Starnberger Verkehr:Schnitt in die grüne Lunge

Die Umfahrungs-Allianz wird sich entscheiden müssen, ob sie eine Verkehrslösung für Starnberg anstrebt oder doch nur den B2-Tunnel verhindern will

Von Peter Haacke, Starnberg

Wie geht's weiter mit dem Projekt "Verkehrsentlastung für Starnberg"? Seit der Präsentation erster Ergebnisse des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) Anfang Februar, der eine Prognose zur Wirksamkeit verschiedener Szenarien im Jahr 2030 in den Fokus rückte, war es bemerkenswert still in der Politik-Landschaft. Bisher gab es kaum Reaktionen, in den Fraktionen wird noch beraten. Derzeit kann nur darüber spekuliert werden, für welche Variante sich der Stadtrat entscheiden wird, denn zentrale Fragen sind noch unbeantwortet. Umso spannender wird sein, wie sich nun die Bürgerinitiative "Pro Umfahrung - Contra Amtstunnel" (BI) am Sonntag, 21. Februar, bei ihrem Neujahrsempfang in der Schlossberghalle positionieren wird. Unter dem Dach der Umfahrungs-Allianz haben sich seit 2014 vier Gruppierungen - das BMS mit Bürgermeisterin Eva John, die WPS als "politischer Arm" der BI, Liberale und Bürgerliste - versammelt. Im Zentrum steht die Frage, ob man sich für eine realisierbare Verkehrslösung stark machen wird oder doch nur allein den Bau des ungeliebten B2-Tunnels vereiteln will.

Die Versammlung der Tunnelgegner im Vorjahr war eine Demonstration des Willens: Im Vorfeld der Stadtratsneuwahlen im April 2015, die der Allianz bei nur 48,8 Prozent Wahlbeteiligung schließlich eine hauchdünne Mehrheit im Stadtrat bescherte, zeigten die Vertreter von BMS, WPS, BLS und FDP größte Einigkeit: Eine Starnberger Umfahrung, hieß es unisono, sei machbar. Das entschiedene Nein zum Tunnel erwies sich als durchschlagendes Top-Argument beim Wähler, obwohl bis heute völlig unklar ist, wo denn die propagierte Umfahrung verlaufen soll. Selbst das mit der Anfertigung des VEP beauftragte Experten-Team aus Hannover vermied es bislang tunlichst, eine konkrete Empfehlung zu geben. Tatsächlich existieren derzeit lediglich grob skizzierte Korridore und eine "idealisierte Trasse", die eine exakte Lage der Umfahrung im Norden der Stadt - ungeachtet von FFH-, Natur- oder Wasserschutzgebieten- bestenfalls andeutet.

Doch etwas genauer müsste es schon noch werden angesichts vieler offener Fragen. Wer, wie, wann, wo, was und geht das überhaupt? All dies ist weiterhin ungeklärt. Abgesehen vom Umstand, dass weder Finanzierung noch Lage oder Machbarkeit der Trasse hinterfragt wurden und ein Raumordnungsverfahren in weiter Ferne liegt, fragen sich immer mehr Bürger: Könnten wir betroffen sein? Gibt es eine Brücke oder einen Tunnel unter der Bahnlinie? Führt die Umfahrung unterm Friedhof hindurch oder über Tennisplätze hinweg? Sind Anwohner von Schwaige, Starnberger Wiese, Schloßhölzl, Gautinger Straße oder Blumenviertel betroffen? Folgt nach dem Bau der Westtangente der nächste Schnitt in Starnbergs grüne Lunge? Erlaubt EU-Recht derart massive Eingriffe in die Natur, obwohl mit dem B2-Tunnel eine planfestgestellte und zudem rechtlich gesicherte Lösung existiert? Und was halten Staatliches Bauamt, die Gemeinde Gauting, das Landratsamt, Regierung von Oberbayern, bayerischer Gemeinde- und Städtetag sowie das Bundesverkehrsministerium vom Vorhaben der Starnberger?

Fest steht bislang nur: Die von der Bürgerliste, aber auch von den meisten Starnbergern favorisierte ortsferne Umfahrung, die das Autobahndreieck Starnberg mit der Waldkreuzung verbinden soll, scheint im Hinblick auf eine Verkehrsentlastung am wenigsten zu bringen. Das weiß auch BLS-Chef Walter Jann, Vater des Widerstands gegen den Tunnel. Denn eine Umfahrung entfaltet umso größere Wirkung, je näher sie an einer Stadt verläuft. Im Wahlkampf aber hatte die BLS geworben: "Mit der Bürgerliste wird es nur eine Umfahrung geben, die weit draußen liegt und somit nicht durch Wohngebiete führt. Versprochen!" Erweist sich die "Jann-Trasse" aber als nicht realisierbar und unwirksam, müsste sich die BLS aus der Debatte verabschieden. Doch Jann gibt nicht auf und erachtet in einer aktuellen elfseitigen Expertise Ergebnisse und Folgerungen der VEP-Prognosen als ungeeignet. Überraschendes Fazit der BLS: "Erwartungsgemäß ergibt die ortsferne Umfahrung die beste Bewertung; Tunnel und ortsnahe Umfahrungen fallen dagegen stark ab."

Etwas anders gelagert ist der Fall bei der FDP: Zwar favorisieren auch die Liberalen eine Umfahrung, doch sollte sich der Tunnel als beste Lösung entpuppen, würde man zähneknirschend zustimmen. Unklar ist die Haltung des BMS, während bei der von Senioren dominierten WPS weiterhin die Parole des einstigen BI-Vorsitzenden Hans-Jochen Diesfeldt gelten dürfte: "Lieber nichts als der Tunnel!" Bisher interpretierte die WPS ihren Wahlerfolg als Bürgervotum gegen den Tunnel; jüngst kündigte man gar an, alle "zustimmenden Beschlüsse des Stadtrats zum B2-Tunnel" aufheben zu wollen. In der Öffentlichkeit wächst darüber das Unverständnis: Warum sollte man voreilig auf ein 200-Millionen-Euro-Geschenk vom Bund verzichten, obwohl eine Umfahrung mehr als ungewiss ist?

Man darf also gespannt sein, ob und wie sich BI und WPS äußern. Bislang hat man bis auf den Verkehrsentwicklungsplan und eine grobe Vision noch immer nichts Konkretes zu bieten; Kritiker aus CSU, UWG und SPD indes sehen die WPS gefangen. Zumal die CSU-Abtrünnige Eva John nicht die besten Karten haben dürfte bei Bayerns entscheidenden Behörden. Nur die Grünen könnten dem Ganzen - abgesehen vom Schmerz über die Westumfahrung - positive Aspekte abgewinnen: Tempo 30, Aufwertung von Radlern, Fußgängern und ÖPNV, keine Umfahrung, kein Tunnel und Verkehrsvermeidung - das wäre wahrlich grüne Politik.

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