Starnberg:Heftige Kritik

Lesezeit: 2 min

Die Starnberger Grünen sind empört. Am Führungsstil von Bürgermeisterin Eva John lassen sie kaum ein gutes Haar. Am meisten ärgert sie, dass große Projekte und der Haushalt auf die lange Bank geschoben werden

Von Peter Haacke, Starnberg

Ein schlechtes Zeugnis stellen die Grünen-Stadträte der Starnberger Bürgermeisterin aus. Zwar habe Rathaus-Chefin Eva John, die sich seit dem Vorjahr im Stadtrat auf die knappe Mehrheit einer Allianz aus BMS, WPS, BLS und FDP stützt, in den vergangenen Monaten "viele kleine Dinge umgesetzt", räumte Fraktionssprecherin Martina Neubauer am Dienstag im Rahmen eines Jahrespressegesprächs ein. Doch sämtliche großen Starnberger Projekte, die "unter den Nägeln brennen" - etwa die Themen Seeanbindung, Verkehr oder Haushalt - werden laut Neubauer "auf die lange Bank geschoben". Neben der offensichtlichen "Verzögerungstaktik" der Bürgermeisterin zum Schaden der Stadt monieren die Grünen eine undurchsichtige Informationspolitik, "schlechten Stil" sowie ein schlechtes Klima im Stadtrat.

"Der dickste Hammer", befand Annette von Czettritz, sei das Markterkundungsverfahren zum historischen Bahnhofsgebäude, von dem die Stadträte nur aus der Tagespresse erfahren hatten. Etablierte Kulturveranstalter, die das zum "Kulturbahnhof" erklärte Gebäude längst nutzen, seien zutiefst verunsichert. Derweil aber ist eine bereits im Vorjahr gestellte Anfrage der Grünen noch immer unbeantwortet: Welche finanziellen Folgen hat es für die Stadt, wenn der zum Jahresende 2017 auslaufende Bahnvertrag nicht erfüllt wird? Ebenso unklar ist, ob die Bürgermeisterin Gespräche mit Verantwortlichen der Bahn über weitere Optionen - etwa den Janssen-Tunnel - führt. "Dazu haben wir keine Antwort bekommen", sagte Neubauer, "es geht nichts vorwärts". Deutlicher wurde Franz Sengl: "Es gibt viele unsinnige und läppische Vorschläge zum Thema Seeanbindung", sagte er, "aber es ist grotesk, eine solche Chance zu verspielen".

Als merkwürdig empfinden die Grünen das Prozedere zur Aufstellung des Haushalts 2016 - laut Neubauer das "Kerngeschäft einer Kommune", das vom Stadtrat bestellt wird. Seit Jahresbeginn ist ein neuer Kämmerer da, doch die Januar-Sitzung des Finanzausschusses wurde "mangels Themen" gestrichen. Die nächste findet erst Anfang März statt. Neubauer: "Bis dahin sind wir in einem Loch." Bedingt durch den Verkauf des Abwassernetzes sei die Pro-Kopf-Verschuldung zwar kurzzeitig auf 785 Euro gesunken. Doch durch Umbau des Wasserparks mit kalkulierten 18 Millionen Euro, den Bau der Westtangente und notwendige Investitionen zur Erweiterung des Gewerbegebietes Schorn werde die Verschuldung schon bald wieder rasant steigen. Gleichzeitig beharrt John auf den Wegfall der Straßenausbaubeitragssatzung, das Schicksal des Hotels "Bayerischer Hof" - das Gebäude ist städtisches Eigentum - ist weiterhin ungeklärt und die Energiewende geht nur schleppend voran. Als kurios empfinden es die Grünen, dass eine Mehrheit im Stadtrat sich gegen das Gewerbegebiet am Schmalzhof wehrte, gleichwohl aber den Ausbau von Schorn in sechsfacher Größe ohne Kosten-Nutzen-Analyse forcieren will.

Völlig unzureichend ist aus Grünen-Sicht das Vorgehen im Hinblick auf Flüchtlingsunterkünfte: Bereits im Mai 2015 hatten sie eine Anfrage gestellt, welche städtischen Grundstücke und Gebäude dafür in Frage kommen. "Dann haben wir erst mal gar nichts mehr gehört", sagte Neubauer, "ein gemeinsames Überlegen hat nicht stattfinden können". Mittlerweile wurde die Stadt von der Entwicklung eingeholt: Das Landratsamt will eine Maschinenhalle und ein Containerdorf am Rande des Leutstettener Mooses errichten. Die Grünen hegen den Verdacht, dass die Stadt gar keine Objekte gemeldet hat. "Kein Gespräch, keine Transparenz", sagte Neubauer, "das ist, was es so schwer macht". Die Grünen haben wegen Nichtbehandlung ihres Antrags die Rechtsaufsicht eingeschaltet.

Ernüchterung herrscht auch beim Thema Verkehr. Im Sommer 2014 war die Bürgermeisterin beauftragt worden, sämtliche bereits vorhandenen Unterlagen und Expertisen offenzulegen. Stattdessen präsentierte John wenige Monate später die Idee eines Verkehrsentwicklungsplans. Die Ausschreibung dazu blieb aber zunächst unter Verschluss, später stellte sich heraus: "Da wird gar nichts untersucht zu Kosten und rechtlichen Voraussetzungen", sagte Sengl. Dementsprechend erwarten die Grünen in der Sitzung des Verkehrsausschusses an diesem Donnerstag auch keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse, sondern nur weitere Verzögerungen. "Das Credo der Anti-Tunnel-Allianz 'Wir bekommen eine Umfahrung' ist Nonsense", erklärte Neubauer. Auch die Grünen seien keine glühenden Anhänger des Tunnels, aber er biete die einzige Chance auf Verkehrsentlastung und Freiräume. Ansonsten werde "50 Jahre lang nichts passieren", sagte die Grünen-Fraktionschefin.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: