gemeinsame Sprache, Deutsch, mit der sie heute leben. Die türkischstämmige Erzieherin Fatoz Haug, die vor 20 Jahren über einen interkulturellen Erzieherinnen-Austausch nach München kam, schwärmt von der Schönheit ihrer Muttersprache und von ihrem Land, das Hölle ist und Paradies zugleich. Sie lebt gern in Deutschland, doch ihre Heimat ist die Türkei.

Manuela Serafim fühlt sich in der deutschen und der griechischen Kultur zu Hause, sie bewegt sich zwischen beiden, singt und spielt Gitarre mal als griechische, mal als bayerische Liedermacherin. Sie erzählt vom an die Wand gesprayten "Ausländer raus!" Was ist, wenn alle Ausländer das tun? Wenn nicht nur die Menschen gehen, sondern auch die Produkte. Kein Kakao mehr, keine Schokolade, kein Kaffee, keine Orangen, Bananen, Ananas, kein Pfeffer, kein Curry, keine Zahlen und kein Benzin oder Heizöl. Und was bleibt von einem Mercedes ohne Alu, Stahl, Kupfer, Kautschuk?

Für die in Moldawien ausgebildete Tänzerin und Schauspielerin Viorica Prepelita-Hurubaru gilt: Ihr Zuhause ist da, wo sie sich am wohlsten fühlt, ihre Heimat überall, denn sie hält sie fest in ihrer Erinnerung. Deutschland hat sie gewählt, weil sie Gerechtigkeit, Toleranz, Menschlichkeit suche. Sie bedauert, dass die Menschen aus Rumänien, Moldawien, der Ukraine nur mit Betteln und Stehlen in Verbindung gebracht werden. "Wir arbeiten, wie studieren, wir haben Kultur und wunderschöne Bräuche. Aber keine gute Regierung."

"Seid ihr sicher, dass ihr lebt?" wirft Nunzia Sabina ihren Gefährtinnen vor. Sie spricht besser Deutsch als viele Deutsche, sie hat studiert, doch sie spricht über Zwänge, fühlt sich fremd in der deutschen wie in der italienischen und sizilianischen Kultur. Für sie gilt: Wenn man keine Heimat hat, findet man seine Identität nicht. Mit einem furiosen Kurzauftritt mischt die Schauspielerin Marta Veltri, gebürtige Mailänderin und 40 Jahre in München, die Runde auf. In einer rasanten Wortkaskade wettert sie auf Italienisch gegen die Ungerechtigkeit der italienischen Justiz, die einen alzheimerkranken Mann wegen des Diebstahls einer Wurst im Wert von 1,76 Euro zu 45 Tagen Haft oder 11 250 Euro Geldstrafe verurteilt, während Berlusconi und Co. fröhlich Milliarden veruntreuen.

Die Idee zu dem Projekt hatte die langjährige Leiterin der Schauspielschule Zerboni seit längerem. Im Juni 2014 fand sich eine Gruppe zusammen, die im Oktober mit der Arbeit begann. Aus Erzählungen, Improvisation und persönlichen Spielszenen wurden Rollenspiele, es entstand ein Skript mit Text, Tanz und Musik, die verbindliche Rollenarbeit begann Anfang des Jahres. Heraus kam ein einfühlsames und mitreißend fröhliches Stück, auf der Harmonika begleitet von Michaela Dietl vom Frauenorchester "Quetschenweiber".

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