Starnberg:Kampf gegen die soziale Spaltung

Starnberg Barbara Frey

"Wir haben eine soziale Spaltung, die immer tiefer geworden ist,", sagt Barbara Frey, seit mehr als 20 Jahren Kreisvorsitzende des Sozialverbands VdK in Starnberg.

(Foto: Georgine Treybal)

VdK-Kreisverband feiert sein 70-jähriges Bestehen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Als Barbara Frey vor mehr als 20 Jahren zur Kreisvorsitzenden des VdK Starnberg gewählt worden ist, wurde sie gefragt, ob der Sozialverband im Landkreis der Reichen und Schönen überhaupt notwendig sei. "Das Gegenteil ist der Fall", hat sie damals geantwortet. "Wir haben eine soziale Spaltung, die immer tiefer geworden ist."

Deutschlandweit hat der VdK in diesem Jahr die Aktion "Soziale Spaltung stoppen" gestartet. Und Frey ist überzeugt davon, dass gerade im wohlhabenden Landkreis die Schere weiter auseinandergeht als anderswo. Das Engagement des VdK wird von den Menschen gewürdigt. Zu seinem 70-jährigen Bestehen zieht der Kreisverband Starnberg eine positive Bilanz. Zur Jubiläumsfeier am Samstag um 10 Uhr im Herrschinger "Hotel Seehof" wird auch VdK-Präsidentin Ulrike Mascher erwartet.

1947 wurde der VdK als Vertretung für Kriegsversehrte, Witwen und Waisen gegründet. Kriegsversehrte gibt es heute kaum noch. Daher erweiterte der VdK seine Zielsetzung und tritt für eine sozial gerechte Gesellschaft in Deutschland ein. Der Name blieb bestehen. Der Sozialverband ist sehr erfolgreich, denn im weit verzweigten Sozialsystem fehlt Betroffenen oft der Überblick. Daher werden Beratungsmöglichkeiten und Betreuung durch den VdK zunehmend gesucht. Ob Ablehnungsbescheide, Frühverrentung, Berufsunfähigkeit oder Schwerbehindertenausweisen, gekürzte Therapieleistungen bei Kindern oder Abbau der Pflegeleistungen: Der VdK hilft bei der Koordination von Leistungen und ist oft auch Wegweiser.

Die Mitgliederzahl ist angestiegen, immer häufiger treten junge Menschen dem VdK bei. Als Frey ihr Amt 1996 übernahm, hatte der Kreisverband 1385 Mitglieder; 1999 waren es 2639, heute sind es 5094. Frey führt es darauf zurück, dass die Alters- und Kinderarmut im Landkreis "gefühlt" höher ist wegen der hohen Lebenshaltungskosten. Durch Sozialabbau hätten auch Rentner mit mittleren Einkommen existenzielle Nöte; oft liege die Rente nur knapp über dem Grundsicherungsniveau. "Bislang wurden Renten ständig nach unten gerechnet", sagt die Kreisvorsitzende. "Die Talfahrt muss endlich gestoppt werden." Geplant ist, dass die Bezüge auf 42 Prozent des Lohns fallen, Frey plädiert für 50 Prozent. Sie stellt sich eine Lösung nach dem Schweizer Modell vor: Alle Bürger, auch Selbständige und Beamte, zahlen in die Rentenkasse ein. Weiterer Kritikpunkt des VdK ist die "klägliche" Erwerbsminderungsrente. "Wer krank ist, hat ohnehin ein schweres Los. Nun wird er auch noch bestraft dafür", sagt die Kreisvorsitzende. Bei der Mütterrente müssten Verbesserungen erreicht werden, etwa die vollständige Angleichung auf drei Jahre oder der Freibetrag beim Bezug von Grundsicherung im Alter. Weitere Forderungen gibt es für Menschen mit Behinderung, Barrierefreiheit und Inklusion. Pflege und Gesundheit müssen bezahlbar sein.

Doch auch die Jungen liegen Frey am Herzen. Heutzutage sei jeder fünfte Arbeitnehmer atypisch beschäftigt in Mini-Jobs oder Zeitarbeit. Junge Familien hätten oft große Schwierigkeiten. Oberste Prämisse für Frey ist jedoch eine gerechtere Steuerpolitik. Soziale Ungerechtigkeit erzeugt ihrer Erfahrung nach Unruhen. Menschen würden in die Fänge von Parteien wie die AFD geraten, weil diese Ängste schüren. Frey: "Gute Sozialpolitik nützt allen."

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