Kreisstadt:Stiefkind Sport

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Als "Sportstadt" hat sich Starnberg keinen herausragenden Ruf erwerben können. Nun brütet Winfried Wobbe gemeinsam mit Lehrern und Clubvertretern an der Idee, Schul- und Vereinssport besser miteinander zu vernetzen

Von Peter Haacke, Starnberg

Sport eröffnet Kindern und Jugendlichen ein weites Betätigungsfeld, der pädagogische Wert der Leibesertüchtigung ist unbestritten. Mehr als 60 Sportarten - olympische wie nichtolympische - sind mit einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Disziplinen im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vertreten. Doch in der Praxis sieht es insbesondere an den Schulen meistens mau aus: Im Sportunterricht wird oft nur ein Bruchteil dessen unterrichtet, was möglich wäre. Selbst Klassiker wie die großen Ballsportarten, Leichtathletik, Turnen und Schwimmen kommen - allen gut gemeinten Lehrplänen zum Trotz - erheblich zu kurz oder werden gar nicht unterrichtet. Sport ist an vielen Grund-, Mittel- und Realschulen sowie an den Gymnasien zum Stiefkind geworden. Auch Starnberg macht da keine Ausnahme. Andererseits fehlen identitätsbildende sportliche Aushängeschilder in der Kreisstadt, wenn man von Disziplinen wie Segeln, Golf oder Sportschießen absieht. Sportreferent Winfried Wobbe (UWG) möchte diesem Umstand entgegen wirken und arbeitet seit Ende 2016 gemeinsam mit Lehrern und Vereinsvertretern an der Idee, Schul- und Vereinssport besser miteinander zu verzahnen.

Erste Impulse dazu gab es bereits vor zehn Jahren: Der damalige Sportreferent Holger Knigge (SPD) hatte 2006 ein Sportkonzept für die Kreisstadt auf den Weg bringen wollen. Doch über eine Bestandserhebung von Sportanlagen und Vereinsliegenschaften im Stadtgebiet kam der gut gemeinte Ansatz nicht hinaus: Der Hauptausschuss verweigerte die Zustimmung zum zweiten Teil einer konkreten Bedarfsanalyse, nicht mal halb therapiert wurde der Patient "Sportstadt Starnberg" 2008 wieder entlassen. Die Probleme blieben ungelöst.

Im November nun lud Wobbe zum jährlichen "Sportgespräch" ein, knapp 20 Teilnehmer fanden sich ein. Wichtigstes Arbeitsergebnis: Ganz oben auf der Agenda steht eine verbesserte Darstellung der insgesamt 48 Sportvereine auf der Homepage der Stadt mit einer gezielten Suchfunktion nach Sportdisziplinen anstelle einer Auflistung nach Vereinsnamen. Zudem besteht der Wunsch nach besserer Vernetzung - auch in Hinblick auf Hallenkapazitäten, Übungsleiter, Materialien und Veranstaltungen. Ein Diskussionsforum auf der städtischen Homepage sieht man im Rathaus dagegen eher kritisch. Zielrichtung bleibt, dass sich Vereinsfunktionäre "öfter, leichter und schneller austauschen können", sagt Wobbe - auch, wenn das grundsätzlich keine neue Idee ist.

Anfang Dezember fand ein Treffen zwischen Vertretern diverser Schulen und Mehrspartenvereinen vom TSV Starnberg, SV Wangen, SV Söcking und SC Percha statt; erste Ideen wurden erarbeitet. Welche Klassen sollten in welcher Stärke teilnehmen, wo und wann könnte eine Aktion stattfinden, wer ist Koordinator und welche Sportarten sollte man berücksichtigen? Und wie könnte sich die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen dauerhaft gestalten? Für Wobbe steht fest: Das Programm muss sich am bestehenden Sportangebot in Starnberg orientieren. Dabei sollen auch weniger populäre Disziplinen - abseits von Sporttagen, Bundesjugendspielen oder Meisterschaften - in den Fokus rücken. "Es muss sich was tun", sagt Wobbe. "Aber es ist schwieriger geworden, Schüler für den Sport zu begeistern."

Angedacht ist eine Kooperation zwischen Clubs und Schulen, bei der etwa Übungsleiter in die Schulen kommen und eine altersgerechte Trainingseinheit gestalten. Die Schulen könnten aber auch gezielt Fachtrainer anfragen. Gefordert wären die Mehrspartenvereine, aber auch Spezialisten aus Kampf- und Randsportvereinen könnten zum Zuge kommen. Ein Hallenwettbewerb mit verschiedenen Disziplinen schwebt Peter Lietzenmaier (SV Söcking) vor. Doch allzu weit sind die Pläne noch nicht gediehen. "Ziel ist es, die Schüler auch für andere Sportarten zu begeistern und Kontakte in die Vereine zu vermitteln", sagt Wobbe, der gleichwohl um die Schwierigkeiten weiß: Badminton, Judo, Capoeira, Tischtennis oder Tanzen stehen eben nicht im Sport-Lehrplan. Segeln, Rudern oder Tennis spielen in den aktuellen Überlegungen derzeit aber ebenso wenig eine Rolle wie "König Fußball". Andererseits ermöglicht vor allem der Schulsport gewisse Freiräume, die aber im Sinne einer umfassenden sportlichen Ausbildung oft genug ungenutzt bleiben. "Ideal wäre es, wenn die Zusammenarbeit im Rahmen des Sportunterrichts stattfindet", sagt Wobbe, der jahrelang am Gymnasium Sport unterrichtete. Ansonsten will man sich offen halten für Interessierte und gute Ideen. Wobbe: "Wir warten auf Vorschläge."

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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