Starnberg:Streit um Sozialabgaben

Staatsanwaltschaft wirft Inhaberin eines Paketzustellservices vor, 250000 Euro nicht bezahlt zu haben.

Andreas Salch

Ich ging davon aus, dass alles in Ordnung ist, so wie es ist", versichert die Inhaberin eines Paketzustellservices am Starnberger See immer wieder. Doch nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war in dem Unternehmen der 48-Jährigen bisweilen längst nicht alles in Ordnung. Deshalb hat sie gegen die Firmeninhaberin Anklage erhoben. Zwischen Januar 2008 und Februar 2010 soll diese keine Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherung gezahlt haben. Alles in allem geht es um etwas mehr als 253 000 Euro. Seit Mittwoch muss sich die 48-Jährige deshalb wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 146 Fällen vor dem Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die 22 Fahrer des Tutzinger Zustellservices keine Subunternehmer waren, sondern in Wirklichkeit abhängige Beschäftigte. Die Fahrer, so heißt es in der Anklage, hätten sich bei ihrer Arbeit sogar nach einem "Qualitätshandbuch" richten müssen. Dieses schrieb ihnen bis ins kleinste Detail vor, wie sie eine Sendung zustellen müssen, wie sie gegenüber den Kunden auftreten sollten, welche Kleidung sie zu tragen haben und schließlich innerhalb welcher Zeit bestimmte Arbeiten zu erledigen seien. Das Handbuch stammt von einem großen Logistik-Dienstleister, für den wiederum die Angeklagte arbeitet. Doch das Unternehmen hat in diesem Verfahren nichts zu befürchten. Es habe seine Verträge schon so austariert, dass man ihm nicht an den Karren fahren könne, stellte der Vorsitzende Richter bei der Vernehmung der Angeklagten fest. Dass deren Fahrer lediglich Scheinselbständige waren, sei auch daran zu sehen, so die Staatsanwaltschaft, dass sie alle Aufträge ihrer Chefin hätten annehmen müssen. Ebenso hätten sie auch Touren machen müssen, die sich aus unternehmerischer Sicht im Grund genommen kaum rentierten. Ob sie denn nicht selbst einmal auf den Gedanken gekommen sei, dass ihre Zusteller in Wirklichkeit Scheinselbständige waren, wollte der Richter von der Angeklagten wissen, worauf diese entgegnete: Zur Scheinselbständigkeit sagten die einen dies, die anderen das. Deshalb hätte sie sich auch von jemandem beraten lassen sollen, der etwas davon versteht, entgegnete der Vorsitzende. Was der Steuerberater der 48-Jährigen für Ratschläge gab, wird sich nicht mehr herausfinden lassen. Denn er ist mittlerweile gestorben. Da die Angeklagte am Mittwoch wesentliche Teile der Anklage bestritt, etwa dass ihre Zusteller keine Möglichkeit gehabt haben sollen, auch auf eigene Rechnung Pakete zuzustellen, wird dem Gericht wohl nichts anderes übrigbleiben, als alle 22 Zeugen zu vernehmen, die für das Verfahren geladen sind. Dafür sind weitere fünf Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil soll dann Mitte Dezember verkündet werden.

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