Starnberg:Umkehr der Machtverhältnisse

Starnberg,  Stadtrat Sitzung

Trügerische Harmonie: Gute Laune trug der Starnberger Stadtrat noch bei seiner konstituierenden Sitzung im Mai zur Schau.

(Foto: Treybal)

Bei den Neuwahlen zum Starnberger Stadtrat im April geht nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urne. Von der neuen Kräfteverteilung profitiert die Allianz aus BMS, WPS, BLS und FDP, die den Kurs von Eva John stützt

Von Peter Haacke, Starnberg

Es ist ein Wahlkampf, wie ihn Starnberg nie zuvor erlebt hat. Wer die Ereignisse des politisch turbulenten Jahres 2015 verstehen will, kommt jedoch um einen Rückblick auf 2014 nicht herum. Denn bei den Kommunalwahlen 2014 werden nicht nur neue Gremien, sondern auch neue Chefs in den Rathäusern gewählt. Die Stadt ist vollgeklebt mit Plakaten. Tunnel und Umfahrung sind beherrschende Themen. In Starnberg zeichnet sich ein Zweikampf ab, den Eva John mit ihrem "Bündnis Mitte Starnberg" (BMS) in der Stichwahl gegen CSU-Kandidat Ludwig Jägerhuber für sich entscheidet. Trotz ihres Erfolges hat die erste Bürgermeisterin in der Geschichte Starnbergs aber keine Mehrheit im Stadtrat. Doch es mehren sich Zweifel an der Korrektheit des Wahlergebnisses: Diverse Wahlbezirke werden nachgezählt - zunächst ohne gravierenden Befund. Doch im Dezember stellt die Kommunale Rechtsaufsicht fest: Die Wahl ist ungültig. Acht Stimmzettel mit insgesamt 240 Stimmen, die Einfluss auf die Stadtrats-Besetzung haben könnten, sind nicht eindeutig zuzuordnen. Die Behörde setzt Neuwahlen für den 19. April 2015 an - und Bürgermeisterin John regiert vier Monate lang allein.

Im Wahlkampf hält sich die Wählergemeinschaft pro Starnberg (WPS) nicht an die Spielregeln. Zähneknirschend muss WPS-Chef Günther Picker ein Transparent entfernen, das entgegen allen Vereinbarungen bereits im Februar an der Söckinger Straße hängt. Kurz darauf gaukelt die WPS mit symbolischem Spatenstich den Baubeginn einer Umfahrung vor - wohlwissend, dass die Westumfahrung längst beschlossene Sache ist. Und Picker berichtet wahrheitswidrig vor einer Fernsehkamera des BR, der Baubeginn habe sich aufgrund einer Intervention der CSU verzögert. Ende März veranstalten CSU, UWG, Grüne und SPD eine Demo mit 350 Teilnehmern auf der Hauptstraße zur Luftreinhaltung.

Trotz enormen Aufwands der acht Gruppierungen ist die Wahlbeteiligung am 19. April schwach: Nicht einmal jeder zweite der 18 400 Wahlberechtigten gibt seine Stimme ab, lediglich 48,8 Prozent interessieren sich für die Wahl. Ausschlaggebend sind 4472 Briefwähler, die überproportional vertreten sind. In sechs der insgesamt zehn Briefwahlbezirken erzielt das BMS Spitzenergebnisse, dreimal die WPS, nur einmal die CSU: Im Stadtrat wechseln die Machtverhältnisse. Die Umfahrungs-Allianz aus BMS (20,9 Prozent), WPS (18,5), BLS (7,1) und FDP (6,2) verfügt nunmehr über 16 Stimmen. Jener Block, der den Bau eines Tunnels vertritt - CSU (19,8), Grüne (11,2), UWG (10,9) und SPD (5,2)-, hat 14 Stimmen. Lang gediente Stadträte - darunter Otto Gaßner und Hannelore Hartmann - sind nicht mehr dabei, die meisten Neulinge stellt das BMS. Die neuen Verhältnisse wirken sich in denkwürdigem Prozedere auf die Ernennung der Bürgermeister-Stellvertreter Klaus Rieskamp (BLS) und Iris Ziebart (FDP) sowie bei Festlegung der Referenten-Posten aus. Stillschweigend ändert John auch die Geschäftsordnung. Die Baumschutzverordnung wird gestrichen, der Wasserpark wegen Sanierung geschlossen, überall in der Stadt sind Baustellen. Wer die bezahlen soll, ist teilweise unklar: Die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung wird das Gericht beschäftigen. Die Streichung der Schulbusse erzürnt Eltern in Perchting, Hadorf und Landstetten, die Anmietung des "Centrum" wird verworfen, aus den Schiffswiesen soll ein Park werden. Zum Jahresende kommt es im chronisch streitenden Gremium zum Eklat. Dabei stehen die Themen Verkehrsentlastung und Seeanbindung erst 2016 zur Debatte.

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