Starnberg:Neben der Spur

Wer radelt, muss sich seinen Platz erkämpfen: Der Kreisverband Starnberg des ADFC bilanziert nach seinem ersten Geschäftsjahr, dass die Situation der Fahrradfahrer durchaus verbesserungswürdig ist.

Annette Jäger

Radfahrer im Fünfseenland

Nicht überall im Würmtal kommen Radfahrer so reibungslos voran wie auf diesem Foto. Beim Bau der Umgehungsstraße zwischen Ober- und Unterbrunn etwa seien ihre Anliegen komplett übergangen worden, klagen die Radler. Foto:Fuchs

(Foto: Sta Franz Xaver Fuchs)

Fahrradfahrer haben es manchmal schwer. Eigentlich wollen sie nur zügig von A nach B. Doch dann sind hohe Bordsteine im Weg, sie werden von Autofahrern knapp überholt, die sie dann auch noch mit Scheibenwischwasser vollspritzen, und am Ziel sind keine Radabstellplätze vorhanden. All das sind neben der Freude am Radeln Gründe, warum Fahrradfahrer dem ADFC beitreten, dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club: Hier machen sie sich stark für die Interessen der Radfahrer. Ein ganz junger Ableger, der Kreisverband Starnberg, hat vergangene Woche nach seinem ersten Geschäftsjahr Bilanz gezogen: Viele Kilometer wurden auf über 40 gemeinsamen Radtouren zurückgelegt - verkehrspolitisch bleibt im Landkreis Starnberg wie auch im Würmtal noch viel zu tun.

Egal ob das Rad als Sportgerät oder Alltagsgefährt genutzt wird - wer radelt, muss sich den Platz dafür erkämpfen. Dafür benötigt man Verstärkung, am besten von Gleichgesinnten. Den Kreisverband Starnberg und die Ortsgruppe Würmtal eint die Begeisterung am Fahrradfahren, was das umfangreiche Tourenprogramm mit gemütlichen Familientouren aber auch anspruchsvollen Rennradstrecken oder Mehrtagestouren dokumentiert. Doch richtig Spaß macht das Radfahren nur, wenn die Gemeinden auch eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik praktizieren. So ist der Club zur Lobby für Radfahrer geworden.

"Reibungslos und konfliktfrei" wollen die Radler unterwegs sein, so drückt Leibrecht von Necker, Sprecher der Ortsgruppe Würmtal, das oberste Ziel des Clubs aus. Deshalb setzen sich die Mitglieder für Radwegebeleuchtung, Fahrradspuren entlang der Straßen, barrierenfreie S-Bahnzugänge und eine Berücksichtigung der Radler bei der Neuplanung von Straßen ein. Gelingt die Umsetzung dieser Wünsche, wird das Radfahren auch für andere attraktiver, sagen die ADFCler. Und je mehr Gleichgesinnte es gibt, desto mehr werden sie als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und berücksichtigt. Eine simple Kalkulation.

Wie erfolgreich die Rad-Lobbyisten agieren, hängt stark vom politischen Willen der jeweiligen Gemeinde ab. "Je nachdem ob der Bürgermeister radelt oder nicht, schenkt man den Belangen der Radler offene Ohren", sagt Anton Maier, Vorsitzender des Kreisverbands Starnberg. Eigentlich gebe es in Gauting und Starnberg offene Ohren, sagt Maier. Doch dann komme wieder der Geldmangel in die Quere, um manche Ideen umzusetzen. Oder man erlebt Rückschläge wie beim Bau der Umgehungsstraße zwischen Ober- und Unterbrunn, bei der man die Radler laut Maier mal wieder vergessen hat: "Hier kann man unmöglich radeln. Das ist viel zu gefährlich." Oder wie die neueste Forderung in Gauting, das flächendeckend im Ort geltende und fahrradfahrerfreundliche Tempo 30 wieder zurückzunehmen. Trotzdem: So ganz auf "verlorenem Posten" seien die Radler in Gauting und Starnberg nicht, betont der Verbandsvorsitzende.

Im Landkreis München sei es schwieriger. "Hier sind viele Leute sehr autophil", sagt Maier. Leibrecht von Necker meint, es liege an den Bevölkerungsstrukturen. Die Gräfelfinger seien eben gerne vormittags mit ihren "Einkaufspanzern" auf der Bahnhofstraße unterwegs. Daneben bleibe für die Radler kein Platz. Während die Gemeinde Planegg ganz oben stehe, was die Kooperation der Gemeinden mit dem ADFC angeht - "hier gibt es sogar einen Radl-Beauftragten", sagt von Necker - bilde Gräfelfing das Schlusslicht. "Hier geht gar nichts."

Dabei gibt es im Würmtal viele Brennpunkte: Einer davon ist die sogenannte Umlaufsperre im Paul-Eipper-Weg in Gräfelfing, einer Haupt-Radlroute. Hier sind mitten in die Straße zwei Bügel einbracht, die die Radler auf freier Fahrt zum Bremsen und Absteigen zwingen, sagt von Necker. Auch der Radweg zwischen Neuried und dem Feodor-Lynen-Gymnasium wäre sicherer, wenn er nachts beleuchtet wäre. Die Notwendigkeit des Radwegs zwischen Gauting und Neuried müsse man zum Glück nicht mehr verhandeln, er sei unbestritten, seine Umsetzung stehe ganz oben auf der Prioritätenliste des Landkreises.

Aktuellstes Projekt der ADFCler ist die Fortführung des Projekts "Stadtradeln". Die Aktion, die mehrere Verbände gemeinsam initiiert haben, lief bereits in den vergangenen Jahren in diversen Gemeinden. Über eine gemeinsame Radl-Aktion wurde für das Radfahren geworben. Nun sind die Fördergelder des Bundes für das Projekt ausgeschöpft. Über eine Petition soll es 2013 wieder aufgenommen werden. Bis 8. Februar kann man die Petition online unterschreiben. "Es ist eine reine Marketing-Aktion für das Radfahren", sagt Maier. Aber so machen die Radler auf sich aufmerksam und ihre Belange dringen in die Köpfe der Entscheidungsträger vor.

Noch ein anderer wichtiger Termin steht an: In wenigen Wochen liegt das Tourenprogramm 2013 vor. Das heißt, der Frühling naht und die Radlsaison beginnt. Nach einem Abend mit ADFC-Mitgliedern ist eines gewiss: Die Radler sind Überzeugungstäter und beweisen auf der politischen Bühne Ausdauer. Und sie kennen alle schönen Wege im Landkreis, zum Beispiel wie man von Gauting nach Kochel radelt, nahezu ohne auf einer Teerstraße zu fahren. Und natürlich lernt man, dass das Fahrrad "konkurrenzlos" ist, wie Maier sagt: Jeden gefahrenen Kilometer gibt es zum Nulltarif. Welches Fortbewegungsmittel kann das schon von sich behaupten?

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