Wirtschaft:Mit Flüchtlingen gegen Lehrlingsmangel

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Süße Kunst: Bettina Eckberger startete im Herbst 2014 ihre Ausbildung als Konditoreilehrling bei der Firma Reis in Gilching. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

222 Ausbildungsplätze sind im Fünfseenland bislang noch offen. IHK-Chef Martin Eickelschulte hofft darum, dass Unternehmer schon bald junge Asylbewerber anstellen dürfen

Von Astrid Becker, Starnberg

Für die Unternehmen im Landkreis wird es immer schwieriger, genügend Auszubildende zu finden. So hat sich die Zahl der freien Lehrstellen drei Monate vor Beginn des Ausbildungsjahres im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht. Die von Jahr zu Jahr größer werdende Lücke soll nun auch im Fünfseenland mit Asylsuchenden im "3+2 Modell" gefüllt werden. Doch selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen würden: Eine kurzfristige Lösung des Problems ist dennoch nicht in Sicht.

Der Statistik der Arbeitsagentur zufolge gab es 2014 zur gleichen Zeit noch 209 freie Ausbildungsstellen. Heuer sind es im Landkreis bereits 222 Lehrstellen, die bis jetzt nicht besetzt werden konnten. Dem stehen nur 163 Bewerber entgegen, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Wie Martin Eickelschulte als Vorsitzender des IHK-Gremiums Starnberg sagte, würden die Betriebe angesichts der guten Wirtschaftslage und des drohenden Fachkräftemangels gern eigenen Nachwuchs ausbilden: "Es fehlen aber immer häufiger die Bewerber." Hinzukomme, dass sich die Anzahl wohl weiter verringern werde, weil sich viele Schulabgänger bis September noch für einen anderen Bildungsweg entschieden, oder trotz des großen Angebots keinen passenden Ausbildungsplatz fänden. Die Ursachen für die Misere sieht er im Trend zu höheren Schulabschlüssen und Studien sowie im demografischen Wandel. Die Statistik gibt ihm Recht. So ist die Zahl der Abgänger von Haupt- und Realschulen in Bayern seit den Achtzigerjahren um zwei Drittel geschrumpft.

Was sich allerdings nicht verändert hat, sind die Branchen, die am stärksten unter Bewerbermangel zu leiden haben. Wie 2014 sind dies auch heuer der Einzelhandel und die Gastronomie. Auch im Einzelhandel des Kreises gibt es derzeit noch mehr als 60 unbesetzte Ausbildungsplätze. Doch nur 15 Bewerber ohne Lehrstelle haben bislang einen entsprechenden Berufswunsch geäußert. Aber auch in anderen Branchen werden noch dringend Bewerber gesucht - etwa in der Elektronik oder im Bankenwesen.

Weil sich die Lage weiter verschärft, soll nun das "3+2 Modell" umgesetzt werden. Das fordert für den Landkreis Martin Eickelschulte. Gemäß dieses Vorschlags, den die bayerische IHK der Politik unterbreitete, sollen junge Flüchtlinge während ihrer dreijährigen Berufsausbildung sowie in den folgenden zwei Jahren nicht abgeschoben werden dürfen. Für die Unternehmen, die Flüchtlinge ausbilden, hätte dies den Vorteil, mehr Planungssicherheit zu bekommen. Grundsätzlich wurde die Idee vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer positiv aufgenommen. Zuvor allerdings hatte das Innenministerium im März in einem Schreiben angeordnet, Asylbewerbern keine Arbeitserlaubnis mehr zu erteilen. Es gibt demnach also noch vieles zu diskutieren und zu regeln.

Bislang gilt: Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis dürfen auch keine Ausbildung machen. In den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland ist Arbeit für sie grundsätzlich sogar ganz verboten. Doch auch im Anschluss an diese Zeit ist es schwierig, weil Deutsche, aber auch EU-Bürger sowie anerkannte Flüchtlinge rechtlich bevorzugt werden. Erst nach 15 Monaten können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge eine Ausbildung absolvieren. Die meisten der jungen Flüchtlinge, die derzeit im Landkreis leben, dürften diese Voraussetzungen noch gar nicht erfüllen.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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