SZ-Serie "Lustwandeln", Folge 14:Jäger und Sammler

Ludwig Freiherr von Schacky hat für seinen Landsitz in Dießen alles zusammengekauft, was günstig war. Seit zehn Jahren kümmert sich ein Verein um den Park

Von Armin Greune

War der Herr Baron nun ein prunksüchtiger Verschwender oder ein Schnäppchenjäger, der für seinen Dießener Landsitz wahllos alles einsackte, wenn es nur gerade besonders günstig zu ergattern war? Das ist nur eine von vielen Fragen, die ein Spaziergang durch den Schacky-Park aufwirft, wenn man mit Experten wie dem Gartenbauingenieur Peter Kaun senior und der Kunsthistorikerin Lilo Malkmus unterwegs ist. Am Beispiel des Laubengangs von der Villa Diana zum Apoll-Brunnen erläutert Kaun seinen Standpunkt: Die Apfelbäume für das Spalier habe Schacky im Winter im Rheinland gekauft, aus Resten einer Gartenbauausstellung. "Er hat immer geschaut, wo etwas billig hergeht. Schließlich war er nicht umsonst königlicher Kämmerer."

Malkmus ist da anderer Meinung und kontert mit dem Hinweis auf die verwitterten Podeste, die einst Jugendstil-Kandelaber für eine elektrische Beleuchtung trugen. Zu dem Wenigen, was man über Ludwig Freiherr von Schacky weiß, gehört, dass er den Park von Dienern illuminieren ließ, wenn er mit dem Zug anreiste. Nachts war sein Anwesen dann selbst vom Heiligen Berg in Andechs zu sehen - am Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine Sensation. Schon die Tatsache, dass Schacky weder Kosten noch Mühen scheute, den Park zu elektrifizieren, spricht nicht dafür, dass der schwer reiche Oberstleutnant a. D. ein Knauserer gewesen sei, findet Malkmus. Von den Gewächshäusern, den Volieren für Pfauen und andere Exoten oder der verborgenen Grotte am Ententeich ganz zuschweigen.

Die lebhafte Diskussion zwischen den beiden Experten zeigt, was den Schacky-Park und dessen Restaurierung so spannend macht: Obwohl die Anlage kaum älter als 100 Jahre ist, sind die Pläne dafür verschollen und zeitgenössische Dokumente äußerst rar. Viele Unterlagen sind wohl im Krieg bei einem Brand in Schackys Villa in der Münchner Prinzregentenstraße vernichtet worden. Die nach dem Tod des Freiherren folgenden Eigentümer ergänzten und veränderten den 18 Hektar großen Park: Vor allem die Nutzung als Kuhweide unter der fast 70-jährigen Obhut der Vinzentinerinnen ließ von den ursprünglichen Bauten nur noch Ruinen und weit verstreute Bruchstücke übrig.

Viele Details der Parkgestaltung sind umstritten - wie etwa, ob entlang der "Promenade" zur Villa Diana ein weiterer, aus Rosen bestehender Laubengang angelegt war, wie Malkmus vermutet. Sie verweist auf die einzige zeitgenössische Beschreibung aus dem Jahr 1912 in Friedrich Glasers "Wanderbilder aus dem Alpenvorlande", die von einer Allee mit Hochstämmen, Trauer- und Schlingrosen berichtet. Es erfordert also archäologischen und detektivistischen Ehrgeiz, dem ursprünglichen Zustand der Anlage nachzuspüren - leicht verständlich, dass Malkmus und Kaun diese Aufgabe fesselt. Zumal man sich in dem weitläufigen Areal auch noch als Schatzsucher betätigen kann: Ständig werden neue Puzzleteilchen wie Skulpturenteile, Podestfragmente oder Leuchtenfundamente entdeckt. Historische Dokumente tauchen seltener auf - aber hin und wieder erhält Kaun noch Fotografien, die den Park in früheren Jahren wiedergeben. Damit versucht er, das ursprüngliche Parkkonzept wiederzuerkennen oder die Herkunft des Baumbestands zu klären. 277 achtzig- bis hundertjährige Laubbäume hat er registriert, darunter einen raren Tulpenbaum am Entenweiher. "Doch die mit 300 Jahren ältesten Bäume finden sich im Lindenhain", sagt Kaun. Dazu kommen einige Scheinzypressen, die dem Gartenbauer die größten Sorgen bereiten - erst in diesem Winter ist ein Exemplar auseinandergebrochen und hat die frisch restaurierte Balustrade am Brunnen zerteppert. Die mehr als 100 Apfelbäume seien oft für den Standort ungeeignet und selten sachgemäß gepflegt worden. Sie stammen aus allen Phasen der Parkgeschichte. Einst waren Glasers Text zufolge "4000 Apfelbäume in vier Hauptsorten gepflanzt".

