Starnberg:Sehnsucht nach Berg

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Für die Lieder zuständig: Otto Göttler vom "Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn" an der Zither. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Oskar-Maria-Graf-Abend im Gemeindesaal Starnberg

Von Anna Gleiser, Starnberg

In der Regel laufen Veranstaltungen wie diese laut Otto Göttler so ab, dass zu Beginn vier Leute da sind und die Organisatoren noch ein paar Minuten warten wollen, weil sie sich sicher sind, dass noch ein paar kommen werden. Also warten alle noch fünf Minuten, und es kommen tatsächlich noch zwei weitere Personen - allerdings nur, um die Karten wieder zurück zu geben. Ganz anders verlief der Abend am Donnerstag im evangelischen Gemeindesaal. Elke Schroeder lud zum letzten von ihr organisierten Event ein - und der Saal war brechend voll. Es mussten sogar zusätzliche Stühle herangeschafft werden. Zum ersten Mal in vier Jahren gingen Schroeder doch tatsächlich die Tickets aus.

Es war aber auch ein besonderes Schmankerl geboten: eine Lesung aus Oskar Maria Grafs "Wir waren Gefangene" sowie von vier noch nicht veröffentlichten Briefen aus seiner Zeit in New York. In wohldosiertem bayerischen Dialekt las Erika Schalper Passagen aus Grafs autobiografischem Werk und ergänzte es mit Anmerkungen und Erklärungen, um dem Zuhörer einen möglichst präzisen Eindruck über Grafs Leben zu vermitteln. Ein vollständiges Porträt des aus Berg stammenden Autors hätte jedoch den Rahmen des Abends gesprengt. Seine Hochzeit mit Karoline Bretting im Jahr 1917 bot den richtigen Moment für einen Cut, denn in seinen späteren Werken ist laut Schalper eine andere Stimmung bemerkbar.

Nach einer kurzen Pause las Brigitta Reihl Grafs Briefe vor, die aus dem Nachlass von Schatzlbauer Paul Huber stammen. Die Briefe aus den Jahren 1954, 1956 und 1957 schickte er aus dem Exil in New York an seine früheren Nachbarn aus Kindheitstagen: "Schatzlin" Frau Huber und deren Sohn Paul.

Dem Tonfall der Korrespondenz ist anzumerken, dass Graf ruhiger und nachdenklicher geworden ist. Er vermisst seine alte Heimat in Bayern und schreibt, dass er als Staatenloser nicht ausreisen könne und seine Heimat deswegen wohl nicht noch einmal sehen werde. Der Schriftsteller zeigt sich bedrückt über die weltpolitische Lage und kann den herrschenden Kriegswahn so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verstehen.

1957 bekommt Graf die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, dadurch ändert sich seine Lage. In den folgenden Jahren unternimmt er vier Europareisen und kommt dabei immer wieder nach Berg. Für eine Fotoreihe mit Bildern aus Berg und Starnberg, die Paul Huber ihm geschickt hatte, bedankt sich Graf ausführlich. Er ist angetan von der Entwicklung der Orte; vor allem, dass so viele Schulen gebaut worden sind, freut ihn.

Mit Zither und Akkordeon begleitete Otto Göttler den Abend. "Die Regieanweisung für den Musiker war übrigens instrumental", merkte Erika Schalper neckisch an, nachdem Göttler schon zwei Lieder in tiefstem Bayerisch gesungen hatte. Aber weder Zuhörer noch Organisatorin nahmen es ihm übel. Schließlich liege es in der Natur eines Musikers, Anweisungen nicht zu befolgen, witzelte Schalper. Zum Schluss stimmte das Publikum mit ein und der gesamte Saal sang einen Zwiefachen vom "kloana Hosn in da greana Wiesn".

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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