Starnberg:Kyoto und der Regenwald

Gymnasiasten forschen zum Umweltbewusstsein von Schülern

Von Berthold Schindler, Starnberg

Kyoto kennt man. Einerseits wegen seiner Tempel und Shintō-Schreine, die der an der Westinsel der Hauptinsel Honshū gelegenen ehemaligen Hauptstadt Japans den Status eines Unesco-Welterbes bescherten. Seit einigen Jahren wird die Stadt aber auch im Zusammenhang mit einem Dokument genannt, das als Kyoto-Protokoll einen festen Platz in der internationalen Politik und Berichterstattung gefunden hat. Wann immer es um CO2-Ausstoß, Treibhauseffekt, Ozonloch, Energieversorgung und vor allem um verfehlte Klimaziele geht, wird dieses UN-Abkommen als mahnendes Normpapier zitiert. Also: Kyoto kennt man, Kyoto-Protokoll auch.

Dieser Meinung ist eigentlich auch Johannes Sing, der die 12. Klasse am Gymnasium Starnberg besucht. Er und elf Mitschüler vom Projektseminar "Statistik" haben Neuntklässler in der eigenen Schule, der Mittelschule Starnberg und der Realschule Tutzing befragt zum Thema "Umwelteinstellung und in der Schule erworbene Kenntnisse bezüglich Umwelt". Im ersten Themenkomplex geht es darum, wie die Mittelstufler ihr eigenes Umweltbewusstsein einschätzen. Die Ergebnisse schauen so aus: Müll wird, wie im Landkreis Starnberg schon üblich, brav getrennt (etwa 90 Prozent), elektronische Geräte bei Nichtbenutzung dagegen nicht vom Stromnetz genommen (73 Prozent), außerdem kommen häufig regionale und nachhaltige Lebensmittel auf den Tisch (70 Prozent).

Im zweiten Teil wollten die P-Seminaristen Schulwissen abklopfen, unter anderem den Namen der eingangs erwähnten Klimaschutzvereinbarung: Nicht einmal jeder Fünfte wusste den richtigen Namen, womit diese Frage das schlechteste Resultat hatte.

Um Chancengleichheit zwischen den drei Schularten zu gewährleisten, haben die Zwölftklässler die Lehrpläne der achten Klassen in Bayern durchforstet, ehe sie den Fragenkatalog erstellten, erzählt Sing. Für die Feinjustierung wurden Gymnasium und Realschule in nichtnaturwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Zweig unterteilt, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (Mint); dazu waren die Wissensfragen unter die Kategorien Biologie, Chemie und Geografie subsumiert.

Manche Erkenntnisse sind erwartungsgemäß: So führen die Gymnasiasten im Quiz mit 53 Prozent richtiger Antworten - bei 16 gestellten Fragen - das Ranking deutlich an vor den Real- und Mittelschülern, die mit 39 beziehungsweise 33 Prozent auf den Plätzen folgen; 199 Schüler nahmen teil und beantworteten etwas weniger als die Hälfte der Fragen richtig, nämlich 46 Prozent. Überraschender ist da schon das Ergebnis, dass die Mint-Schüler lediglich um marginale fünf Prozent besser abschneiden als die Nicht-Mintler.

Klassischer Schulstoff wie die Frage nach den Produkten der Fotosynthese wurde dagegen öfter gewusst: Dass es sich hierbei um C6H12O2, also Glukose und O2 handelt, dürfte Ex-Pennälern nicht mehr so geläufig sein. Insgesamt war die Trefferquote schulartenübergreifend bei den Chemiefragen mit 67 Prozent am höchsten, während Biologie (41) und vor allem Geografie (30) klar abfielen. Sing vermutet als Begründung für diese Diskrepanz, dass die Chemiefragen einfacher gewesen seien als die anderen. Eine andere Schlussfolgerung wollten Schüler und Lehrerin Alexandra Hallweg nicht zulassen, sagt der Gymnasiast: "Wir haben uns dagegen entschieden, Lehrpläne oder Lehrkräfte zu bewerten", man habe sich stattdessen auf die Erhebung und Veranschaulichung der Daten mit Diagrammen konzentriert.

Die Seminarteilnehmer seien generell an grünen Themen interessiert, Sing selbst etwa hat während der Sommerferien an einer jährlich im niedersächsischen Papenburg stattfindenden Nachhaltigkeitsakademie teilgenommen. Die angefragten Schulen seien sehr aufgeschlossen gewesen, berichtet er, alle Leiter hätten sofort zugesagt und den Umfragenden eine knappe halbe Stunde Unterrichtszeit eingeräumt.

Als Sing und seine Kollegen mit den Fragebögen in die Klassenzimmer gekommen waren, sei die Begeisterung nicht überall groß gewesen: "Manche Leute haben überhaupt nicht mitgemacht, auf dem Blatt rumgemalt und rumgejault". Aber: Am Schluss, nachdem die Bögen wieder eingesammelt waren, gab es dann doch lebhafte Diskussionen im Klassenzimmer. Eine Frage hatte die Jugendlichen besonders umgetrieben: "Wie vielen Fußballfeldern entspricht die Fläche, die täglich im Regenwald abgeholzt wird?" Es sind etwa 50 000.

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