Faschingsendspurt:Piraten, Promis und Prinzessinnen

Die Umzüge am Faschingsdienstag in zahlreichen Gemeinden ziehen wieder viele Besucher an

Nein, das hat ihn zu sehr getroffen, er wird nicht kommen", sagt Robert Weiß, Ehrenpräsident der Perchalla kurz nach Beginn des Faschingstreibens auf dem Starnberger Kirchplatz. Er - das ist Gerd Weger, der das bunte Treiben 42 Jahre verantwortlich organisiert hat, von 1974 bis 2016. Im vergangenen November hatte er dann den Organisationsjob nach Differenzen mit Bürgermeisterin Eva John hingeworfen. Aber dann, so kurz nach drei Uhr, kommt er doch. Verkleidet als "Freund von Dinard", wie Weger selbst sagt, mit Baskenmütze, angemaltem Schnurrbart und FC-Bayern-Fan-Jacke. "Vielleicht ist er auch der gealterte Ribery", witzelt Weiß. Um dann zu sagen: "Diesen Abgang hat er nicht verdient." Weger hatte Wahlwerbung von WPS-Frauen während des letzten Faschingstreibens unterbinden wollen, aber Eva John war nicht hinter ihrem damaligen Stellvertreter gestanden.

Sein Nachfolger als Cheforganisator ist nun Stadtrat Winfried Wobbe, der sich als "Disco-Winnie" mit Flammen-Blouson und Afro-Perücke bis zur Unkenntlichkeit verkleidet hat. "Ich werde nicht viel anders machen als bisher", kündigt er an. Nur, dass jetzt die Stadtverwaltung die Organisation auch im Vorfeld des Treibens übernehmen muss - was bisher Weger gemacht hatte. Den meisten Besuchern ist dieser Zwist egal, sie unterhalten sich, während die Perchalla-Garden ihre Show abziehen. Einige Besucher sind sogar fantasievoll verkleidet: als römischer Legionär und englischer Bobby.

Am Vormittag hatte noch eine Absage des Faschingstreibens wegen des schweren Zugunglücks bei Bad Aibling im Raum gestanden. Die Perchalla hatte bei Landrat Karl Roth angefragt, ob sie das Treiben ausfallen lassen solle. Doch Roth riet zu - und feierte selbst im Landratsbüro, verkleidet als Gemeindeschreiber mit Ärmelschonern und Stift hinter dem Ohr, während sich die Vorzimmerdamen in Giraffen verwandelt hatte und Amtssprecher Stefan Diebl einen Alt-Hippie samt Kifferpfeife mimte. Auf dem Kirchplatz kommt Roth indes schon fast in Zivil daher, lediglich mit einer feschen schwarzen Schleife statt einer Krawatte. Die Stimmung ist gut.

Auch in Unterbrunn ist was los. Besonders frech sind sie diesmal mit ihren Scherzen über lokale Ereignisse und die Kommunalpolitik. Allerdings kommt die Darstellung im Umzug manchmal wie ein gespielter Witz daher, den eigentlich nur Insider verstehen können. Zum Beispiel die Spitze gegen Kreisheimatpfleger Gerhard Schober, der recht günstig im alten Schulhaus zur Miete wohnt. Ausgerechnet der Hüter des Brauchtums soll sich über Scheinwerferlicht unter seinem Fenster beschwert und lauthals geschimpft haben, als die Unterbrunner Maibaumdiebe mitten in der Nacht von einem Raubzug heimgekehrt sind und ihre Beute in einem Versteck verstauen mussten. "Hier schläft das Brauchtum", lautet der bissige Kommentar dazu, der auf einem mit Bett, Maibaum und Fenster ausstaffierten Themenwagen zu lesen ist. Zum Trost wird beim Faschingszug auch Geld für eine Ortschronik gesammelt, die Schober verfassen will.

Auch die Fußverletzung von Bürgmeisterin Brigitte Kössinger ist Thema. Der Unterbrunner Hermann Geiger spielt ihren Stellvertreter Jürgen Sklarek, der wegen des Handicaps der Rathauschefin ihre Aufgaben mit übernehmen muss, zu Geburtstagen gratulieren, bei Beerdigungen kondolieren und ab und dazu in seinem Beruf als Arzt visitieren. Ein Kössinger-Darsteller wird währenddessen in einem Elektrowagen herumgefahren.

Zusammen mit Handkarren und Betonmischer haben vor mehreren Hundert Zuschauern insgesamt 13 Wagen eine kleine Runde durch den Ort gedreht. Weitere Themen waren der bissiger Biber an der Würm, der Wasserrohrbruch in einer Unterführung im vergangenen November Dezember ("Ganz Gauting ein Schwimmbad") und die teuren Rathausstühle in der Nachbargemeinde Gilching.

Bunt geht es am Faschingsdienstag auch in Pöcking zu. Ob Hexe, Mexikaner, Pirat, Prinzessin oder kleiner Tiger: Das halbe Dorf war auf den Beinen, um zur Turnhalle zu pilgern. Mit dem Rucki-Zucki und dem anschließenden Kehraus hat dort der Pöckinger Faschingsclub (PFC) den letzten närrischen Höhepunkt in dieser Saison gesetzt. Mit Non-Stop-Musik und den Auftritten von Kinder- und Jugend-Garde sowie der Showtanzgruppe "The Dancing Mania" verbreiteten die Pöckinger Narren eine super Stimmung. Dazwischen spielte die Pöckinger Blasmusik auf und in der gut gefüllten Turnhalle herrschte Biergartenatmosphäre. Viele Besucher sind fantasievoll maskiert, darunter auch Bürgermeister Rainer Schnitzler und sein Amtsvorgänger Konrad Krabler, der sich zahlreiche Faschingsorden umgehängt hat. Der frühere Gemeinderat Christoph Plathner ist als Mexikaner verkleidet, obwohl er ein Faschingsmuffel sei, wie er betont. "Aber a bisserl was muss gehen", sagt er. An einem Tisch sitzen Asylbewerber und fotografieren das Geschehen mit ihren Handys. Es ist wie auf einem Familienfest. Hofmarschall Andreas Schlepp weiß aus Erfahrung, dass das Rucki-Zucki nahtlos übergeht zum Kehraus. "Der Fasching ist noch lange nicht vorbei", heizt PFC-Präsidentin Steffi Lörke die Zuschauer an.

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