Starnberg:Virtuos und imaginativ

Jazzgrößen in der Schloßberghalle

Jazzgrößen in der Starnberger Schlossberghalle: Richie Beirach (links) am Flügel und Johannes Endres mit Saxofon, dahinter seine Band.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Saxofonist Johannes Enders gastiert in der Reihe "All that Jazz"

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Es sei ein Versehen gewesen, dass dieses Konzert der Reihe "All That Jazz" am Karsamstag angesetzt wurde, verrieten die Veranstalter Manfred Frei und Irina Frühwirth. Sie hatten nicht bemerkt, dass Ostern dieses Jahr so früh sei, als sie den Termin fix machten. Ein riskantes Unterfangen, doch das Glück war auf ihrer Seite: Die Starnberger Schlossberghalle füllte sich reichlich. Und das lag nicht nur am renommierten Saxofonisten Johannes Enders und seiner erstklassigen Band. Viele waren zweifelsohne gekommen, um den Gastpianisten Richie Beirach zu erleben.

Der Amerikaner aus Brooklyn hat im Laufe seiner Karriere wohl mit allen Jazzgrößen gespielt und ist selbst fast eine Legende. Vor allem aber war er Mitglied der Band von Stan Getz gewesen, dem dieser Abend gewidmet war. "Tribute to Stan Getz" zielte nicht etwa auf Nostalgie ab. Es ging vielmehr um einen kraftvollen, andererseits imaginativen Jazzabend, der nichts aufwärmte, sondern dem Alten neu einheizte und es mit zeitgemäßen Ideen auffrischte.

Dafür Beirach uneingeschränkt zu haben. Sein kraftvolles Spiel war nicht nur hochvirtuos und spieltechnisch nahezu makellos. Schließlich war er als Bandmitglied von Getz ja auch ein Mitgestalter des konzertanten Cool Jazz. Womit aber Beirach hier in Starnberg vor allem begeisterte, war sein Erfindungsreichtum, dem keine harmonische Komplexität schwer genug sein konnte, um den Kontext über weitschweifende Eskapaden spannend zu machen. Und je verworrener sein Umherstreunen um die thematische Substanz herum, umso klarer und melodiöser ihre Hervorhebung und umso transparenter der übergeordnete Gedanke, den Beirach stets im Sinn behielt. Seine Soloeinlage mit "Round Midnight" und "Summer Night" war denn auch zweifelsohne ein Höhepunkt im Programm. Und der knapp 69-Jährige, der sich aus dem Trubel der Großstädte ins pfälzische Heßheim zurückgezogen hat, scheute auch keine Ausflüge ins klassische Fach, teils mit rasanten Läufen von präzisem Ebenmaß. Besonders fesselnd wurde es, wenn sich Beirach mit dem Keyboarder Jean-Paul Brodbeck Duelle lieferte und beide sich gegenseitig herausforderten.

Auch Drummer Billy Hart hatte einige Jahre in Getz' Band gespielt. Seine engmaschige Rhythmusmaschinerie überflutete förmlich die Bühne mit plastisch geformtem Wirbel. Eine überaus melodische und klangorientierte Spielweise, die tatsächlich auch in Duos etwa mit Beirach oder Enders ihren Gehalt offenbarte. Überaus geschmeidig am Bass bestand offenbar Phil Donkin auf wenig elektrische Verstärkung, was die Mitspieler immer wieder dazu nötigte, sich weit zurückzunehmen, um dem empfindsam geformten Basspart angemessen Gehör zu verschaffen.

Natürlich stand der Hauptpart Johannes Enders zu, schließlich war Stan Getz ein Saxofonist, dessen satte Substanz, energische Lyrik aber auch klangexperimentelle Farbigkeit Enders offenbar stets ein Vorbild waren. Hier konnte der international renommierte Saxofonist - und als Professor in Leipzig einige Jahre Beirachs Kollege - aus dem Vollen schöpfen und vor allem mit Sinn für die großen Zusammenhänge spielfreudig auskosten. Als seine besondere Eigenheit kann wohl seine Fähigkeit gelten, unterschiedliche Register zwischen Sonorem Gesang, über hastenden Bebop bis hin zum Klangexperimentellen stimmig zueinander in Beziehung zu setzen. Und das konnte schon überraschende Effekte herbeiführen. Frenetischer Applaus und zwei Zugaben.

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