Starnberg:Spätbarockes Gesamtkunstwerk

Das Bläserquartett Summa cum Gaudae erfüllt St. Josef mit intensiven Klangmassen

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Raum, Architektur, künstlerische Ausstattung und ihre Ikonografie, gesprochenes und geschriebenes Wort, Musik und religiöse Handlungen: All das waren im 18. Jahrhundert Teile des großen sakralen Gesamtkunstwerks; des heiligen Theaters, kulminierend in der Inszenierung auf dem Hauptaltar hinter dem eingezogenen Triumphbogen als Bühneneinrahmung. Der heilige Ort als Bühne, auf der die Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit verschwimmen. Auch wenn St. Josef in Starnberg nicht das spätbarocke Zentralbauideal verwirklicht ist, übertrieb dritte Bürgermeisterin Iris Ziebart sicher nicht, als sie von "der Perle der Stadt" schwärmte.

Dass Elisabeth Carr mit ihren "Kunsträumen am See" in der Kirche trotz der abseitigen und unerklärlicherweise fast vergessenen Lage dort beharrlich immer wieder Konzerte veranstaltet, ist Absicht: Sie will wertvolle Orte bekannt machen und sie der Öffentlichkeit aus einem ganz speziellen Blickwinkel vorstellen. Das gehört auch zur Programmatik von "Juni Spiele schön jung", die auf dem Schlossberg einen Höhepunkt besonderer Art erlebten. Die Kunsthistorikerin Ella Beaucamp führte in die Ikonografie des Raumes ein und in dessen Ausstattung, ließ es sich aber auch nicht nehmen, konkrete Ideen zu sakralen Räumen über die Religionsgrenzen hinweg, in denen Moslems wie Christen oder Buddhisten friedlich nebeneinander beten, vorzustellen. Eine Botschaft, die besonders viel Applaus erntete.

Starnberg: Marinus Wieder (Trompete), Florian Kronwitter (Trompete), Manfred Kastenmüller (Posaune) und Leonhard Schwarz (Tuba) musizierten im Barock-Ambiente der St. Josef-Kirche.

Marinus Wieder (Trompete), Florian Kronwitter (Trompete), Manfred Kastenmüller (Posaune) und Leonhard Schwarz (Tuba) musizierten im Barock-Ambiente der St. Josef-Kirche.

(Foto: Arlet Ulfer)

Ein Blechbläserensemble ist immer die richtige Wahl, wenn es barocke Kirchenräume zu füllen gilt. Der ungeheuer reiche Klang und die tief unter die Haut gehende Substanz sind die akustische Form der barocken Festlichkeit in direkter Übersetzung. Auch wenn das Quartett Summa cum Gaudae mit der Palette Tuba, Basstrompete, Posaune, Trompete und Flügelhorn kaum Barockmusik spielte, so waren doch die Charakteristika der Epoche schon allein durch den Klang gegeben. Die vier Musiker Leonhard Schwarz, Marinus Wieder, Florian Kronwitter und Manfred Kastenmüller legten es aber auch darauf an. Die dramaturgische Inszenierung der Musiken ermöglichte schließlich einen enormen Spielraum für die Erzeugung entsprechender Wirkungen und Effekte. Meist ging es dabei um thematische Variationen, die zunehmend an Intensität gewannen, um dann im jeweiligen Finale einen enormen Körper aus flutenden Klangmassen aufzurichten - plastisch geknetet und zu runden, weichen Gebilden geformt.

Um sakrale Musik ging es dabei allerdings selten. Vielmehr um Stücke, denen eine entsprechende Sinnenfreude immanent ist, und die in der Akustik des Raumes ihre Wirkung entfalten konnten. Etwas schlanker hätte der Sache allerdings nicht geschadet, ist das Kirchenschiff doch im Grunde überakustisch. Die wunderbare "Morgenstimmung" aus Griegs "Peer Gynt" konnte sich zwar ins Unermessliche ausdehnen und sich im Höhepunkt triumphal öffnen, die dichte Textur aber ließ die feinsinnigen Details allzu sehr verschwimmen. Dennoch gelang es Summa cum Gaudae eine adäquate Atmosphäre auszubreiten. Darin fühlten sich vor allem die weniger pompösen Pop-Songs und Lieder - wie etwa das inbrünstige "Lass mich einfach nicht mehr los" von Konstantin Wecker, das beschwingte "It's what You Believe" von Mike Stern oder das überaus barock anmutende "Cäcilia Weis'" von Leonhard Schwarz - besonders wohl.

Starnberg: Die Kunsthistorikerin Ella Beaucamp führte in die Ikonographie des Raumes ein.

Die Kunsthistorikerin Ella Beaucamp führte in die Ikonographie des Raumes ein.

(Foto: Arlet Ulfers)

Wenn man von Barockmusik spricht, darf Bach nicht fehlen. Mit dessen zauberhaft berührendem Choral "Jesu bleibet meine Freude" gelang es dem Ensemble doch, Melodielinien klar zu exponieren und sie dadurch im Raum schweben zu lassen. Doch hier ging es explizit um Spätbarock - also um die Zeit der zierlich ziselierten Rocaille, der feingliedrig verschlankten Figuren wie auch der luftig-leichten und hell belichteten Kircheninnenräume.

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