Genauso knifflig wie für den Gartenbauer ist die Recherche für Kunsthistoriker. Denn im Park ist zwar ein Konzept für Räume, Sichtachsen und Wege zu erkennen, aber keine einheitliche stilistische Handschrift. Inspiriert vom Feldafinger Lenné-Park wollte Schacky einen englischen Landschaftsgarten anlegen, aber auch auf seinerzeit beliebte Modeströmungen nicht verzichten. So sind Statuen, Terrassen und Brunnen zwischen Villa Diana und Monopteros der Gartenkunst der italienischen Renaissance nachempfunden. Am Apollobrunnen sollten "ein paar Trümmer das alte Rom nachstellen - das war halt die Italiensehnsucht der Zeit", sagt Malkmus. Das Teehaus wiederum spiegele den Japonismus wieder, der in Bayern zu Anfang des 20. Jahrhunderts en vogue war. Dieses Gebäude hatte Schacky erst als bayrisches Gartenhäuschen geplant. 1909 aber ließ er sich von der Ausstellung "Japan und Ostasien in der Kunst" in München inspirieren, kaufte dort asiatische Steinlaternen und andere Asiatika, für die dann ein orientalisches Teehaus als Galerie entstand. Aber auch den aktuellen Kunstströmungen gegenüber war Schacky offen, und so treffen am "Froschbrunnen" Puttenengel im Gewand des Neo-Rokoko auf einen Unterbau mit Fröschen des Münchner Jugendstils. "Er hat gnadenlos alles gemischt", erklärt Malkmus, "Historismus halt: Was auf der Roseninsel den Anfang nahm, findet hier sein Ende." Überdies war der Baron von Mythen begeistert und erwarb in Italien Abgüsse berühmter Figuren. Im Park standen Brunnen und Statuen von Apollo, Diana und Venus, vielleicht auch Mars: "Das ganze mythologische Programm wie in Versailles", sagt Malkmus. Der südwestliche, zweite Parkbereich ist eher bäuerlich geprägt und besteht aus Streuobstwiesen und einem Teich. Hangaufwärts entlang des Flechtgrabens bis zum Teehaus dominiert schließlich Wald, der in den nächsten Jahren ausgelichtet werden soll. Überalterte und angeschlagene Fichten sind zu fällen, um wertvolle Gehölzgruppen und ursprüngliche Sichtachsen vom Teehaus freizustellen.

Malkmus und Kaun gehören zu den Aktiven des Förderkreises Schacky-Park, eines gemeinnützigen Vereins, der sich vor fast zehn Jahren formiert hat. Er kann auf eine erstaunliche Erfolgsgeschichte zurückblicken - was sich auch dadurch ausdrückt, dass dieser Tage das 500. Mitglied begrüßt werden konnte. Unter der Obhut des Vereins gelang es, den Park wieder zu einem Schmuckstück Dießens herzurichten und ihn mit Leben zu erfüllen: Ausstellungen, Theatervorführungen, Konzerte und Matineen finden dort statt. Dank vieler Sponsoren und in zigtausenden ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden konnten Monopteros, Entenhaus, Frosch-, Apollo-, Neugierde- und Delfin-Brunnen sowie die Bootshütte und der Fischteich im Park restauriert oder rekonstruiert werden. Das bisher kostspieligstes Einzelprojekt war das Teehaus, das 2014 nach vierjähriger Arbeit fertiggestellt wurde.

