Starnberg:Mietpreisbremse ohne Wirkung

Starnberg: Mietwohnungen, wie in der Schloßpark-Siedlung in Gauting, sind rar im Landkreis Starnberg. Wenn sie renoviert sind, werden die Mieten erhöht.

Mietwohnungen, wie in der Schloßpark-Siedlung in Gauting, sind rar im Landkreis Starnberg. Wenn sie renoviert sind, werden die Mieten erhöht.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der Siedlungsdruck in der Region nimmt stetig zu, für Normalverdiener wird Wohnen ein immer teureres Vergnügen. Doch solange die Kommunen keinen weiteren Wohnraum schaffen können, macht auch ein Mietspiegel keinen Sinn

Von Astrid Becker, Starnberg

Christel Muggenthal klingt ein wenig enttäuscht. Die SPD-Bürgermeisterin der Gemeinde Wörthsee bezeichnet sich selbst als "echte Freundin der Mietpreisbremse". Doch für ihre Kommune wird dieses neue Instrument zur Regulierung des Mietanstiegs in angespannten Wohnungsmärkten genauso wenig gelten wie für Inning - weil beide die Kriterien dafür nicht erfüllen. In allen anderen Gemeinden im Kreis wird die Verordnung hingegen greifen, zumindest theoretisch. Denn dass sie wirklich zur Anwendung kommen kann, wird vielerorts bezweifelt.

Es klingt auf den ersten Blick grotesk: Seit Jahren ziehen Grundstücks- und Mietpreise im Fünfseenland beständig an. Daran wird sich nach Einschätzung von Kreisbaumeister Christian Kühnel auch nichts ändern, im Gegenteil. Kühnel, der auch dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte vorsitzt, hatte bereits vor Monaten in einem Gespräch mit der SZ eine weitere Steigerung der Immobilienpreise in den nächsten Jahren prognostiziert. Mitverantwortlich dafür ist seinen Aussagen zufolge auch die Verbesserung der Infrastruktur im Kreis, etwa durch den Ausbau des Busnetzes. Genau davon werden beispielsweise auch die Gemeinden Inning und Wörthsee profitieren. Dennoch wird es dort vorerst keine Mietpreisbremse geben. "Weil wir nicht in die Gebietskulisse passen - wenngleich wir nicht einmal wissen, was wir darunter verstehen sollen", sagt Muggenthal. Denn eine genaue Begründung, warum ihre Gemeinde aus dem Geltungsbereich der neuen Verordnung gefallen ist, liegt ihr nach eigenem Bekunden noch immer nicht vor, obwohl ihr das längst versprochen war. Sie selbst hätte sich die Mietpreisbremse für ihre Gemeinde gewünscht: "Wir haben wenig Wohnungen hier, die für Normalverdiener erschwinglich sind. Der Zuzug ist aber hoch und damit auch die Nachfrage." Im bayerischen Justizministerium allerdings ist man zu einem anderen Ergebnis gekommen. Den Aussagen eines Sprechers zufolge könnte der Grund dafür in nicht deutlich genug gestiegenen Mieten sein, auch wenn sie sich auf hohem Niveau bewegten.

Für die Bürgermeisterin der Stadt Starnberg, Eva John, ist genau dieses ohnehin hohe Preisniveau der Grund, warum sie die Mietpreisbremse eher kritisch beäugt und sogar an ihrer Umsetzbarkeit zweifelt. Ihrer Ansicht nach gibt es zum einen zu viele Ausnahmen, denn die Bremse gilt nicht für Neubauten oder Wohnungen, die zum ersten Mal nach umfangreicher Modernisierung oder Sanierung vermietet werden. Zum anderen werde mit ihr, so sagt John, das eigentliche Problem des Kreises, die Wohnungsnot, nicht gelöst: "Wir müssten dringend neuen Wohnraum schaffen. Doch die Flächen dafür sind knapp, was die Preise weiter nach oben treibt." Wenn man von 13 bis 15 Euro für den Quadratmeter in ihrer Stadt für Bestandswohnungen ausgehe, dann "können sich das schon jetzt die wenigsten leisten". Schon gar nicht junge Menschen, findet auch die Gautinger Bürgermeisterin Brigitte Kössinger. Viele würden gern bleiben, sind in Vereinen oder auf andere Weise im Ort engagiert, müssten ihre Heimatgemeinde aber aus finanziellen Gründen verlassen. Das bringe zunehmend mehr das soziale Leben einer Gemeinde in Gefahr, sagt Kössinger. Aufgabe der Kommune müsse es also sein, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Doch das ist schwierig, wie auch der Seefelder Bürgermeister Wolfram Gum schon allein der fehlenden Flächen wegen findet: "Wir haben viele Landschaftsschutzgebiete." Zwar könne der Kreistag über die Herausnahme von einzelnen Grundstücke entscheiden, aber das sei auch immer ein Politikum: "Schließlich sollen ja nicht zu viele Flächen versiegelt werden." Auch die Ausweisung von Einheimischenmodellen - früher überaus gängig in den Gemeinden, um bezahlbaren Wohnraum für Bürger zu schaffen - sei letztlich "mehr oder weniger" durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs untersagt worden. 2013 war die EU zu dem Schluss gekommen, dass dieses Vorgehen Menschen aus anderen Mitgliedsstaaten benachteilige.

Der Sprecher des Landratsamts, Stefan Diebl, sieht ebenso wie Gum bei der Umsetzung der Mietpreisbremse jedoch noch ein anderes Problem: die fehlenden Mietspiegel in den Kommunen des Kreises. Doch genau darauf beziehe sich die neue Verordnung, sagt er. Denn sie besage ja, dass bei einem neuen Vertragsabschluss der Mietpreis maximal zehn Prozent höher liegen dürfe als die ortsübliche Vergleichsmiete, die ja quasi in einem Mietspiegel ganz offiziell ermittelt sei. Fehle ein solches Instrument aber, wie im Landkreis üblich, werde nun mit der Mietpreisbremse genau über die Frage, wie hoch diese ortsübliche Vergleichsmiete wirklich ist, künftig vor Gericht gestritten, meint er.

Einen Mietspiegel gibt es in den Kommunen bislang nicht, weil er aufwendig zu erstellen ist. Das sieht Bergs Bürgermeister Rupert Monn ähnlich wie Gum. In der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend nannte er die neue Verordnung und den damit verbundenen Mietspiegel "reine Augenwischerei", weil die Mieten im Kreis ohnehin exorbitant hoch seien. Er versprach aber, das Thema eines landkreisweiten Mietspiegels in der nächsten Dienstbesprechung mit den Bürgermeistern der anderen Gemeinden zu erörtern.

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