Starnberg:In der Boomregion gibt es Gewinner und Verlierer

Zu einer ausgewogenen Gesellschaft gehören neben Betuchten auch Jüngere, die naturgemäß noch nicht so vermögend sind. Viele sehen an dieser Stelle die Gemeinden in der Pflicht

Von Christiane Bracht, Starnberg

Auch wenn es inzwischen private Initiativen gibt, die sich um bezahlbare Wohnungen im Fünfseenland bemühen, so ist doch eins geblieben: Alle schielen in Richtung Gemeinde. Zwar fordern die Interessenten jetzt nicht mehr unisono, dass die Gemeinden selbst bauen müssen, aber alle Alternativkonzepte laufen darauf hinaus, dass sie nur mit einem kommunalen Grundstück, wenn möglich einem günstigen, ihre Projekte realisieren können. Einziges Problem: Die Gemeinden im Landkreis Starnberg haben viele Aufgaben, aber nur sehr wenige Grundstücke.

"Um günstigen Wohnraum zu schaffen, haben wir vor 66 Jahren den Verband Wohnen gegründet", erinnerte die Kraillinger Bürgermeisterin und Vorsitzende des Verbands Christine Borst. "Wo soll also der Vorteil sein, wenn die Gemeinden die wenigen Grundstücke, die sie haben, nicht an den Verband geben, indem sie selbst sogar ein Mitspracherecht haben, sondern den Unternehmern, einer Wohnungsgenossenschaft oder einer Baugemeinschaft?" "Es geht um ein Miteinander, nicht um ein Gegeneinander", gab die Starnberger Stadträtin Martina Neubauer (Grüne) auf dem Symposium der Gfw im Rahmen einer lebendigen Diskussion zu bedenken. Man müsse schauen für welches Klientel das betreffende Grundstück am besten geeignet ist, und danach entscheiden, wer es bekommen soll, schlug sie vor. Die Konzepte von UWS, der Maro-Genossenschaft und der Architekten von Plan Z, seien eher als Ergänzung zu sehen. Anders als der Verband Wohnen zielen sie auf Normalverdiener ab. Doch es ist nicht so leicht, ein kommunales Grundstück einfach abzugeben, weiß Borst. Aus ihren Erfahrungen mit der etwa 10 000 Quadratmeter großen Sanftlwiese im Herzen Kraillings, die schon seit sechs Jahren überplant wird, hat sie gelernt: "Die Bürger wollen vieles nicht und im Nu hat man zwei Bürgerentscheide auf dem Tisch." Wichtig ist, dass "die Bevölkerung die Nutzung akzeptiert." Dazu müsste man die Leute besser informieren, denn nur dann wüssten sie auch, was auf dem Areal machbar ist, forderte indes Architekt Michael Lehner, der sich vor allem für Baugemeinschaften einsetzt. Er sieht insoweit die Gemeinden in der Pflicht.

Kaum einzusehen ist jedoch, warum die Unternehmer für ihre Idee, Mitarbeiterwohnungen zu schaffen, nicht ihren eigenen Grund nutzen. Man wolle sich keinesfalls einer Neiddebatte aussetzen, erklärte Projektentwickler Stefan Klein. Wohin das führe, sehe man am Beispiel Michael Padberg von der Wörthseer Firma PTC, der erst vor kurzem versucht habe, auf seinem Firmengrundstück Wohnungen für Leute mit kleinem Geldbeutel zu errichten. Sein Vorhaben sei im Gemeinderat kläglich gescheitert. Das Problem ist laut Klein einfach, dass die Gemeinden kein Baurecht für Unternehmer schaffen und so deren Vermögen mehren wollen. Es sei leichter, sich auf Grundstücke zu fokussieren, die eigentumsrechtlich nichts mit dem Bauwerber zu tun haben. Im übrigen gebe es im Landkreis Starnberg nicht so viele Unternehmer, die noch Grund übrig haben, wusste Klein.

Kreisbaumeister Christian Kühnel zeigte sich nicht besonders beeindruckt von den Alternativkonzepten und den Bemühungen der Mittelschicht, die die Preise im Landkreis mit ihrem Verdienst nicht mehr zahlen kann, unter die Arme zu greifen. "Es wird Gewinner geben und auch Verlierer in Boomregionen wie dieser", sagte er. Dieser Landkreis sei einfach nicht für jeden Geldbeutel geeignet. "Und alle Bemühungen dieser Tendenz Einhalt zu gebieten, sind ein Tropfen auf den heißen Stein." Die Kommunalpolitiker wollten das so nicht stehen lassen. "Verlierer sind dann auch die Kommunen", entgegnete Borst. "Wir brauchen eine ausgewogene Gesellschaft. Die Vereine leben von jüngeren Leuten und ihrem ehrenamtlichen Engagement, nicht nur von den älteren, die sich das Leben hier leisten können." Nur wenn alle Generationen da sind, bleiben auch die Vereine langfristig erhalten. Deshalb müsse es in jedem Ort auch ein Angebot für die Jüngeren geben, die naturgemäß noch nicht so vermögend sind. "Die Gesellschaft im Landkreis Starnberg funktioniert auch so, denn die betuchten Leute haben die Kraft, sich Hilfe von woanders zu holen", entgegnete Kühnel. Und an der Flüchtlingskrise habe man gesehen, wie ausgezeichnet die Gemeinschaft im Landkreis funktioniert. "Wir haben kein Tafelsilber herzugeben", sagte er. Es sei vielmehr so: Der Wohnungsmangel wecke Begehrlichkeiten. Die Unternehmen wollen sich hier ansiedeln. Für sie ist es ein Aushängeschild, in idyllischer Umgebung zu produzieren und für die Leute, die sich trotz der hohen Bodenpreise hier niederlassen, ist es eine besondere Herausforderung, sich durchzusetzen, so Kühnel.

Der Starnbergs Stadtbaumeister Stephan Weinl fürchtet zwar, dass man so viel Wohnraum nicht schaffen könne, um die Bevölkerung zu beeinflussen. Dennoch hält er es für wichtig, sich darum zu bemühen, denn die Gesellschaft komme nicht ohne Dienstleister aus. Es gebe auch Potenzial, sagte Weinl. Allerdings müsse man die Eigentümer erst dazu bringen, ihren Grund für weniger betuchte Leute verkaufen zu wollen. Auch der Berger Bürgermeister Rupert Monn sieht die Kommunen in der Pflicht. Sie müssten an den Ortsrändern günstig Grund erwerben, den sie dann dem Verband Wohnen oder für eines der anderen Modelle zur Verfügung stellen. Borst versicherte, dass man sehr bemüht sei, Wohnungen zu schaffen. Allerdings hätten die Gemeinden kaum Möglichkeiten auf die Preise einzuwirken, da die Grundstücke meist zu klein seien, um von den Bauträgern sozialverträgliche Bodennutzung zu fordern, wie München es macht. Man könne nur im Rahmen von städtebaulichen Verträgen Einzelheiten aushandeln.

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