Starnberg:Schondorfer Schokolade

Bürgermeister Alexander Hermann war in Nicaragua und Kolumbien unterwegs, um eine Klimapartnerschaft zu begründen. Das erste gemeinsame Projekt könnte die Verarbeitung von Kakao aus Agroforstkultur zum Schutz des Regenwalds werden

interview Von Armin Greune

Zwölf Tage war eine dreiköpfige Delegation des Schondorfer Gemeinderats mit dem Übersetzer und Geograf Klaus Hecht in Nicaragua und Kolumbien unterwegs, um eine kommunale Klimapartnerschaft mit der Partnergemeinde Puerto Leguizamo in die Wege zu leiten. Bürgermeister Alexander Herrmann ist mit vielen Eindrücken von der ungewöhnlichen Dienstreise zurückgekehrt.

SZ: Wie ist die Tour abgelaufen?

Herrmann: Zunächst haben die zehn deutschen und zehn lateinamerikanischen Partnerkommunen in Managua an einem internationalen Netzwerktreffen teilgenommen. Das Thema waren der Klimawandel und vor allem die Klimaanpassung - also die Frage, wie auf die bereits bestehenden Tatsachen reagiert oder dagegen Vorsorge betrieben werden kann. Bei der Rundreise durch Nicaragua haben wir ein Land kennengelernt, das im Moment schon sehr unter der Klimaveränderung zu leiden hat. Bei der anhaltenden Dürre dort sind manche Frauen täglich drei Stunden lang damit beschäftigt, Wasser aus viele Kilometer entfernten Brunnen zu holen. Für unsere kolumbianischen Partner, die zum Teil noch nie ins Ausland gereist waren und die in einer der wasserreichsten Gegenden der Welt leben, war der Anblick eines ausgetrockneten Flussbetts sehr erschreckend.

Mit welchen Umweltproblemen müssen die Menschen in Leguizamo leben?

Im Fluss Putumayo findet illegaler Goldabbau statt, bei dem Quecksilber und Zyanide freigesetzt werden. Auf der siebenstündigen Bootsfahrt von Puerto Asís nach Puerto Leguizamo haben wir fünf Goldwäscher auf ihren verankerten Schiffen gesehen. Am Ufer wird überall für die extensive Viehwirtschaft der Regenwald gerodet. Die dünne Humusschicht ist aber nicht dafür geeignet, saftige Weiden wachsen zu lassen. Müll wird zwar getrennt, aber die Plastikabfälle verbleiben auf örtlichen Deponien. Und in isolierten Dörfern weitab der Städte kommt das Trinkwasser immer noch unbehandelt aus dem Fluss.

Starnberg: Sieben Stunden dauert die Bootsfahrt von Puerto Asís zu Schondorfs Partnergemeinde Puerto Leguizamo.

Sieben Stunden dauert die Bootsfahrt von Puerto Asís zu Schondorfs Partnergemeinde Puerto Leguizamo.

(Foto: Stefanie Windhausen-Grellmamn)

Wie kann Schondorf bei der Lösung dieser Probleme helfen?

Wir wussten ja vorab, dass wir dort niemand mit der Brotkrume aus dem Urwald zu locken brauchen und haben mit unseren Partnern fünf Themengebiete festgelegt. Michael Deininger (Schondorfer Gemeinderat, Dießener Wassermeister und tropenerfahrener Katastrophenersthelfer, die Red.) hat sich mit örtlichen Fachleuten über Trink- und Abwasser ausgetauscht. In den abgelegenen Weilern wäre Brunnenbau eine Alternative. Strom wird in der Region mit Generatoren erzeugt, alternative Energiequellen wie Photovoltaik sind fast unbekannt. Und wenigstens im nahen Nationalpark La Paya könnten die Boote der Ranger von Solarenergie statt Diesel angetrieben werden.

Was ließe sich zum Schutz des amazonischen Regenwalds beitragen, der ja eine Schlüsselrolle im Weltklima einnimmt?

Für die Landwirte wäre fair gehandelter Kakao eine Chance. Wie wir in Nicaragua gesehen haben, müsste für Agroforstwirtschaft der Wald nicht gefällt werden, Kakaoanbau ist auch im Schatten der Urwaldriesen möglich. Wir wollen Leguizamo bei der Zertifizierung und Suche nach Verarbeitungs- oder Vertriebspartnern in Mitteleuropa helfen. Zum Auftakt lassen wir uns demnächst probeweise 120 Kilogramm vorgetrockneten Kakao schicken, aus dem "Schondorfer Schokolade" entstehen soll.

Schondorf Rathaus BGM Herrmann

Bürgermeister Alexander Herrmann war mit den Schondorfer Gemeinderäten auf einer ungewöhnlichen Dienstreise.

(Foto: Georgine Treybal)

Hat denn umgekehrt auch die Delegation vom Ammersee in Amazonien etwas über Klimaschutz lernen können?

Auf jeden Fall mit wie wenig Energie eine funktionierende Gemeinschaft erhalten werden kann. Wir waren etwa zu einer örtlichen Radiosendung beim katholischen Sender in Puerto Leguizamo eingeladen. Das Interview konnte dann wegen eines Stromausfalls nicht stattfinden, aber damit wird dort extrem unaufgeregt umgegangen. Und für die indigenen Völker ist die Trennung von menschlicher Gesellschaft und Natur nicht existent, sondern alles miteinander verflochten. Dieser Einstellung sollten wir uns annähern.

Als nächstes steht ja der Gegenbesuch der Kolumbianer in Schondorf an.

Ja, das ist für Ende September vorgesehen. Dann werden wir uns für das volle Programm revanchieren und hier etwa Klär-, Biogas- und Solaranlagen besichtigen. Sie werden bestimmt auch nicht viel Freizeit haben (lacht).

War die Mission denn so stressig?

Naja, es war sicher kein Urlaub. Wir sind zum Beispiel nie nach fünf Uhr früh aufgestanden. Am Ende haben wir uns in einem Dorf alle Montezumas Rache eingefangen, was auf der Rückfahrt nicht gerade toll war. Aber es gab auch sehr schöne Momente: Etwa der gesellige Abend im Nationalpark La Paya, wo wir uns in der lauen Urwaldnacht mit den Kolumbianern gegenseitig lustige Geschichten erzählt und gemeinsam gesungen haben. Und bei der Rückfahrt vom Nationalpark hatten wird das große Glück, einen der seltenen Flussdelfine zu sehen.

Wann erhalten denn die Schondorfer Bürger einen detaillierten Reisebericht?

Für den 7. Mai ist ein gemeinsamer Vortrag unserer Delegation in der Grundschule geplant. Wir drei haben ja unterwegs sehr gut harmonisiert und uns in unseren Rollen perfekt gegenseitig ergänzt. Stefanie Windhausen-Grellmann (Gemeinderätin und TV-Journalistin, die Red.) war nicht nur für die emotionalen und sozialen Kontakte zuständig, sondern auch als Berichterstatterin dabei. Sie hat viele, sehr schöne Fotos mitgebracht.

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