Firmenporträt:Schuhe aus dem Konfigurator

Christian Klammer und Jana-Maria Lehnhardt wollen mit einer innovativen Idee beweisen, dass das Internet nicht der Tod der kleinen Geschäfte sein muss. Deshalb haben sie sich am Wettbewerb "Handel im Wandel" beteiligt.

Von Otto Fritscher, Starnberg

Nein, wie klassische Schuhmacher oder Schuhverkäufer sehen Christian Klammer und Jana-Maria Lehnhardt nicht aus. So reden sie auch nicht, wenn sie über "digitale Prozesse", "Skalierung", "E-Commerce" und "digitale Transformation" referieren. Es ist die Sprache vieler Unternehmensberater, und das sind die beiden auch. Und doch sieht das hier, in der Maximilianstraße 20 in Starnberg, aus wie ein ganz normales Geschäft, in dem es vor allem Schuhe, aber auch Mode für Kinder und Damen und dann noch "dies und das gibt", wie Lehnhardt sagt. "Ja, wir führen eine Unternehmensberatung, und haben es vor fünf Jahren dazu gewagt, ein Geschäft in Starnberg zu eröffnen." Und das in Zeiten, in denen das Internet vermeintlich der Tod des "stationären Handels" ist, wie Klammer Ladengeschäfte nennt.

Fünf erfolgreiche Jahre in Starnberg, mit einem Sortiment, das Schuhe für Kinder und Damen in den Größen 30 bis 42 führt. Die Herren der Schöpfung gehen leider leer aus. Die Preise für ein Schuhmodell liegen zwischen 140 und 360 Euro. Und erst auf den zweiten Blick eröffnet sich das ungewöhnliche Konzept, das die beiden Unternehmer im "Schuhtingstar", so heißt der Laden, umgesetzt haben.

Es sind nur wenige Grundmodelle, Chelsea Boots, Ballerinas, Sneakers und Stiefel, die in den Regalen zu finden sind. Rund 4000 Schuhe haben Klammer und Lehnhardt nach eigenen Angaben jährlich verkauft. Jetzt kommt das "Aber": "Das bindet natürlich Kapital, weil wir einen relativ großen Lagerbestand vorhalten müssen." Und dann kamen, so die Erfahrung von Jana-Maria Lehnhardt, immer wieder Kundinnen, die sagen: "Schöner Schuh, aber wenn der keine Spange hätte, oder wenn dieses Detail in einer anderen Farbe wäre." Das sei Trend zur Personalisierung und Individualisierung, sagt Klammer, eine Entwicklung, die immer stärker werde.

Firmenporträt: Ganz unterschiedliche Designs hat dieses im Grunde gleiche Schuhmodell.

Ganz unterschiedliche Designs hat dieses im Grunde gleiche Schuhmodell.

(Foto: Arlet Ulfers)

So entstand die Idee, sozusagen Schuhe zu personalisieren, indem Material, Farbe und Ausstattung von den Kundinnen selbst gewählt werden können. Neben den verschiedenen Schuhmodellen kann aus Glattleder, Velours- oder Lackleder, geprägtem Leder, Kunstfell oder Glitter gewählt werden, und da jeder Schuh aus sieben "Schnitten" - quasi Einzelteilen - besteht, gibt es auch hier nochmals reichlich Möglichkeiten zur Individualisierung. Auch unterschiedliche Sohlen sind noch möglich.

"Das größte Problem war es, Produzenten zu finden, die sozusagen auf Abruf in der Lage sind, binnen 14 Tagen ein solches Paar Schuhe herzustellen", erklärt Christian Klammer. Die meisten Schuhproduzenten seien es gewohnt, große Chargen zu produzieren, und nicht "Los 1", also eine Einzelbestellung. "Wir haben nur in Italien gesucht, weil das immer noch die besten Leder-Verarbeiter der Welt sind", sagt Lehnhardt. Und sie seien bei einem halben Dutzend Schuhproduzenten in der Region Marchen fündig geworden.

Firmenporträt: Künftig soll die Vielfalt mit dem Schuh-Konfigurator noch viel größer werden, sagen Christian Klammer und Jana-Maria Lehnhardt.

Künftig soll die Vielfalt mit dem Schuh-Konfigurator noch viel größer werden, sagen Christian Klammer und Jana-Maria Lehnhardt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Nun muss allerdings noch eine andere Hürde genommen werden: Es braucht eine Konfigurator-Software, mit der man per Fingertipp seinen Schuh zusammenstellen, verändern und dann in Auftrag geben kann. Solche Konfiguratoren kennt man schon aus der Automobil- oder Modebranche. Ein teures Unterfangen, weswegen Lehnhardt und Klammer mit Investoren im Gespräch sind. Der Konfigurator soll in eine Stele oder einfach ein iPad implantiert werden. Dann soll das Ganze so funktionieren: "Die Kundin kommt in den Laden, sucht sich Schuhe aus, probiert sie an - und bestellt sie nach ihrem Geschmack am Konfigurator", sagt Lehnhardt. Das sei der ganz Vorteil gegenüber reinen Internet-Shops, ergänzt Klammer: "Wer im Online-Shop bestellt, kann Schuhe nicht probieren. Es gibt ungeheure Retouren-Quoten."

Er verfolgt ein anderes Konzept: Ein Geschäft mit einem Online-Shop im Netz zu verbinden, in den einfach ein Teil des Sortiments eingestellt wird, reiche nicht aus. Effektiver sei es, den Gestaltungs- und Bestellprozess zu digitalisieren, nachdem die Kundin die Schuhe angefasst und anprobiert hat. Mit dieser Idee haben sich die Starnberger an einem renommierten Wettbewerb beteiligt. "Handel im Wandel" heißt dieser, ausgelobt von der UnternehmerTUM GmbH, dem Zentrum für Innovation der TU München, unterstützt vom Bundeswirtschaftsministerium. "Ja, wir hatten uns schon Hoffnung gemacht, den Preis zu gewinnen", sagt Klammer. Das sah die Jury aber anders, es gewann eine Firma, die ein innovatives System zur Bilderkennung von Dichtungsprofilen entwickelt hat. "No problem", sagt Klammer. Bis es so weit ist, und der Konfigurator im Schuhtingstar stehen wird, wird noch einige Zeit vergehen. "Wir hoffen, Mitte des nächsten Jahres soweit zu sein, wenn alles gut läuft", erklärt Lehnhardt. Damit sind die beiden umtriebigen Unternehmensberater noch nicht zufrieden. Sie wollen ihr Modell "skalieren", also anderen Geschäften anbieten. Eine Lizenz soll dann wenige hundert Euro pro Jahr kosten. "Wäre ja nicht schlecht, wenn der Schuh-Konfigurator bald in jedem Schuhgeschäft stehen würde", sagt Klammer und lacht. Auf jeden Fall zeigen die beiden, dass das Internet keineswegs der Tod des Einzelhandels sein muss, wenn man es richtig anpackt.

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