Starnberg:Tücke des Systems

Lesezeit: 2 min

Hella Wenders "Schule, Schule. . ."

Von Bettina Sturm, Starnberg

Regisseurin Hella Wenders hatte bereits 2012 einen Film über die inklusive, altersgemischte Gesamtschule "Berg Fidel" gemacht. Sie befasste sich damals mit dem Leben von vier Kindern mit jeweils unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Fünf Jahre später erzählt sie mit "Schule, Schule - Die Zeit nach Berg Fidel", was aus den Kindern geworden ist. Der neue Film zeigt eindrucksvoll, wie der Übertritt auf weiterführende Schulen das Leben der Kinder durcheinanderwirbelt, die schon genug mit dem Erwachsenwerden zu tun haben. Ins Bild rücken zunächst vor allem David, der vom Stickler-Syndrom beeinträchtigt ist, und Samira. Sie ersetzt den von Legasthenie geplagten Lucas aus dem ersten Teil Beide finden Noten ungerecht, David, weil er davon überzeugt ist, dass sie nicht die wahren Fähigkeiten eines Menschen beurteilen, sondern sie nur im geltenden System darstellen und dabei immer Aspekte außer Acht bleiben. Bei ihm wird das besonders deutlich, denn er wird trotz guter schulischer Leistungen von keinem staatlichen Gymnasium angenommen. Samira hingegen glaubt, dass Noten die Schüler zu stark unter Druck setzen und somit Konkurrenzdenken schüren, was Freundschaften auseinanderreißt. Sie versucht eine Zeitlang, sich zu verbiegen, bis ihr klar wird, dass das nicht mehr sie selbst ist. Letzten Endes akzeptiert sie die drohende Trennung von ihrer neuen Clique, auch wenn sie natürlich gegen die Noten nichts tun kann.

Im weiteren Verlauf des Films wird klar, dass auch Anita, die in ihrer Kindheit mit ihren Eltern und Geschwistern aus einem Kriegsgebiet im Kosovo flüchten musste, Schwierigkeiten in der Schule hat. Dementsprechend schlecht sind ihre Noten, auch mit dem Abschluss wird es kritisch. Dabei zeigt sich, dass sie das Trauma ihrer Kindheit nie ganz überwunden hat. Jakob, Davids jüngerer Bruder, hat das Down-Syndrom, aber wie David schafft auch er es auf eine weiterführende private Schule, anstatt auf eine Förderschule für geistig Behinderte gehen zu müssen. Er hat sich zu einem selbstbewussten jungen Mann entwickelt, der warmherzig und empathisch auf seine Mitmenschen eingeht und so in der Klasse gut ankommt. Alle vier jedoch sehnen sich nach Anerkennung, und sie fürchten Klassentrennungen. Dabei ist die Botschaft des Films eindeutig: Freundschaft ist das, was Menschen ausmacht. Aber Kinder brauchen auch Halt und Sicherheit, um sich entfalten zu können. Das kommt im gängigen Schulsystem oft zu kurz, zeigen die Gespräche mit den Kindern. Dabei gäbe es bereits Systeme, in denen niemand ausgegrenzt würde. Inklusive Schulen wie "Berg Fidel" sind, wie Hella Wenders in ihrem Film zeigt, eine Möglichkeit.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: