Starnberg:"Unerträgliche Entgleisung"

Auf die Tiraden von Ministerpräsident Horst Seehofer gegen Parteifreunde reagiert die CSU-Basis verstört bis wütend.

Wolfgang Prochaska

- Nicht nur in der CSU-Landtagsfraktion haben die Äußerungen von Ministerpräsident Horst Seehofer über seine eigenen Kabinettsmitglieder Irritationen und Befremden ausgelöst, sondern auch an der Starnberger CSU-Basis. Hier rätselt man vor allem über die Motive, die Seehofer bewogen haben könnten, vor Journalisten so abzulästern. Der Herrschinger CSU-Vorsitzende Gerhard Knülle etwa nimmt da kein Blatt vor den Mund.

Knülle, der auch Mitglied des Gemeinderats war, wollte die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen und hat gleich zur Feder gegriffen, um einen Brief an Seehofer zu schreiben. Die Sprache ist deutlich, gleich am Anfang heißt es: "Bei allem Respekt vor dem, was Sie in Ihren Ämtern leisten, halte ich diese, in der Öffentlichkeit gemachten Äußerungen für eine unerträgliche Entgleisung. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob Sie für Ihre disqualifizierenden Äußerungen über Minister (Söder ist vom Ehrgeiz zerfressen) und politische Weggefährten (Glühwürmchen Guttenberg) solide Gründe haben sollten."

In dem Schreiben an die Staatskanzlei versucht der Herrschinger CSU-Kommunalpolitiker seinen Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten die Folgen seines Verhaltens zu verdeutlichen - und wie es an der Basis ankommt. "Ihnen fehlt offensichtlich jedes Gespür dafür, was Ihre Äußerungen nicht nur bei den von allen Parteien umworbenen Wählern bedeuten, sondern vor allem auch für die CSU-Basis. In etwa neun Monaten haben wir Landtagswahl, und von den Mitglieder in den Ortsverbänden wird natürlich erwartet, bei jedem Wetter an Infoständen für all die zu werben, die Sie ohne Gefühl für Fairness öffentlich diskriminieren. (...). Sollen wir uns lächerlich machen, nur weil Sie nicht gelernt haben, wie man fair miteinander umgeht?"

Das ist die Frage, die auch andere Parteimitglieder umtreibt. Der Starnberger CSU-Kreisvorsitzende Harald Schwab hält Seehofers Verhalten für "äußerst unpassend". Es passe "nicht zum Stil, wie man miteinander in einer Partei umgeht". Auch Schwab rätselt über Seehofers Motive. "Das ist einfach rational nicht zu begreifen", lautet seine Analyse. In den Äußerungen zeige sich auch die Distanz, die zwischen Ministerpräsident und CSU-Basis herrscht. Seehofers Ausfälle vergleicht Schwab sogar mit jenem denkwürdigen TV-Auftritt des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nach der Bundestagswahl. "Vielleicht hat Seehofer einen übertriebenen Adrenalinschub gehabt, so wie damals Schröder."

Selbst die Starnberger CSU-Direktkandidatin für die Landtagswahl 2013, Ute Eiling-Hütig, wundert sich über ihren Parteivorsitzenden. Von "ungeschicktem Verhalten" ist bei ihr die Rede, eine charmante Umschreibung des Seehofer'schen Abwatschens. Dieses komme bei vielen CSU-Mitgliedern nicht gut an, hat die Feldafingerin beobachtet. Sie muss es wissen, denn sie kommt viel im Landkreis Starnberg herum. "Es gibt derzeit viel Unruhe", sagt sie. Sie frage sich ohnehin, ob solche Ausfälle gegen Parteifreunde und Minister notwendig seien. Deshalb hofft Eiling-Hütig, dass die Geschichte endlich "in ruhigere Bahnen" kommt. Welche Motive Seehofer treiben könnten, sei nicht nur für sie selbst rätselhaft, sondern auch für viele CSUler, mit denen sie ins Gespräch kommt. Und Seehofer schweigt sich aus.

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