Starnberg:Justiz-Wachtmeisterin auf Beutezug

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Videobilder überführen 54-Jährige, die Fundsachen an sich nimmt und vergessen haben will, wo die Taschen geblieben sind

Von Christian Deussing, Starnberg

Gezielt sucht eine unbekannte Frau die Waggons der S-Bahn zwischen Weßling und Seefeld-Hechendorf ab. Sie sammelt Flaschen und stiehlt einen Rucksack mit Digitalkamera sowie eine Tasche inklusive Dirndl und Schuhen. Zwei Fahrgäste - ein Urlauber und eine junge Frau - haben es auf der Gepäckablage und einem Sitz vergessen. Mit ihrer Beute im Gesamtwert von 400 beziehungsweise 200 Euro steigt die mutmaßliche Diebin in Seefeld aus. Beide Vorfälle ereigneten sich am 20. Juli und 28. September des Vorjahres. Mit Hilfe von Videobildern und eines Fahndungsflugblatts wurde die Frau aber identifiziert: Es ist eine Justiz-Wachtmeisterin, die in München gearbeitet hat. Die Beamtin war schon wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und "Verletzung des Briefgeheimnisses" vorbestraft und daher beurlaubt gewesen. Nun musste sich die Germeringerin vor dem Amtsgericht Starnberg erneut wegen Diebstahls verantworten.

Die Angeklagte räumte zwar ein, das Gepäckstück und einige Wochen darauf die Dirndl-Tasche mitgenommen, aber "zwei oder drei Tage später" bei einem MVV-Busfahrer oder Zugführer abgegeben zu haben. Denn sie habe keine Adresse oder Telefonnummer der Besitzer gefunden. Die 54-Jährige konnte sich jedoch nicht daran erinnern, wo sie die Sachen überreicht hatte. "Das ist so lange her . . .", sagte sie.

Für den Staatsanwalt dagegen war die Geschichte "unglaubhaft und erfunden", zumal einer der Bestohlenen vor der Polizei ausgesagt hatte, im Rucksack seine Telefonnummer mitgeführt zu haben. Der Ankläger forderte eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30 Euro und verwies auf die einschlägigen Vorstrafen der Frau, die noch in der Bewährungszeit rückfällig geworden sei. Auch die Amtsrichterin sah kaum noch einen Spielraum, minderte aber die Strafe auf 120 Tagessätze zu 20 Euro (also 2400 Euro) ab. Keine Chance hatte im Prozess somit der Verteidiger, der einen Freispruch "im Zweifel für den Angeklagten" gefordert hatte. Denn er konnte "keinen Tatnachweis" erkennen. Er betonte, dass seine Mandantin durchaus den Willen gezeigt habe, die Fundstücke "nur kurzzeitig mitzunehmen und dann zurückzuführen". Wenn der Rucksack und die Tasche in den Waggons liegen geblieben wären, hätten eventuell andere Personen sie mitgenommen, meinte der Anwalt. Was jedoch mit der Digitalkamera des Urlaubers sowie dem Dirndl der jungen Frau geschehen ist, ließ sich in der Verhandlung nicht herausfinden.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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