Starnberg:Freundliche Übernahme

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Für die sieben Kommunen am See hat es offenbar nur Vorteile, ihre Kanäle an den Abwasserverband zu übergeben. Die Gebühren bleiben stabil, und es gibt Geld für das Leitungsnetz - Starnberg kassiert sogar 17,3 Millionen Euro

Sabine Bader

- Sie sind unscheinbar und tief im Boden vergraben, kosten die Gemeinden aber richtig viel Geld: die Schmutzwasserkanäle. Jährlich investiert beispielsweise die Stadt Starnberg 600 000 bis 700 000 Euro in ihr innerstädtisches Kanalsystem, und nicht nur sie. Auch die anderen Gemeinden rund um den Starnberger See - Berg, Münsing, Seeshaupt, Bernried, Tutzing, Feldafing und Pöcking - greifen mitunter tief in die Taschen. Sie alle sind Mitglieder des Abwasserverbands Starnberger See und leiten ihr Schmutzwasser über den verbandseigenen Ringkanal in die Kläranlage in Starnberg ein, die ebenfalls dem Verband gehört.

Die Ortskanäle aber sind noch immer im Besitz der Gemeinden. Ein Zustand, den Rupert Monn, Bergs Bürgermeister und Chef des Abwasserverbands, seit Jahren ändern will. Er tritt dafür ein, dass alle sieben Kommunen ihre Kanäle an den Verband übertragen. Vorbild dafür sind Gemeinden am nahen Ammersee. Bereits vor elf Jahren hat der dortige Verband die Ortskanäle übernommen - als erster in ganz Bayern, mit der Folge, dass die Gebühren aufgrund zahlreicher Synergieeffekte in den Bereichen Personal, Knowhow und Wassermenge für die Mehrheit der Ammersee-Anrainer sogar sanken.

Nach diesem Konzept will man nun auch die Abwasserbeseitigung am Starnberger See neu strukturieren. Bereits seit zwei Jahren haben die Mitarbeiter des Verbands darum minutiös in jeder der Mitgliedskommunen Bestandsaufnahme betrieben - Alter und Zustand der Kanäle sind darin ebenso enthalten wie die Summe, die bisher in sie investiert wurde. So ist für jede Kommune eine eigene Vermögens- und Gebührenkalkulation entstanden. Im Falle Starnbergs heißt dies: Der Wasserpreis würde in der Stadt in den kommenden zehn Jahren auf geschätzte 3,20 Euro pro Kubikmeter klettern. Mit einer Übertragung der Kanäle an den Verband würde sich der Preis auf einem Niveau von 2,70 Euro pro Kubikmeter halten - und zwar in allen sieben Gemeinden. Das Prinzip: einheitliche Gebühren, einheitliche Standards. Ein finanzieller Vorteil für die Bürger also, wie es am Montagabend bei der Vorstellung der Pläne im Starnberger Stadtrat hieß. Außerdem, und das beeindruckte die Stadträte sichtlich, wird die Stadt vom Verband sage und schreibe 17,27 Millionen Euro für ihr 540 Kilometer langes Kanalnetz erhalten, was dem noch nicht abgeschriebenen Gegenwert des Starnberger Leitungsnetzes entspricht.

Kein Wunder also, dass etliche Stadträte bei diesen Aussichten große Augen machten. Wäre die Stadt damit doch rein rechnerisch fast all ihre Schulden (21 Millionen Euro) los. "Starnberg ist hier ein Ausnahmefall", sagte Monn, um im Vorfeld keine falschen Erwartungen bei den anderen Mitgliedsgemeinden zu wecken. Doch auch wenn die Zahlungen an sie erheblich niedriger ausfallen werden, einen anderen finanziellen Vorteil haben sie dennoch: Der Personalbedarf sinkt erheblich. "Es muss sich nicht mehr jede Gemeinde nebenbei mit Kanalüberwachung und -sanierung beschäftigen", so Monn zur SZ.

Und gerade Letzteres käme verstärkt auf die Kommunen zu. Das Stichwort heißt Fremdwasser: In allen Seegemeinden dringt über Lecks und unsachgemäße Anschlüsse seit Jahren viel zu viel Regenwasser ins Kanalsystem ein. Das überlastet nicht nur die Kläranlage, es erschwert auch den Klärprozess immens. Nun müssen die Schadstellen, die zum Teil auf Privatgrund liegen, gesucht und beseitigt werden. Das Ganze ist nicht nur teuer, es bindet auch Personal, wie Verbandsgeschäftsführer Norbert Impelmann erläutert. Allein die Stadt Starnberg müsste für diese Arbeiten vier neue Stellen schaffen.

Die Bürgermeister der sieben Mitgliedskommunen haben sich darum im Vorfeld für eine Übertragung der Kanäle an den Verband ausgesprochen, eine Absichtserklärung. Denn die Entscheidung selbst obliegt den jeweiligen Gemeinderäten. Von ihnen hat sich bisher einzig Bernried entschieden und zugestimmt; in den anderen Gremien steht das Thema in nächster Zeit auf der Tagesordnung. Sollten bis zum Jahresende alle Seegemeinden zugestimmt haben, können die Kanäle laut Impelmann zum 1. Januar 2014 ins Eigentum des Verbands übergehen. Und sollte tatsächlich eine Gemeinde ausscheren, so kommt vom Ammersee der Rat: Nicht verzagen, die kommt von ganz allein.

© SZ vom 24.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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