Kühe statt Bomben

Von 1903 an erwarb der königliche Kämmerer Ludwig Freiherr von Schacky Wiesen in Hanglage am südlichen Ortsrand von Dießen, um daraus eine Landschaftspark zu formen. Seine Frau hatte familiäre Wurzeln im Ort, sie stammte aus einem Dießener Seerichterhaus. Die neben dem Park 1897 errichtete Villa Diana kaufte der Freiherr 1908 auch dazu. Bis vor zwei Jahren glaubte man, dass der Baron im Park noch einen repräsentativen Landsitz plante - doch dann fand der Dießener Heimatforscher Herwig Stuckenberger einen Kostenvoranschlag für ein relativ bescheidenes Haus. Als 1910 seine Frau Julia starb, ließ der Baron auf dem nahen Friedhof ein Mausoleum errichten, das damals auch vom Monopteros des Parks zu sehen war. Nur drei Jahre später fand auch Ludwig von Schacky dort die letzte Ruhe. Sein Obergärtner Georg Friedrich Wörlein gründete nach der Entlassung 1913 auf dem ehemaligen Dießener Klosterweiher die bekannte Baumschule, viele Gehölze bezog er aus der Anlage seines vormaligen Dienstherren.

1922 verkaufte die Schacky-Familienstiftung den Park an den Agrarpolitiker und Gründer der Bayerischen Volkspartei, Georg Heim. Der "Bauerndoktor" war damals bereits eine legendäre Gestalt: Streitbar und unbeugsam trat der 16-fache Vater, Landwirt und Jäger für die Freiheit des Geistes, den Bauernstand und die bayerische Unabhängigkeit ein. Der Schacky-Park verdankt ihm unter anderem das Entenhaus, das seit der Restaurierung 2011 für Feste vermietet wird. Obwohl Heim sich auch wiederholt antisemitisch äußerte, sahen die Nazis ihn als Feind an, und Heim musste sich nach der Machtübernahme offenbar zumindest zeitweilig verstecken. Er starb, politisch kalt gestellt, 1938.

Noch im Jahr 1933 wurde er von den Nazis gezwungen, den Park zu verkaufen. Neue Eigentümerin wurde die Augsburger Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzent, die 16 Jahre zuvor schon in der unmittelbaren Nähe das vormalige Dießener Augustiner-Chorherrenstift ersteigert hatte. Die Klosterschwestern nutzten den Park für ihre Landwirtschaft und ließen darin jahrzehntelang Kühe grasen, worunter viele Bauwerke und Monumente schwer gelitten haben. Andererseits bewahrten die Vinzentinerinnen die Anlage vor Bauwünschen - und Dießen davor, zum Rüstungsstandort und womöglich auch zum Bombenziel im Zweiten Weltkrieg zu werden. 1941 wollte die Gauleitung einen Teil des Parks für kriegswichtige Produktionsstätten übernehmen, doch die Schwestern verwiesen auf die Bedeutung ihrer Ökonomie für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln.

Als die Klosterschwestern die Landwirtschaft 2003 aufgaben, wurde der Park aufgeteilt: Die westliche Hälfte übernahm der Reit- und Fahrverein Dießen. Der fast gleich große östliche Teil, der seit 1992 wie die Villa Diana unter Denkmalschutz steht, wurde für 30 Jahre an die Gemeinde Dießen verpachtet. Die Villa ist heute in Privatbesitz, die Parkpflege übertrug die Kommune dem Verein Förderkreis Schacky-Park. arm

Selbst wenn der Park inzwischen wieder einen guten Eindruck von seiner ursprünglichen Pracht vermittelt, bleibt noch vieles zu tun: Seit längerem ist eine Marmor-Sitzbank in Arbeit, deren mit Löwenköpfen verziertes Original im Monopteros stand. Aus Betonguss - der zu Schackys Zeiten noch eine neue und kostspielige Technik war - werden zur Zeit die Figuren von Apollo und Diana gefertigt. Vom Apollo sind noch Bruchstücke des Torsos vorhanden, die Jagdgöttin schafft der Dießener Bildhauer Matthias Rodach nach alten Fotografien gänzlich neu. Christine Reichert, Vorsitzende des Freundeskreises, hofft, die beiden Figuren zum Jubiläum im nächsten Jahr präsentieren zu können.

Bis dahin zieren Stellvertreter die Podeste: Für die Diana hat Kaun ein Wurzelfräulein aufgestellt, das ursprünglich auch eine Flinte hielt. Und auf dem Sockel des Apollobrunnens steht ein Bild des Gottes von Klaus Olbrich. Über den gesamten Park verteilt sind einige Skulpturen von Leonhard Schlögel zu finden, der Wessobrunner Künstler hatte dort im vergangenen Jahr eine Ausstellung. Die stilisiert figurativen bis abstrakt geometrischen Werkstücke passten hervorragend in das Ambiente des Parks, findet Malkmus: "Das ist ganz im Sinne von Schacky." Der Baron habe ja auch Modernes mit Antikem gemischt.

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