Starnberg:Protest gegen Abschiebepraxis

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Mit Trommel und Plakaten zogen Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrats, Tutzinger Helfer und Flüchtlinge durch den Ort zur Evangelischen Akademie. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Gut 90 Demonstranten üben vor der Evangelischen Akademie in Tutzing lautstark Kritik an der bayerischen Asylpolitik

Tutzing Lautstarker Protest in Tutzing am Freitagabend: Mitglieder von Helferkreisen demonstrierten gemeinsam mit Geflüchteten gegen die Flüchtlingspolitik der Bayerischen Staatsregierung und gegen die seit 2015 geschaffenen sogenannten "Abschiebelager". Ihre Slogans: "Gleiche Rechte für alle, egal wo du herkommst" und "Abschiebelager zerstören Leben." Denn dort herrschen laut Bayerischem Flüchtlingsrat, der zum Protest aufgerufen hatte, "menschenunwürdige Bedingungen". Ihr Weg führte die Demonstranten mitten durch den Ort - vom Bahnhof zur Evangelischen Akademie am Ufer des Starnberger Sees.

Eine Anwohnerin, an deren Haus der Marsch vorbeiführte, klatschte spontan Beifall und rief: "Super, das braucht es! So kann man vielleicht ein bisschen was tun." Am Ende war die Gruppe auf mehr als 90 Personen angewachsen, einige hatten sich spontan dem Zug angeschlossen, andere stießen erst an der Evangelischen Akademie dazu. Dort begann am Freitag die Sommertagung des Politischen Clubs zum Thema "Was heißt eigentlich Integration?", an der auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann teilnahm. Dieser war erst kürzlich von Jugendlichen zum "Abschiebeminister 2017" ernannt worden - also zu dem Minister in Deutschland, der nach Ansicht der Jugendlichen für die härteste Abschiebepraxis steht.

Bei der Kundgebung berichteten Helfer und Geflüchtete über Mikro von persönlichen Erlebnissen, unter anderem mit dem Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF). Sie warfen Fragen auf: "Was soll ich tun, wenn jemand in meinen Unterricht kommt und einen Schüler rausholen will? Wie soll ich das verantworten?" oder "Wie definieren Sie Sicherheit?" Ein afghanischer Jugendlicher fragte unter Tränen, was er getan habe, er sei doch auch nur ein Mensch mit zwei Armen und zwei Beinen, der zur Schule gehen wolle.

Eine Hauptforderung der Demonstranten ist die Überprüfung aller Ablehnungsbescheide. Denn diese seien laut einem Helfer "gespickt mit Fehlern". Der Direktor der Evangelischen Akademie, Udo Hahn, stellte sich den Demonstrierenden und bat drei zur Tagung dazu. Ein Vertreter des Flüchtlingsrats begleitete daraufhin einen Ukrainer mit Dolmetscherin ins Schloss. Nach Herrmanns Vortrag beklagte der Ukrainer die Umstände seiner Abschiebung. Als "unglücklich für die Argumentation" bezeichnete der Tutzinger Helfer und Tagungsgast Peter Frey es am Sonntag, dass der Flüchtlingsrat diesen Fall gewählt habe und nicht einen von Abschiebung bedrohten Afghanen.

© SZ vom 19.06.2017 / Glan/manu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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