Starnberg:Offenes Pfarrhaus

Starnberg Ev.Kirche, Weihnachten mit Pf.Schroeder

Eine unkonventionelle Krippe bekommt Starnbergs Pfarrer Hans Martin Schroeder heuer von seiner Frau Elke geschenkt.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Eheleute Schroeder haben Kirchenasyl gewährt und sind generell Fremden gegenüber aufgeschlossen

Von Berthold Schindler, Starnberg

- Nazar Z. hat das mit der Herbergssuche am Heiligabend 2014 wörtlich genommen. Der heute 21-jährige junge Mann aus der Ukraine klingelte damals beim Ehepaar Schroeder, um den Pfarrer von der protestantischen Friedenskirche Starnberg, Hans Martin Schroeder, und dessen Frau Elke um eine Bleibe zu bitten. Die staunte nicht schlecht, als sie die Tür öffnete, beschied ihm aber, dass er sich noch einen Tag gedulden möge, denn der Pfarrer, wie soll es am Vierundzwanzigsten anders sein, war schwer beschäftigt.

Ein Jahr ist seit dieser schicksalhaften Begegnung vergangen, ein Jahr, in dem sich viel für die beiden ereignet hat. Zunächst zu den reinen Fakten: Die Kirche gewährte Z. nach einem Beschluss des Vorstands Kirchenasyl, bis nach einem halben Jahr der Bescheid eintrudelte, dass er regulär im Verfahren sei und keine Abschiebungsgefahr mehr bestünde. Es kam noch besser: Z. erhielt kürzlich eine Lehrstelle als Zimmerer in Starnberg und eine Unterkunft in Berg, "wir haben beim Bezirk Oberbayern und dem Bundesamt für Migration darauf gedrängt, dass Nazar etwas in der Nähe bekommt". Aber zwischen diesen nüchternen Zeilen verbergen sich noch einige andere Geschichten: Über das Zusammenleben mit einem zunächst Fremden, über die Flüchtlingssituation, über Mut und über Weihnachten. Während der Geistliche und seine Frau sprechen, stehen gerade Asylbewerber im Pfarrhof, die Tafel verteilt Lebensmittel. Die Sonne strahlt, die Laune draußen ist gut. Drinnen ist soeben der Stollen fertig geworden, den der Pfarrer selbst gebacken hat, dazu gibt es einen duftenden Cappuccino. "Bisher war die Herbergssuche ein Kindergartenspiel, die so noch nicht mal in der Bibel steht", sagt Schroeder, "in Lukas heißt es lediglich: Denn sie hatten keinen Raum in der Herberge, und daraus wurden diese schönen Geschichten gesponnen". Dieses "Spiel" sei nun hier, in Starnberg, Realität geworden, in besonderem Umfang für ihn persönlich. Einfach war es nicht immer mit dem unerwarteten neuen Mitbewohner, wie es eben sei, wenn man seinen privaten Raum plötzlich mit jemandem teilen müsse, der zwar schon gut deutsch spricht, aber aus einer anderen Kultur mit einer anderen Biografie kommt, und dem als junger Mann am Anfang seiner Zwanziger zuweilen ein anderes Leben vorschwebt als in einem ruhigen Pfarrershaushalt.

Weihnachten ist "in erster Linie einfach nur viel Arbeit", sagt Elke Schroeder, "man ist als Veranstalter und Gastgeber natürlich ganz anders involviert als jetzt die Gäste". Ihr Gatte hält vier Messen, und wenn er "im Flow" sei, wie er es nennt, stellt sich tatsächlich schon während der Gottesdienste das Weihnachtsgefühl ein, besonders "wenn man nicht vor einer amorphen Masse von 200 Leuten steht, sondern mit seinen Worten die Menschen erreicht und sie bewegt, da schießt das Adrenalin in die Adern" - man kann es sich bei diesem so bedächtigen, ruhigen Mann zunächst gar nicht recht vorstellen, doch die Person, die ihn am besten kennt, lächelt beipflichtend. Einen Moment später springt sie auf, der katholische Kollege wirft gerade einen Weihnachtsgruß ein, sie möchte sich bedanken.

Der Weihnachtsgruß, den Schroeder an seine Gemeinde richten wird, ist gewissermaßen die Predigt. Er weiß noch nicht genau, worum es genau gehen wird; in jedem Fall hat die Ansprache mit dem Auszug aus dem Titus-Brief zu tun, der auch im Gottesdienst gelesen wird. Schroeder hält seine Predigt in der Heiligen Messe frei, allenfalls "zwei, drei Stichpunkte" schreibe er sich auf, der Rest entstehe spontan. Elke Schroeder ist wieder im Zimmer. Mit Blick auf die Flüchtlinge im Hof spricht sie darüber, unter welchem Stern das heurige Fest der Liebe steht: Dankbarkeit. "Dass es uns hier so gut geht im Vergleich zu ganz vielen anderen Menschen." Aber diese Dankbarkeit bedeute nicht, sich darauf auszuruhen, sondern das Privileg dafür zu nutzen, denen zu helfen, die nicht so viel Glück haben. Ihr Mann pflichtet ihr bei und fügt noch zwei Stichworte hinzu: Der Frieden sei seit langer Zeit wieder ein akutes Thema; er erinnert an die Engelsverkündigung bei der Geburt Jesu "Et in terra pax", Friede auf Erden. Zum Syrieneinsatz findet er dann auch klare Worte: "Krieg ist nie die Lösung für irgendein Problem und erst recht nicht für eins, das wir uns mit unserer westlichen Außenpolitik selbst zuzuschreiben haben." Mit Blick auf "besorge Bürger" und Pegida-Sympathisanten zitiert er noch eine Bibelstelle aus Jesaja: "Fürchte dich nicht", heißt es dort in Kapitel 41, Vers zehn. "Wenn man Angst hat, kann man sich nicht frei auf andere Menschen zubewegen."

Wenn dann schließlich am frühen Abend die letzte Messe gelesen sein wird - die Christmette um 23 Uhr übernimmt der Amtskollege Stefan Koch -, beginnt das private Weihnachten. Das große Weihnachtsessen für die Eheleute mit Kindern und Enkelkindern findet erst am ersten Feiertag statt, am Vorabend gibt es im ehelichen Kreise eine Bescherung. Ob er seine Geschenke schon habe, beantwortet er nach kurzem Zögern schmunzelnd: "Nicht wirklich." Und schon klingelt es wieder. Ein junger Mann von der Brücke ist da, er muss Sozialstunden ableisten und bittet Pfarrer Schroeder, sie in der Kirche verrichten zu dürfen. Schroeder kümmert sich um ihn.

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