Starnberg:Starnberger Chaostage

Der Stadtrat ist zerstrittener denn je und Bürgermeisterin Eva John gerät immer mehr in die Defensive. Dies bekommen auch ihre Stellvertreter zu spüren, die bislang weder Schlüssel noch Büros erhalten haben

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg

Keine Rathaus-Schlüssel und Büros für die Stellvertreter, ein sehr wahrscheinlich rechtswidriger Beschluss zum Fraktionswechsel des WPS-Stadtrats Klaus Rieskamp zur Bürgerliste Starnberg (BLS), eine abgesagte Sitzung des Ferienausschusses: Das persönliche wie auch politische Gebaren der Starnberger Bürgermeisterin Eva John (BMS) wird immer mehr zur Belastung für die gesamte Kreisstadt. Dabei war John bei der Kommunalwahl im März mit dem Anspruch angetreten, Bürgermeisterin für alle Starnberger sein zu wollen und im Stadtrat die Lagerbildung zwischen Tunnelgegnern und Tunnelbefürwortern aufzubrechen. Davon ist nach nur vier Monaten Amtszeit nicht mehr viel übrig geblieben - und das nicht nur nach Ansicht der Mitglieder der UWG wie Otto Gaßner und Jürgen Busse, sondern auch der Vizebürgermeisterin Martina Neubauer (Grüne) und des dritten Bürgermeisters Gerd Weger (CSU).

In einer bislang auch für das politisch sehr rege Starnberg nicht gekannten Form äußerte sich die Vizebürgermeisterin Neubauer in einer UWG-Veranstaltung am Mittwochabend in Starnberg. Sie unterstrich dabei, dass sie auch für Gerd Weger spreche. Was die Grüne zu berichten hatte, löste mehr als Kopfschütteln bei den UWG-Mitgliedern aus: Man war empört. Denn die beiden Stellvertreter von John, so Neubauer, hätten weder einen Schlüssel für das Rathaus noch ein eigenes Büro.

Starnberg Dienstzimmer BGM John

Eva John ist CSU-Mitglied. Bei der Bürgermeisterwahl im März trat sie für eine parteifreie Liste an und wurde zur Starnberger Bürgermeisterin gewählt.

(Foto: Georgine Treybal)

Entsprechend hilflos war Neubauer, als sie eine Sitzung leiten sollte, aber vor verschlossenen Türen stand. "Das war eine mehr als peinliche Situation", sagte sie. Dass John sich mit ihren Stellvertretern ganze zwei Mal zu kurzen Besprechungen getroffen habe, lässt für Neubauer den Schluss zu, dass die Starnberger Bürgermeisterin ihre Stellvertreter von allen Informationen des Rathausbetriebes fern halten möchte. "Wir werden massiv ausgebremst, obwohl wir ihr gleich zu Anfang unsere Loyalität zugesagt haben", betonte Neubauer. Sie sei enttäuscht, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich sei. Aber sie wolle nicht aufgeben. Über die Gründe von John kann Neubauer nur spekulieren: "Ich glaube, sie hat meine Wahl als Stellvertreterin immer noch nicht akzeptiert." Tatsächlich war Neubauer nicht die Wunschkandidatin von John. Dies war Stadtrat Klaus Rieskamp (damals WPS, heute BLS), der bei der Wahl zum Zweiten Bürgermeister mit 15:16 Stimmen knapp unterlag.

Genau diese knappen Mehrheitsverhältnisse sind es, die die Arbeit des neuen Stadtrats belasten. Der Wechsel von Rieskamp zur BLS und die damit verbundene Aufwertung der Bürgerliste als zweiköpfige Fraktion hat den Streit weiter eskalieren lassen, zumal der Stadtrat im Juli auch beschloss, die Sitzverteilung in den Ausschüssen neu zu regeln. In sämtlichen Ausschüssen mit 13 Mitgliedern verschöben sich damit die Kräfteverhältnisse zugunsten der Allianz aus WPS, BMS, BLS und FDP, die dann - rein rechnerisch - eine Stimme Mehrheit hätte gegenüber CSU, UWG, Grünen und SPD. Verlierer wäre vor allem die UWG. Diesen Beschluss hält die Kommunalaufsicht für problematisch, wenn nicht sogar für rechtswidrig, da sie davon ausgeht, dass sich Rieskamp aus taktischen Gründen der BLS angeschlossen hat. UWG-Fraktionschef Otto Gaßner sprach von einer möglichen "Amtspflichtverletzung" von Bürgermeisterin John, weil sie schon vor der Stadtratssitzung auf die Problematik aufmerksam gemacht wurde. "Sie hat sich im Landratsamt informiert und sich dennoch über die Bedenken hinweggesetzt", wusste UWG-Stadtrat Jürgen Busse zu berichten. Angesichts des weiter anhaltenden Streits samt möglicher Aufhebung des Stadtratsbeschlusses durch die Kommunalaufsicht befürchten sie weiter Schaden für die Stadt. "Das hat alles eine katastrophale Außenwirkung." Gaßner forderte deshalb eine "Rückkehr zu einem ordentlichen Sitzungswesen".

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