Starnberg:Sofi verbindet

Sonnenfinsternis 2015; SoFi 2015

Mit Brille durften die Schüler des Gilchinger Gymnasiums hinaus, um die Sonnenfinsternis zu beobachten.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Touristen, Einheimische und Schüler strömen an der Starnberger Seepromenade, der Volkssternwarte oder im Pausenhof zusammen, um das Naturspektakel zu beobachten. Annäherung an ein Gemeinschaftserlebnis.

Von Clara Brügge, Ute Pröttel und Christian Deussing

"In Köln reicht ein Abend in der Bar, um Kontakte zu knüpfen - in Starnberg braucht es dazu schon eine Sonnenfinsternis", sagt ein Tourist aus der Stadt am Rhein, der das Naturspektakel am Freitag wie viele andere an der Starnberger Seepromenade bestaunt, und lacht. Und damit fasst er im Prinzip zusammen, was sich an diesem Morgen an den Ufern des Sees abspielt: Die Sonnenfinsternisbrille ist eine knappe Ressource, um die wenigen Menschen, die eine ergattern konnten, bilden sich innerhalb kürzester Zeit kleine Gruppen, in denen die Brillen dann freudig herumgereicht werden. So kann jeder einmal mit eigenen Augen sehen, wie sich der Mond von 9.30 Uhr an allmählich vor die Sonne schiebt.

Auch der Besitzer des Seekiosks am alten Bahnhof bietet zwei Sofibrillen zum Rumreichen an - kostenlos, versteht sich: "So was passiert ja nicht so oft", sagt er. Ein älterer Herr aus Starnberg weiß: "Sofibrillen ausleihen, bringt Glück für die nächsten zehn Jahre." Am Freitag wird die Sonne hierzulande lediglich zu 70 Prozent vom Mond verdeckt - 1999 waren es 100 Prozent. Damals sei die Stimmung eher düster gewesen, sagt eine Seniorin aus Söcking: "Ich erinnere mich noch genau an dieses Gefühl der Beklemmung, das ich damals hatte." Auf einmal sei es unnatürlich dunkel gewesen, die Straßenlampen seien angegangen, die Vögel hätten aufgehört zu zwitschern. Und das, obwohl es auch damals erst Mittag war. Darauf, dass es dunkel wird, warten die Schaulustigen an der Seepromenade am Freitag vergeblich. "Aber ein bisschen dunstig ist es schon. Und kälter ist es auch geworden", sagt eine Starnbergerin. Logisch, wenn die Heizquelle um zwei Drittel ihrer Strahlung beraubt wird.

Sonnenfinsternis 2015; SoFi 2015

Professionell ging in Söcking Kim Teltscher vor, die ihre Kamera vorher aufgebaut hatte, um das Himmelspektakel im Bild festzuhalten.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Auch in den Volkssternwarte in Aufkirchen herrscht Andrang. "Ich denken wir hatten heute Vormittag mehr Besucher als im gesamten letzten Jahr," überschlägt Stefan Schmid, Leiter der Christian-Jutz Volkssternwarte, die Menge der Interessenten. Unter ihnen viele Mitglieder, die ihre eigenen Teleskope in einem weiten Halbkreis unterhalb des weißen Kuppelgebäudes auf dem Gelände an der Lindenallee aufgestellt haben. Sie alle nehmen Mond und Sonne ins Visier. Durch manche Teleskope ist die Sonnenfinsternis als schwarz-weißes Schauspiel zu sehen, andere sind mit Filtern ausgestattet, die die Sonne als dunkelrote Scheibe abbilden.

Die Dächer der Beobachtungshütten sind zur Seite gerollt, zeitweise bilden sich lange Schlangen vor den Trittleitern. Aus der Kuppel heraus wird die Sonnenfinsternis fotografiert. Alle zehn Minuten ein Foto. Am charmantesten kommen die selbst gebastelten Teleskopkisten der jüngeren Vereinsmitglieder daher. Thomas Schulz und Lina Schmid haben beide für den heutigen Tag eine offizielle Unterrichtsbefreiung bekommen und erklären den Grundschülern aus der nahen Oskar-Maria Graf Grundschule in einer Endlosschleife wie die Teleskopkisten funktionieren. In der Wand einer normalen Bananen- oder Obstkiste steckt ein kleines sechseckiges Teleskop. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein weißes Blatt Papier aufgeklebt. Wenn das Teleskop richtig auf die Sonne ausgerichtet ist, projiziert es das Gestirn als leuchtend hellen Punkt auf das Blatt Papier. Sobald sich der Mond vor die Sonne schiebt, bildet es spiegelverkehrt den wandernden Schatten ab. Der Betrachter kann so die Sonnenfinsternis vollkommen gefahrlos beobachten. Gleich eine multiple Sonnenfinsternis kann durch ein haushaltsübliches Nudelsieb beobachtet werden. In jedem einzelnen der Abtropflöcher wird die teilweise verdunkelte Sonne sichtbar, wenn das Sieb vor eine helle Wand gehalten wird. Erstaunlich einfache Experimente, die auf jedem Pausenhof gefahrlos möglich gewesen wären.

Das jedenfalls zeigt Physiklehrer Wolfgang Vieser vom Gilchinger Christoph-Probst-Gymnasium. Er steht in einem Pulk von Schülern, die Sofi-Brillen tragen und alles über die Phasen wissen wollen. Auch die Kinder der benachbarten Arnoldus-Grundschule hören zu oder blicken in den Himmel. 68 Prozent der Sonne sind jetzt bedeckt. 30 Meter weiter verfolgen Schüler das Schauspiel an Teleskopen. Zwei Geräte mit 300 Millimeter Brennweite haben Luca und Pascal aufgestellt, sie schießen alle vier Sekunden auch im Zeitraffer Fotos von der entscheidenden Phase und den Mondgebirgen.

Unterdessen läuft in der Aula ein Livestream auf großer Leinwand von der totalen Sonnenfinsternis auf den Faröer-Inseln. Um 11.12 Uhr jubeln mehr als 200 Schüler - es ist der magische Moment, als sich die Sonne komplett verdunkelt. Physiklehrer Vieser zeigt mit Profiblick, wo das Zentralgestirn Material ins All schleudert und wo ein Mondtal zu sehen ist. "Nämlich dort, wo das Sonnenlicht durchflackert." Der Höhepunkt auf der Leinwand wird mit feierlicher Popmusik begleitet. Das besondere Naturereignis hat Vieser als promovierter Astrophysiker genutzt, praxisnah die Schüler zu motivieren. Der 45-Jährige erhofft sich dadurch einen Schub im Unterricht.

Sonnenfinsternis 2015; SoFi 2015

Auch Folien kamen als Sichtschutz zum Einsatz.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Am Ende des Spektakels verweist der Lehrer noch auf die totale Sonnenfinsternis im August 2017 in den USA. Das wäre doch ein interessantes Thema für ein Projekt-Seminar, schlägt er vor. Und wer das wolle, könne dann auch in die Staaten fliegen, denn es wären ja die großen Ferien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: