Starnberg:Haltlose Unterstellungen

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Stadträtin Angelika Kammerl sieht sich "persönlich angegangen"

Von Peter Haacke, Starnberg

Das Verhältnis zwischen Starnbergs Bürgermeisterin Eva John und Stadträtin Angelika Kammerl (Parteifreie) ist angespannt. Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp (BLS) sah sich, wie berichtet, zu einer offiziellen Erklärung genötigt: Er teilte mit, dass Johns Anzeige bei der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel, die Wählbarkeit Kammerls zu überprüfen, allein Sache der Bürgermeisterin war. Nach Auffassung der Kommunalen Rechtsaufsicht hatte John - ohne Votum des Stadtrats - ihre Kompetenzen überschritten. Doch dies ist nur die Spitze eines Eisbergs: Bei einem Pressegespräch am Montag ließ Kammerl - flankiert von Patrick Janik (UWG) und Stefan Frey (CSU) - die letzten 18 Monate Revue passieren und kommt nach einer Reihe denkwürdiger Ereignisse zum Ergebnis: "Man hat versucht, mich persönlich anzugehen, damit ich resigniere."

Bereits im November 2015 hatte Kammerl - seinerzeit noch WPS-Vorstandsmitglied - begonnen, intern den Führungsstil von Günther Picker zu kritisieren. Im März 2016 passierte etwas Merkwürdiges: Die bayerische Architektenkammer in München verlangte von der diplomierten Architektin eine Unterlassungserklärung. "Ich dürfe den Titel 'Architektin' nicht führen, weil ich kein ordentliches Mitglied der Architektenkammer bin", sagte Kammerl. Wer den Hinweis gegeben hatte, blieb unklar. Am 19. Mai 2016 ging bei der Stadt Starnberg die Anfrage einer "Sonja Müller" aus Pöcking ein, die sich nach den Wählbarkeitsvoraussetzungen von Kammerl erkundigte. Kurz darauf verließ die Stadträtin am 29. Mai gemeinsam mit Fraktionskollegin Sieglinde Loesti die WPS und gründete "Die Parteifreien" als neunte Fraktion im Stadtrat. Nur zwei Wochen später betrieb die Starnberger Wohnungsbehörde intensive Nachforschungen bei Kammerls Vermieterin in Söcking, ob die Stadträtin dort tatsächlich einen Zweitwohnsitz habe. Sowohl Kammerl als auch die Vermieterin bestätigten diesen Fakt. Dennoch stellte Picker am 25. Juli den Antrag, Kammerl das Mandat zu entziehen. Nur einen Tag später formulierte die Stadtverwaltung ein Schreiben, dass die Wählbarkeit der abtrünnigen WPS-Stadträtin in Frage stellte - obwohl der Wahlausschuss die Voraussetzungen 2014 und 2015 zweimal geprüft hatte. Kammerl betraute daraufhin Rechtsanwalt Patrick Janik mit der Angelegenheit.

Im September die nächste Attacke: Picker beantragte im Bauausschuss die Unterbrechung der Sitzung. Er wollte die Wohnungen Kammerls in Augenschein nehmen, forderte sie wegen "Fälschung der Wahlunterlagen" zur Niederlegung ihres Mandats auf und beantragte eine Weiterleitung der Unterlagen an die "Strafverfolgungsbehörden in München". Bürgermeisterin John nahm Pickers Anträge zunächst nur zu Protokoll - und stellte, wie von Picker gefordert, ohne jegliche Rücksprache mit dem Stadtrat, im Oktober Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft sah allerdings keinen Handlungsbedarf, weil "an meiner Wählbarkeit keinerlei Zweifel bestand", sagt Kammerl. Der Stadtrat forderte daraufhin von John eine offizielle Darstellung gegenüber Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit, dass die Strafanzeige gegen Kammerl allein Johns Angelegenheit sei. Stattdessen aber wandte sich John im November an die Kommunale Rechtsaufsicht, um den Beschluss überprüfen zu lassen. Das Ergebnis ist bekannt: Vize-Bürgermeister Rieskamp musste diese Aufgabe übernehmen wegen persönlicher Betroffenheit der Bürgermeisterin. Ebenfalls seltsam: "Auf dem Tonbandmitschnitt der fraglichen Bauausschuss-Sitzung fehlen angeblich die ersten Minuten mit den beleidigenden Ausführungen Pickers", sagt Kammerl.

Doch damit nicht genug: Am 23. Dezember erreichte Kammerl ein Schreiben des Finanzamts Starnberg: Sie hätte im Zeitraum 2012 bis 2016 Gewinne aus Bilderverkäufen nicht versteuert. Die beigefügten Unterlagen erwiesen sich jedoch als Fälschungen, die Unterstellungen als haltlos. Unklar ist in allen Fällen, wer sich als Denunziant betätigte: Eine "Sonja Müller" jedenfalls existiert nicht, und wer Architektenkammer und Finanzamt informierte, ist ebenfalls unklar. Als kurios dagegen muss der Umstand gelten, dass sich auf der WPS-Homepage unter "Mitglied werden" ein gutes Jahr nach ihrem Austritt noch immer als Ansprechpartnerin findet: Angelika Kammerl.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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