Starnberg:Mit Gespür für Sprengkraft

Bruck: JAZZ FIRST - Root 70 - Nils Wogram

Er beherrscht sein Instrument virtuos: der Posaunist Nils Wogram. Hier bei einem Auftritt in Fürstenfeldbruck.

(Foto: Johannes Simon)

Nils Wogram und Bojan Zulfikarpašić präsentieren Jazz vom Feinsten

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Duo ist das kleinste denkbare Ensemble. Von Haus aus kammermusikalisch - das wollten die beiden in der Starnberger Schlossberghalle zu Gast bei "All that Jazz" auch nicht leugnen. Nur dass eine so kleine Konstellation gestalterisch eingeschränkt sein soll: Damit gaben sich die beiden renommierten Jazzmusiker nicht zufrieden. Und dass sie aus der auf den ersten Blick kargen Besetzung so viel herausholen können, liegt wohl vor allem an ihrem breit gefächerten Erfahrungsschatz. Die Ensemble- und CD-Auflistung beim Posaunisten Nils Wogram ist schon beachtlich und dokumentiert inhaltlich eine Vorliebe für ausgeprägte klangliche Mixturen mit Mut zum Experimentellen. Der aus Belgrad stammende und in Frankreich lebende serbische Jazzpianist Bojan Z (Zulfikarpašić) kann indes neben einer beachtlichen Jazzmusiker-Vita auch ein Militärorchester, volksmusikalische Erfahrungen sowie Kenntnisse in Rock- und Pop-Stilistik in die Waagschale werfen.

Das Vokabular, aus dem sich Wogram und Zulfikarpašić gezielt und mit geschärften Sinnen bedienen, steht für einen überaus offenen und mutigen Umgang mit musikalischen Mitteln, die grenzübergreifend durch die Kompositionen des Duos auf Wanderschaft gehen. Und die Weichen für das entsprechend offene Hören sollten gleich zu Beginn gestellt werden: Mit einer experimentell-perkussiven Einlage von geräuschhaften Qualitäten der Intro zu "No.9" versetzten Wogram und Zulfikarpašić die recht zurückhaltend besetzte Halle in Schwingung. Groove und kerniger Swing: Das waren denn auch die zwei zentralen Elemente der Stücke der neuen, ersten gemeinsamen CD in dieser seltenen Konstellation "Housewarming". Dass bei der CD-Vorstellung der Bayerische Rundfunk mitschnitt, unterstrich den Rang des Ereignisses sowie die Erwartungshaltung in der Fachwelt. Und es gelang dem Duo zweifelsohne ein großer Wurf, der zumindest in der Live-Version viel Begeisterung zu entfachen vermag. Der oft ostinat eingesetzte groovende und swingende Motor, den Zulfikarpašić von seiner linken Hand erledigen ließ, der aber bisweilen auch in den Posaunenpart wechselte, riss schon ordentlich mit. Hinzu kamen unisono durchgepowerte Themen und Motive, die trotz ihrer raffinierten und pointierten Rhythmisierung - wie etwa in "Parents" - immer homogen und präzis ausgespielt daherkamen. Daraus schöpfte die Musik mit überaus inspirierten Improvisationen eine enorme Kraft - und die Musiker eine Anspornzulage. Und das blieb nicht ohne Folgen: Die Bühnenpräsenz der Beiden - und dazu gehörte prägend auch die spieltechnische Entschiedenheit von Zulfikarpašić an den Tasten - verlieh dem Repertoire bis hin zu rockigen Intensivierungen wie gleichermaßen melancholisch sinnierenden Balladen eine höchst ansprechende Präsenz. Ein Powerplay, der aber keinesfalls Lautstärke meint, als vielmehr ein substanz- wie lustvolles Zupacken in dichter Textur sowie straffe Tempi, in denen die Rhythmisierung stets entschieden vorantrieb. Wogram und Zulfikarpašić spielten sich mit Leichtigkeit die Bälle zu, was sich letztendlich als Leidenschaft und Temperament, besonders im erregten "TNT", dem Publikum darbot.

Die Spielweise des Duos Wogram und Zulfikarpašić setzte aber auch viel Atmosphäre frei. So etwa in "Good wine" mit seiner lässig-leichten, aber auch vergnügt-melodiösen Charakteristik im ersten Teil, bevor über eine der vielen, komplexen Rhythmusbrechungen attacca ein hastender Teil einsetzte. Eine Ballade von überaus warmer Klangqualität lieferte das Duo in der Zugabe nach. "Old Song for a new Day" überzeugte hier mit sinnhafter Ausdrucksweise. Eine ganz besondere Atmosphäre erwartete die Zuhörer in "Multi don Kulti" von Zulfikarpašić: Seine dichte, perkussive Pianistik auf teils handgedämpften Saiten barg folkloristische Grundzüge in sich, ja erinnerte an Gamelan-Musik von Bali. Eine faszinierende, virtuose wie einfühlsame Vorstellung. Begeisterter Applaus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: