Starnberg:Schalten und walten

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Finale der Orgelkonzerte in St. Maria mit Christoph Hauser

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Mit der Dynamik (Lautstärkemodellierung) an der Orgel ist es so eine Sache: Der Tastendruck kann nicht differenziert werden. Möglich ist nur Ventil auf oder zu. Dem Organisten bleibt fürs Crescendo oder Diminuendo lediglich der Schweller - Jalousiesegmente, die bei Schließung mittels Zusatzpedal manche Register dämmen - und die Kombination von Registern. Letzteres kann durchs Schalten während des Spiels oder auch durch Wechsel der unterschiedlich laut und gefärbt registrierten Manuale beim Spielen bewerkstelligt werden.

Das klingt nicht nur nach viel Arbeit, das ist es auch. Dennoch ließ es sich der Organist der Klosterkirche Fürstenfeld, Christoph Hauser, nicht nehmen, seinen Auftritt zum Abschluss der Konzertreihe zum 80. Jubiläum der Zeilhuber-Orgel in der Starnberger Stadtpfarrkirche St. Maria mit einem Feuerwerk an Klangfarben und feinst differenzierter Dynamik zu krönen. Zum Glück für die Zuhörer per Kamerabildübertragung auf eine Leinwand sichtbar. So konnte jeder Handgriff und Fußtritt mitverfolgt werden.

Und man sah Beeindruckendes. Selten erlebt man einen Orgelvirtuosen, der einerseits höchst konzentriert, andererseits doch sehr entspannt, ja lässig an die Aufgabe herangeht. Hauser registrierte und "blätterte" auf seinem Tablet-PC sogar, während er bisweilen hochvirtuose Werke interpretierte. Dieses Schalten und Walten, teilweise verbunden mit rasanten Wechseln der drei Manuale rauf und runter, um die Dynamik zu modellieren, hatte dennoch etwas sehr Harmonisches: Jeder Griff saß, wurde aber auch mit Ruhe und müheloser Selbstverständlichkeit ausgeführt. Gerade das Intermezzo aus der g-Moll-Symphonie op. 42/6 von Widor modellierte Hauser mit präzisen Manualwechseln. Er wechselte nach leisem Romantik-Schönklang zu scharf geschnittener, spritziger Leichtigkeit und fand zu einem fulminanten, substanzmächtigen Finale.

Die feinsinnige Differenzierung in kleinsten Schritten galt selbstverständlich nicht allen Komponisten. Bei Händel - das von Hauser selbst bearbeitete Orgelkonzert F-Dur op. 4/4 - war der Entstehungszeit entsprechend keine solche nahtlose Modellierung gefragt. Hauser kontrastierte vielmehr in barocker Pracht: Dem Strahlenden Kopfsatz folgte ein melancholisch mäanderndes Andante. Im Adagio wurde es kurz düster und schwer, das kraftvoll-feierliche Finale hinterließ großen Eindruck. Rameaus Gavotte aus "Le temple de la gloire" erklang in vergleichbarer Klangpracht, die in diesem Fall auf alte Blasinstrumente baute.

Um ein imposantes Orchester ging es indes bei Wagners Pilgerchor aus "Tannhäuser". Hier begann schon die Zauberei mit den Klangwirkungen, wobei Hauser stets um satte Substanz bemüht war. In Rheinbergers Sonate d-Moll trug auch deutlich die Differenzierung der Dichte der Textur zur Modellierung bei. Hauser unterschied etwa im Kopfsatz zwischen dicker, schwerer Substanz und nostalgisch entrückter Klangschönheit. Leise und empfindsam fiel die Formung der "Melodia" aus Regers "Orgelstücke" op. 59 aus, zwischen zarterLyrik und atmosphärischer Schlusssteigerung.

Und diese Charakteristika wurden auch zum Bestandteil des großen Finales, das den Orgelabend subsumierte. Bei der Vierne-Symphonie h-Moll op. 59 ging es erst einmal in der Aria auf die Reise durch chromatische Landschaften mit Einwürfen ferner Visionen. Zwischen kraftvoller Substanz und mysteriöser Abschattung lief alles auf einen imposant-hymnischen Schluss von großer Intensität und Dichte zu. Lang anhaltender Applaus und eine festlich-barocke Zugabe.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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