Starnberg:Lockerer Start ins Berufsleben

Wenn ein Betrieb Nachwuchs gewinnen will, muss er sich etwas einfallen lassen. Allerdings brauchen manche Auszubildende Nachhilfe in sozialer Kompetenz. 60 Lehrstellen sind im Landkreis noch unbesetzt

Von Otto Fritscher, Starnberg

"Cool sein", das müssen Unternehmen heutzutage, wenn sie junge Leute als Auszubildende gewinnen wollen. Diese Erfahrung hat zumindest Gerd Zanker gemacht, Inhaber des alteingesessenen Betriebs "Elektro Saegmüller" in Starnberg. Und deshalb beginnt für die acht Azubis, die am 1. September, pünktlich zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres, bei Saegmüller anfangen, gleich mit einem Mittagessen "in einem coolen Schuppen wie dem Strandhouse". Dazu gibt es am ersten Tag "ein Quiz quer durch die Firma". Erst an Tag zwei kommen die Ausbilder mit ersten technischen Erklärungen.

Und Zanker will diesmal ein neues Ausbildungskonzept umsetzen: "Ein halbes Jahr lang wird es eine Art Einführung ins Berufsleben geben", sagt er. Die Azubis lernen dann "den Servicegedanken und den Umgang mit dem Kunden". Was heißt, dass sie nicht mit dreckigen Schuhen in die Wohnung sollen, nicht mit dem Privathandy herumtelefonieren und im Internet surfen. "Eigentlich wäre das eine Aufgabe der Eltern, aber wir müssen uns darauf einstellen, dass wir als Ausbildungsbetrieb das machen müssen", sagt Zanker. Saegmüller gehört zu den Firmen, die immer wieder auch benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben. Und die sich selbst um Nachwuchs kümmern. Von Winter an schaltet Saegmüller Werbeclips in den regionalen Kinos.

"So muss man es machen", sagt Martin Eickelschulte, Chef der Industrie- und Handelskammer (IHK) Starnberg. Kein Betrieb dürfe die Hände in den Schoss legen und warten, bis Bewerbungen eintrudeln. IHK-Zahlen zufolge gibt es im Landkreis noch 222 freie Lehrstellen, denen 163 unversorgte Bewerber gegenüberstehen. "Es fehlt der geeignete Nachwuchs", sagt Eickelschulte. Außerdem fordert er, dass die Politik das von der IHK vorgeschlagene "3+2-Modell" umsetzt. Dieses sieht vor, dass Asylbewerber, die eine Lehre machen, in den drei Jahren der Berufsausbildung und zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden dürfen. Eickelschulte verweist darauf, dass sich an der Starnberger Berufsschule derzeit 40 jugendliche Asylbewerber in berufsvorbereitenden Klassen befinden. "Viele Unternehmen sehen in diesem Personenkreis eine große Chance, aber noch scheitern viele an mangelnder Planungssicherheit und Bürokratie", kritisiert Eickelschulte.

"Einen Run" gibt es nach Auskunft von Elvira Thoma, Sprecherin der Arbeitsagentur in Weilheim, die auch für den Landkreis Starnberg zuständig ist, auf Berufe wie den Immobilienkaufmann sowie Ausbildungen in den Medien und der Kreativbranche. Auch Banken und die Kfz-Branche hätten keine Nachwuchsprobleme. In den Pflegeberufen, in Gastronomie und Hotellerie werden händeringend Azubis gesucht. "Sogar Zahnarzthelferinnen, einst Modeberuf, fehlen", sagt Thoma.

Laut Kreishandwerksmeister Anton Lidl gibt es in manchen Berufen einen eklatanten Mangel an Bewerbern. Vielen jungen Leuten fehle es aber schon mal an guten bis zumindest zufriedenstellenden Schulnoten. Allerdings seien diese nicht immer ausschlaggebend, sondern auch charakterliche Eigenschaften der jungen Leute zählten. Manche Bewerber entwickelten sich sehr positiv, hat Lidl beobachtet: "Wenn die Azubis mal ein paar Wochen vom Schulstress weg sind, erkennt man sie oft nicht wieder." Was die Suche nach Bewerbern für Berufe wie Verkäufer oder Bäcker angeht, hilft das allerdings auch nicht weiter. Hier gibt es nämlich so gut wie überhaupt keine Anwärter. Daher konnte Lidl die offenen Stellen in seinen Bäckereien auch nicht alle besetzen.

Zwei Ausbildungsplätze bietet der Metzgermeister Oliver Lutz pro Jahr in Pöcking an. Für seinen Familienbetrieb sucht er einen Fleischereifachverkäufer und einen Metzgergesellen. Doch die Nachfrage nach diesen Ausbildungsplätzen sei "äußerst mager", die letzte selbständige Bewerbung erhielt Lutz vor zwei Jahren. Immer wieder geht der Innungsobermeister auf Jugendliche zu, versucht sie für seinen Betrieb zu begeistern - mit geringem Erfolg. Zwei Dutzend Buben und Mädchen verbrachten den "Tag der Ausbildung" 2012 noch in der Metzgerei, in den Jahren darauf meldete sich kein einziger Schüler. Diese Entwicklung führt Lutz auch auf das schlechte Image des Metzgers zurück. So habe eine Frau ihren Sohn auf einer Messe gefragt, was der denn am Info-Stand von Lutz zu suchen habe. Metzger wolle er doch gewiss nicht werden. Lutz sucht immer noch.

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