Starnberg:Wunderschöne Frauen

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Agnesse Martori stammt aus einer Hoteliersfamilie vom Gardasee, die sich bis zum Renaissancemaler Paolo Veronese zurückverfolgen lässt. Ihre weiblichen Figuten stellt sie oft fast lebensgroß dar. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Dießener Künstlerin Agnese Martori geht es nicht um perfekte Körper und Voyeurismus. Sie malt Frauen, die ganz in sich ruhen. 50 ihrer leisen Bilder sind im Taubenturm ausgestellt

Von Katja Sebald

Dießen - Die aktuelle Ausstellung von Agnese Martori im Dießener Taubenturm ist eine Ausnahmeerscheinung im marktschreierischen Kunstgetriebe. Keine Sensationen, keine Farbschlacht, keine großen Gesten erwarten den Besucher in den drei übereinander liegenden Turmstübchen - sondern einfach nur rund fünfzig Bilder, auf denen Frauen zu sehen sind. Frauen im roten Bikini oder im blauen Badeanzug mit den Füßen im Wasser, im luftigen Sommerkleidchen auf einer Treppe am Ufer sitzend oder im Schatten unter dem Sonnenschirm. Es sind leise Bilder, die ihre Geschichten zwischen den Zeilen erzählen, wie ein gutes Gedicht.

Agnese Martori malt Frauen, seit sie sich erinnern kann. Auch wenn ihre Protagonistinnen meist leicht bekleidet sind oder manchmal auch ganz nackt, so geht es ihr doch keineswegs um den weiblichen Körper an sich, vielmehr will sie besondere Stimmungen, Momente, Begegnungen und manchmal vielleicht sogar Lebenssituationen festhalten. Martori ist eine sensible Zeichnerin, die mit wenigen Strichen das Wesentliche einer Figur einzufangen weiß. Dazu einige sparsam gesetzte Farbtupfer, mehr braucht sie meistens nicht. Sehr oft gibt es keine ausgearbeiteten Gesichtszüge, auch Hände und Füße sind nur angedeutet. Und dennoch erscheinen diese Frauenpersönlichkeiten so differenziert und präzise, dass man meint, sie schon einmal gesehen zu haben. Der Steg, das Ufer, die Treppe oder das Geländer sind ebenfalls nichts als ein paar hingehuschte Flecken und Linien. Und dennoch erkennt man unschwer das Strandbad in St. Alban bei Dießen oder auch die Ufermauer vor dem Hotel "Pescatore" und das südliche Flair von Peschiera am Gardasee.

In Peschiera wurde Agnese Martori 1958 geboren, ihrer Familie gehört das Hotel. Mütterlicherseits lässt sich die Familie bis zum Renaissancemaler Paolo Veronese zurückverfolgen. Sie selbst studierte an der traditionsreichen Accademia Cignaroli in Verona. Heute ist sie in Dießen verheiratet und ihre Arbeiten sind regelmäßig in kleinen Ausstellungen zu sehen. Im Taubenturm stellte sie zuletzt vor zehn Jahren aus. Seither hat sie sich noch einmal ein gutes Stück weiter entwickelt. Vor allem hat sie den Wechsel vom Papier zur Leinwand vollzogen und immer öfter wagt sie sich an so große Formate, dass sie ihre Figuren fast lebensgroß darstellen muss.

Und hier gelingt ihr nun eine ausgesprochen reizvolle Gratwanderung zwischen naturalistischer, ja porträthafter Darstellung und feinsinniger Abstraktion. "Beatrice" heißt eines dieser größeren Bilder und man darf wohl davon ausgehen, dass es ein reales Modell gegeben hat. Zu sehen ist eine sitzende Halbfigur, eine junge Frau mit halblangen dunklen Haaren, die von einem hellen Band gehalten werden. Sie trägt ein helles, schimmerndes Kleid und dazu eine Perlenkette. Offensichtlich hat sie sich für einen besonderen Anlass schön gemacht. Ihre Augen sind halb geschlossen, der Kopf leicht geneigt und die Arme im Schoss gefaltet. Auch hier sind es nicht detaillierte Gesichtszüge, die sie charakterisieren, sondern vielmehr die genau beobachtete Körperhaltung und die zurückhaltende malerische Gestaltung von Inkarnat und Kleidung. Diese "Beatrice" ruht ganz in sich und posiert nicht. Fast scheint es, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass sie gemalt wird.

Genau das aber hat sie mit all den im Gespräch vertieften, im seichten Uferwasser badenden oder auf der Schaukel sitzenden Frauen und Mädchen auf den anderen Bildern gemeinsam: Die Malerin ist ihnen nicht zu nahe gekommen. Sie hat nicht voyeuristisch auf Speckröllchen und unvorteilhafte Bikinis geschaut, nicht auf ihr Getue beim Flirten und nicht auf ihre Eitelkeiten, sondern sie hat sie in einem kurzen Moment festgehalten, in dem sie sich ganz und gar unbeobachtet gefühlt haben - und in dem sie gerade deshalb zwar alles andere als perfekte Schönheiten, aber doch wunderschön waren.

Die Ausstellung "Frauen" von Agnese Martori ist bis noch bis zum 29. Juli 2018 im Taubenturm neben dem Dießener Marienmünster zu sehen. Geöffnet ist sie jeweils samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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