Kulturmacher:Frisbee mit Künstlern

Starnberg Ev.Gemeinde Lesung

Elisabeth Carr, 55, Sozialpädagogin und Psychotherapeutin, hat mit ihren Starnberger "Kunst-Räumen" bisher etwa 500 Veranstaltungen realisiert.

(Foto: Georgine Treybal)

Wer jungen Leuten im Englischen Garten zuschaut oder seine Kartons auf den Starnberger Wertstoffhof bringt, kann entweder zufrieden heimkehren. Oder auch ein Festival veranstalten

Von Elisabeth Carr

Der zahlende Besucher, der ins Konzert geht, das Kinofestival besucht oder das Museum, will ein Ergebnis sehen. Zu Recht. Wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Konzept einer Jazz- oder Klassikreihe steht, die Rockband den Auftritt zusagt und das erste Bild einer Ausstellung am Nagel hängt, interessiert ihn in dem Moment nicht. Dabei ist auch das ein Kunststück: Festivals, Musik- und Theaterreihen trotz geringer Zuschüsse über Jahre am Laufen zu halten. In der SZ-Serie "Kulturmacher" schreiben Veranstalter, wie ihnen das gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.

Wie gestalten sich die "Kunst-Räume am See: Inspiriert und intuitiv bin ich ständig und voller Lust am Visionieren, Aufnehmen, am Notieren, am Schreiben - egal, wo ich bin. Die schönen Künste, sie kommen mir immerzu und allerorts entgegen. So gibt es während eines Gesprächs oder einer Begebenheit einen neuen Impuls, den ich im Kopf einfächere: Beispielsweise beim Frisbeespielen mit jungen Künstlern im Englischen Garten. Da ist mir die Idee zu den aktuellen "Juni-Spielen schön jung" gekommen. Warum nicht die junge Kunst wie eine hin- und herfliegende Frisbee an zehn Orte am Starnberger See bringen und junge Künstler aus der Region wieder in die Region holen? Der Impuls formt sich zur Idee, die dann beharrlich im Vordergrund bleibt und sich ereignen will - oder in den Hintergrund tritt, weil sie nicht genügend Kraft hat.

Das sind innere Prozesse, ein künstlerisches, gestalterisches Tun. Die Idee sucht sich einen Raum - wie die Roseninsel oder den Wertstoffhof. Dazu kommt mir ein Künstler oder eine Künstlerin in den Sinn, der das Erdachte dem Publikum im neu entstandenen Kunstraum optimal darbringen könnte. So ergibt sich das Gesamtwerk, bei dem Gedanken, Kunst, Raum und Künstler miteinander korrespondieren. Zwischen der ursprünglichen Idee und der Realisation liegen oft Wochen, Monate oder manchmal Jahre voller konzeptioneller und organisatorischer Arbeitsprozesse. Es finden viele, intensive Gespräche statt. Manchmal dauert das Kennenlernen, das Ineinanderweben länger, weil ich das Konzept der Kunst-Räume mit den meist unikaten, kulturellen Darbietungen erst versteh- und erfahrbar machen muss. Dann wieder geht das ganz schnell, besonders wenn ich schon oft mit bestimmten Künstlern zusammen gearbeitet habe.

Die künstlerischen Ereignisse an sich und die Vorbereitungen dazu sind nie starr, sondern kreative und immer wieder höchst spannende Prozesse. Manchmal improvisieren wir noch am Abend selbst: Da wird spontan ein Musikstück ins Programm eingeflochten, das nicht geplant war, aber zur Stimmung des Publikums passt. Einmal sind die Scheinwerfer ausgefallen. Kurzerhand haben wir im ganzen Raum Kerzen angezündet, die Stimmung wurde dadurch nur noch schöner.

Mit der jungen Textilingenieurin Sophie Kellner gab es schon lange die Idee für eine Modenschau mit innovativer und spritzig-witziger Eco-und Upcycling-Fashion. Sehr an Mode, an der Kunst sich zu kleiden interessiert, dachten wir dabei aber vorrangig über die Produktionsbedingungen und Umweltbelastungen nach.

Mit dieser Projektidee ging ich lange Zeit schwanger, bis sich der geeignete Raum dafür fand: An einem Samstag brachte ich meine Kartons auf den Wertstoffhof, sah die Altkleidersäcke und wusste sofort: "Das ist es, das ist der Kunstraum dafür!" Freilich war immer noch völlig unklar, ob sich die Idee, die ich ganz toll finde, verwirklichen lässt. In Gesprächen mit dem großartigen Awista-Verband erschloss sich tatsächlich der Raum, erst in unseren Köpfen, dann direkt auf dem Gelände. Gemeinsam wurde das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Das ist fantastisch, verbindet und setzt Zeichen! Der Verband hat erstaunlich schnell und vertrauensvoll die Türen geöffnet, schon im ersten Gespräch. Dann gab es weitere Gespräche zum Konkretisieren des Ablaufs, der teilnehmenden Labels und Designer, des Caterings. Auch bei den noch kommenden Abenden der "Juni-Spiele schön jung" gibt es diesen Zusammenschluss an Energie: das hochbegabte, junge Duo Servais mit Rafaela Gromes und Amelie Böckheler im Starnberger Rokokojuwel, dem Ignaz-Günter-Kunst-Raum in der katholischen Kirche St. Josef am 27. Juni. Oder das Benefizkonzert am 4. Juli: Es findet in der Asylbewerberunterkunft Mühltal statt, um das Erleben in den "Welt-Kultur-Räumen" ganz unmittelbar zu machen, um eine wirkliche Innenansicht von den Gegebenheiten zu bekommen, die man sonst nur aus den Medien kennt.

Das Hauptaugenmerk meiner Arbeit lege ich auf gute Kontakte, das hohe Können der Künstler und die sinnstiftenden Inhalte: Jeder Abend enthält eine künstlerisch-ethisch-gesellschaftliche Botschaft und soll nicht nur Entertainment oder leichte Unterhaltung sein.

Der wirtschaftliche Aspekt tritt dabei sehr oft in den Hintergrund. Meinen Stundenlohn rechne ich dabei lieber nicht aus, sonst könnte ich diese Kulturarbeit, die ich immer auch als sozialpädagogische Arbeit verstehe, nicht machen. Man braucht einfach genügend Leidenschaft, Engagement und Liebe zur Kunst und Kultur, denn dann können wir gemeinsam ungeahnt Schönes, Belebendes und Staunenswertes erleben.

Allerdings ist dies ohne ideelle und finanzielle Kulturförderung nicht möglich. Jede Unterstützung, jedes Ermöglichen von öffentlicher oder privater Hand ist nicht nur äußerst wertvoll, sondern für das Bestehen der Kultur essentiell.

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