Starnberg:Stürmisches Kino

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Die Dampferfahrt auf dem Katamaran wird trotz des heftigen Gewitters wieder zum Höhepunkt des Festivals. Das "Goldene Glühwürmchen" geht an Katja Benrath, den Short-Plus-Award gewinnt Sinje Köhler

Von Blanche Mamer, Starnberg

Ein brütend heißer 1. August, ein extrem warmer Abend mit ungewisser Wetterprognose. Das Highlight des Fünfseen-Filmfestivals steht an: Die Dampferfahrt mit Party auf der MS Starnberg, Hunderte Filmfans warten vor dem Dampfersteg, schlürfen ihren Prosecco und reden über Freunde, Filme, Feste und - das Wetter. Gesprächsfetzen: "Es wird schon nicht regnen." - "Wird es doch, schau dir doch mal den Himmel an." - "Ach, die paar Wölkchen." - "In der Wetter-App ist kein Regen angezeigt."

Die MS Starnberg fährt ein, das Gedränge ist groß. Wohl wegen des nahenden Gewitters überlegt es sich Ehrengast István Szabó anders und geht nicht mit an Bord. Das ist keine schlechte Entscheidung, denn kaum sind die Leinen des Ausflugsdampfers losgemacht, fallen die ersten Regentropfen. Erst langsam und gemächlich, doch bald regnet es in Strömen, über der St. Josefs-Kirche zucken Blitze, auch über Possenhofen. Fotografen und Handy-Knipser, die auf einen schönen Sonnenuntergang ähnlich wie im vergangenen Jahr gehofft hatten, sind enttäuscht, dafür können sie zunächst noch wunderbare Wolkenformationen ablichten. Doch dann geht auch das nicht mehr. Der Himmel ist nur noch grau in grau, das sieht erschreckend gruselig aus. Publikum, Filmschaffende und Jurymitglieder stellen sich auf einen feucht-fröhlichen Ausflug ein, Festivalleiter Matthias Helwig prophezeit "einen spannenden Abend". Und es wird sehr spannend, wettermäßig sogar ziemlich abenteuerlich. "Wir fahren am Westufer entlang, an Possenhofen, Tutzing und der Roseninsel vorbei nach Seeshaupt und dann zurück entlang der Ostseite. Und wenn alles gut geht, legen wir um 23.30 Uhr wieder in Starnberg an ", sagt Kapitän Karl-Heinz Stöckner und lacht. Die Kinofans lachen ebenfalls, noch völlig unbeschwert, da es bald dunkel genug ist, beginnt die Filmschau. Jeder Zuschauer hat vier verschieden farbene Jetons bekommen, um seinen Lieblingsfilm zu wählen.

Doch dann muss das offene Oberdeck geräumt werden, Schluss mit Open-Air-Kino mit Seelüftchen, die Leinwand wird eingerollt, in aller Eile werden Stühle im Innenraum aufgestellt. So langsam beginnt das Abenteuer. Der Katamaran rollt auf und ab, der Sturm zerrt an den Abdeckungen, ein Spaziergang draußen, entlang der Rehling, ist nun kein Vergnügen mehr. Das Publikum nimmt das alles sehr gelassen, sicher, es wird gemeckert, doch auch das gehört dazu. Es ist stickig im geschlossenen Deck, es ist laut, denn die Gäste an den reservierten Tischen wollen sich beim Essen auch unterhalten. Moderatorin Jutta Prediger von Bayern 2 ist zeitweise nicht zu verstehen. Doch was soll's, die Stimmung ist trotz allem ausgelassen, ein Witzbold erinnert an "Titanic".

Matthias Helwig wirkt etwas unruhig. "Ein Unglück kommt selten allein", seufzt er. Grad hat er die Nachricht bekommen, dass in Starnberg der Strom ausgefallen ist und in der Schlossberghalle die Filme abgebrochen werden mussten. Keine Lichter am Ufer, nur schwarze Nacht.

Die Kurzfilme laufen ohne Zwischenfall. Der ambitionierteste und politischste Film gewinnt. "Watu Wote" von Katja Benrath wird mit dem "Goldenen Glühwürmchen" ausgezeichnet. Der Film erzählt von einer wahren Begebenheit in Kenia im Dezember 2015, als ein Überlandbus von Terroristen der islamistischen Al-Shabaab angegriffen wird und muslimische Reisende die Christen im Bus beschützen. "Eine ungeheure Leistung für eine weiße Regisseurin ohne Freunde oder Sprachkenntnisse", findet Helwig. Den Short-Plus-Award gewinnt "Freibadsinfonie" von Sinje Köhler. Der Video-Art-Preis geht an "Cambeck" von Binelde Hyrcan. Und zum Schluss wird noch der Kurzfilm "Sjecam se-Amarcord" von Wolf Gaudlitz über den Künstler Milan Mihajlovic gezeigt, den der in München lebende bosnische Maler selbst präsentiert.

Der Uhrzeiger geht Richtung 23.30 Uhr. Kapitän und Festivalchef können aufatmen. Ein kleines Abenteuer ist glücklich überstanden. Langsam ist wieder Ufer zu erkennen, in Starnberg ist wieder Licht.

Für die Kinogänger, die ihre Filme nicht zu Ende sehen konnten, gibt es neue Termine: "Sommer 93" läuft am Donnerstag, 22.30 Uhr, in der Schlossberghalle. "Dancer" und "Seven Days" gibt es am Freitag, 16 Uhr, im Kino in Starnberg.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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