Starnberg:Starnberger Herbergssuche

Starnberg  Ev.Pf.Schroeder

Der evangelische Pfarrer Hans Martin Schroeder und seine Frau Elke-Maria halfen in Starnberg in aller Stille.

(Foto: Georgine Treybal)

Pfarrer Hans Martin Schroeder und seine Frau Elke-Maria haben einem Flüchtling über Monate Kirchenasyl gewährt. Der Kirchenvorstand hielt dicht, in der Öffentlichkeit wurde nichts bekannt

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Der Starnberger Pfarrer Hans Martin Schroeder hat in der Weihnachtszeit eine besondere Art der Herbergssuche erlebt. Am Dreikönigstag klopfte ein Flüchtling an die Tür seines Pfarrhauses und bat um Kirchenasyl. Heute, knapp zehn Monate später, hat es der junge Mann aus der Ukraine fast geschafft. Er bekommt ein faires Asylverfahren in Deutschland. "Wenn ich kein Kirchenasyl bekommen hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich im Gefängnis", sagte der junge Mann auf der Veranstaltung "Kirchenasyl in Bayern", zu der der Freundeskreis der Evangelischen Akademie Tutzing am Montag ins evangelische Gemeindehaus in Starnberg eingeladen hatte.

Darf sich die Kirche über das Grundgesetz stellen? Diese Fragen beschäftigen die Besucher nach dem Vortrag von Stephan Theo Reichel, dem Berater und Koordinator für Evangelisches Kirchenasyl in Bayern. Der Referent und die Besucher waren sich am Ende darin einig: Kirchenasyl soll es weiter geben. Allerdings sollte es nur in Einzelfällen gewährt werden als Akt der Menschlichkeit, wenn das geltende Rechtssystem versagt. Es sollte immer der "letzte Ausweg" bleiben.

Auch Reichel riet zur Besonnenheit. Die Betroffenen dürfen das Kirchengelände nicht verlassen. Und es sei absurd, wenn man Flüchtlinge einsperren müsse, um ihnen zu helfen, sagte er. Nach seiner Erfahrung ist dies gerade für traumatisierte Flüchtlinge "nicht hilfreich". Zudem fällt ein Flüchtling, dem Kirchenasyl gewährt wird, aus allen staatlichen Systemen heraus. Er hat weder einen Ausweis, noch eine Krankenversicherung. In der Praxis muss Kirchenasyl daher von einem großen Unterstützerkreis getragen werden, beispielsweise von Anwälten oder Ärzten.

Laut Reichel wächst der Druck auf die Kirchen mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen. Nach seinen Angaben ist 2013 nur in 13 Fällen Kirchenasyl gewährt worden, dieses Jahr schätzt er die Anzahl schon auf rund 300. Man dürfe das Kirchenasyl nicht überreizen, sagte er. Nach seiner Erfahrung fördert das so genannte Dublin-Abkommen die Fälle von Kirchenasyl. Demnach ist immer der Staat für den Flüchtling zuständig, in den er eingereist ist. Flüchtlinge, die über Ungarn nach Deutschland gekommen sind, können daher wieder dorthin zurückgeschickt werden. Wie der Referent betonte, sind aber die Zustände in Ungarn unhaltbar. Dort gebe es kein Essen und Trinkwasser müssten sich Flüchtlinge oftmals aus der Toilettenspülung holen. In besonders drastischen Fällen kann daher laut Reichel Kirchenasyl gewährt werden bis die Rückführungsfrist nach sechs Monaten abläuft und der Flüchtling in Deutschland Asyl beantragen kann.

Der junge Mann, dem in Starnberg Kirchenasyl gewährt wurde, ist über Polen eingereist. Ukrainer hätten in Polen jedoch keine Chance auf Asyl, so Reichel. Wie Schroeder und seine Frau Elke-Maria berichteten, war es für sie ein Gebot christlicher Barmherzigkeit den jungen Mann aufzunehmen. Allerdings war dafür die Zustimmung des Kirchenvorstands erforderlich. Auch die Behörden hätten mitgespielt. Schroeder nennt es das "stille Kirchenasyl". Der junge Mann habe in dieser Zeit Deutsch lernen und einen Schulabschluss machen können. Doch trotz der Unterstützung sei es nicht immer leicht gewesen, sagte Schroeder am Rande der Veranstaltung. Man habe miteinander auskommen müssen unter einem Dach. Die größten Schwierigkeiten bestanden aber laut Schroeder darin, den Mann nach dem sechsmonatigen Kirchenasyl wieder in das staatliche System zurück zu bringen. Jetzt hat er einen Platz in einer Asylbewerberunterkunft und wartet auf seine Papiere.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: