Starnberg:Meister Eders Erben

Gemütlich geht es heute im Schreinerhandwerk kaum mehr zu, die Betriebe sind zumeist hoch technisiert. Die Arbeit ist bestimmt von Preis- und Zeitdruck. Am Wochenende öffnen einige ihre Werkstätten.

Ute Pröttel

Mit einem lauten Scheppern bricht die Pressspanplatte durch, reißt noch drei darunterliegende Bretter mit in die Tiefe und was noch schlimmer ist: das alte Porzellan. Das Regal aus den 70er Jahren war einfach nicht für die Ewigkeit gemacht. Kirschholztisch und Eckbank haben dagegen Vererbungsqualität. Sie sind von Hand geschreinert. Ein Luxus, den sich immer weniger Menschen leisten wollen oder auch können. Denn individuell hergestellte Möbel haben ihren Preis. Mit 47,95 Euro beziffert der Fachverband Schreinerhandwerk den durchschnittlichen Stundensatz für eine Schreinerstunde. Viele Leute legen auch gar keinen Wert mehr darauf, Tisch und Eckbank den Kindern hinterlassen zu können. Und doch gibt es viele Ecken und Winkel in unserem Leben, die ein Schreiner einfach schöner macht.

Schreiner Manuel Voss

Das Schreinerhandwerk hat eine lange Tradition. Am Wochenende ist zu besichtigen, wie es heute in den Betrieben zugeht. Foto: Fuchs

(Foto: STA Franz X. Fuchs)

Am Samstag und Sonntag, 9. und 10. November, ist Tag des Schreiners. Im Radio wird dafür geworben. In ganz Bayern öffnen die Betriebe ihre Werkstätten. Viele haben sich zu mittelständischen Hightech-Unternehmen gemausert, die nicht mehr viel mit Meister Eders Schreinerwerkstatt gemein haben. Der Fachverband gibt seinen Mitgliedern Marketingideen an die Hand und hilft so den Betrieben diesen Tag für Besucher ansprechend zu gestalten. Die Schreinerei Pfisterer in Farchach lädt schon seit 1997 regelmäßig zum Tag der offenen Türe. "Wir öffnen nur am Sonntag", sagt Rupert Pfisterer, der den Familienbetrieb 1995 mit seinen beiden Brüdern gegründet hat. "Aber dann ist richtig was geboten." Die gesamte Werkstatt wird zum Showroom. Es gibt Kaffee, Kuchen und Schupfnudeln. Die Kinder können Vogelhäuschen basteln. Alle Mitarbeiter sind da, führen Geräte vor und stehen für Gespräche zur Verfügung. Auch Hanna Galloth. Sie ist bereits das vierte Lehrmädchen, das bei Pfisterers ausgebildet wird und sie erzählt anderen Jugendlichen gerne, was sie heutzutage an Voraussetzungen für eine Schreinerlehre mitbringen müssen. Pfisterer ist stolz auf seine Auszubildenden und das nicht ohne Grund: Sie werden oft für ihre Leistungen ausgezeichnet.

"Als ich meine Lehre mit 14 Jahren begann, haben wir noch 52 Stunden in der Woche gearbeitet", erzählt Manuel Voss aus Bachhausen. Er ist dieses Jahr 70 geworden und betreibt die Schreinerei nur noch als Zeitvertreib. Seine Werkstatt hat er in einer Garage eingerichtet. Das Auto parkt im Freien. An der Wand lehnt eine Planke, aus der die Maserung wie ein Relief herausgearbeitet ist. Ein Schwimmholz, das er nach dem Hochwasser im Frühjahr aus der Isar gezogen hat. Auf dem Hocker liegt ein Stück gespaltener Eukalyptus. Aus der einen Hälfte hat er bereits eine runde Schüssel gedrechselt, die er gerade mit Schleifpapier poliert. "Drechseln kann man nicht aus dem Buch lernen", sagt er und seine Augen leuchten. Für Voss ist Schreinersein eine Lebensphilosophie. Beinahe alle Möbel, die ihn und seine Frau Christl umgeben, hat er selbst gebaut. Die Kommode aus Kirschholz war sein Gesellenstück, die Stühle sind aus massivem Eibenholz, die Regalböden aus Ahorn. "Da bricht nichts durch", schwärmt er.

Nach mehr als 40 Berufsjahren kann er einiges von den Veränderungen erzählen, die mit seinem Handwerk einher gingen. Am schlimmsten war am Ende seines Berufslebens der enorme Zeitdruck, unter dem Decken montiert und Küchen eingebaut werden mussten , sagt Voss. Drei Jahre arbeitete der Bachhauser in einer Werkstatt, in der nur antike Möbel restauriert wurden. Da gab es keine einzige Maschine. Alles wurde von Hand gefertigt. "Das konnten sich natürlich nur reiche Leute leisten", sagt er und kommt damit wieder auf ein Grundproblem der Schreiner von heute zurück.

Vom enormen Preisdruck kann auch Pascal Linss ein Lied singen. Seine kleine Werkstatt mit zwei Gesellen und zwei Lehrlingen rechnete sich irgendwann einfach nicht mehr. Die Maschinen wurden immer teurer. Ständig galt es neue Richtlinien zu erfüllen. Erst musste eine zentrale Absauganlage installiert werden und kaum waren Furnierpresse, -nähmaschine und -säge angeschafft, bot ein findiger Hersteller fertig furnierte Platten an. Damit waren die Geräte wertlos. Zur Bearbeitung musste statt dessen eine andere Maschine angeschafft werden. Linss, der nach dem Abitur eine Schreinerlehre absolvierte und seinen Meister auf der Meisterschule in Traunstein machte, hatte das Gefühl der Entwicklung immer hinterher zu hinken. Er entschloss sich schließlich zu einem radikalen Schnitt: Er gab die gepachtete Werkstatt, den kreditfinanzierten Maschinenpark und das Lager auf. "Leider auch die Ausbildung", bedauert der 52-Jährige, der einige Jahre an der Berufsschule in Dachau unterrichtete. Heute arbeitet er als selbständiger Schreiner in Starnberg, montiert Fenster, Küchen oder Parkett, die vom Hersteller maßgenau geliefert werden.

"Fenster macht heute kein Schreiner mehr selber", erklärt Linss. Sie müssen zertifiziert sein und werden nach speziellen Montageanforderungen eingebaut. Er berät seine Kunden im Vorfeld intensiv nimmt dann Maß und bestellt beim Lieferanten. So ist es ihm gelungen, sein unternehmerisches Risiko kalkulierbar zu halten. Bei größeren Aufträgen holt er sich Verstärkung bei anderen Selbständigen. "Nicht jedem liegt die Kundenakquise oder das Schreiben von Angeboten", erklärt Linss, der eigentlich gerne im Team arbeitet. Aber die Verantwortung für sozialversicherungspflichtige Angestellte will der Starnberger sich einfach nicht mehr antun, zumal ihn eine schwere Knieverletzung seit ein paar Jahren gesundheitlich beeinträchtigt.

Dass die Arbeit des Schreiners heute sehr beratungsintensiv geworden ist, bestätigt auch Pfisterer. Deswegen haben die Pfisterers nicht nur ihre Werkstatt sukzessive erweitert, sondern im Obergeschoss die sogenannte Beratungswerkstatt eingerichtet. Sie ist thematisch gegliedert: In einem Raum werden die Kunden zu Küchenfronten, Auszügen und Arbeitsplatten beraten, im anderen geht es um Trittstufen, Handläufe und Treppenmodelle. Pfisterers setzen bei der Beratung stark auf Visualisierung. Mehr als 1000 Muster hängen an den Wänden oder verbergen sich in fahrbaren Regalen. "Wir betrachten immer den Raum als Ganzes", erklärt der Schreiner aus Farchach. "Auch wenn der Kunde nur einen Schrank will, fragen wir nach der Farbe der Wände und dem Bodenbelag." Am Ende einer jeden Planung führt er dem Kunden seinen Schrank oder die neue Küche in 3 D am großen Bildschirm vor. Ohne Computer geht auch im traditionellen Handwerk nichts mehr.

Als Pfisterer und seine Brüder Josef und Stefan 1995, den Stall der elterlichen Landwirtschaft in eine Schreinerei umbauten, waren die Bedingungen alles andere als leicht. Schon 1999 stellten die Brüder auf die computergestützte CNC-Technik um, investierten in eine kleine Fertigungsstraße. Zwei der Brüder bildeten sich zu Raumausstattern weiter. Ihre Schreinerei wuchs langsam und gesund. 500 Aufträge pro Jahr bewältigt das 15-köpfige Team heute. Beratung, Planung und Ausführung aus einer Hand, das ist ihr Credo. Der Strom kommt aus Kollektoren vom Dach, die Holzabfälle werden in einer voll automatisierten Hackschnitzelheizung verwertet.

Der Schreinerei Pfisterer geht es eigenem Bekunden nach gut. Sie haben sich auf Zeitdruck und Festpreise eingestellt. Ihr Kundenstamm beläuft sich auf gut 4000. Den Tag des Schreiners nutzt der Betrieb jedes Jahr, um den Kunden und Nachbarn Danke zu sagen, um Kontakte zu pflegen und um dem Nachwuchs zu zeigen, was in einer modernen Schreinerei produziert wird und wie das vonstatten geht.

Teilnehmende Innungsschreiner im Fünfseenland: Schreinerei Abendschein, Petersbrunner Str. 5 B, Starnberg geöffnet am Sonntag Schreinerei Pfisterer, Nikolausstraße 4, Berg-Farchach, geöffnet am Sonntag Schreinerei Doktor, Landstraße 11, Oberbrunn, geöffnet am Sonntag Schreinerei Kögl, Hangstraße 1, Gauting, geöffnet am Samstag

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