Starnberg:Freche Kasperl

Ole Schultheis und sein Team persiflieren mit der "Qual der Wahl" die lokale und die große Politik

SABINE ZAPLIN

Starnberg Bücherjolle

Starnberg Bücherjolle Starnberg Bücherjolle, Politisches Kasperlkabarett 'Die Qual der Wahl' , v.l. Claudia Wagner, Rolf Gottstein, oben Sepp - Erika Schalper, Kasperl - Ole Schultheis (nicht im Bild). Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Da staunten sie nicht schlecht, die zwei Spezln Kasperl und Sepperl: die "Bücherjolle", in der die beiden schon so lange anheuern, um vor geneigtem Publikum einigen stadtbekannten Leichtmatrosen auf humorvolle Weise den Wind aus den Segeln zu nehmen - diese "Bücherjolle" hat jetzt nicht nur einen neuen Kapitän, sondern bietet neben Büchern auch Espresso an. "Ich bin aber Tee-Trinker", meckert der Sepperl, "muss ich dann zum Greiner?" Und schon geht sie los, "die Qual der Wahl": Kaffee oder Tee, Marktplatz oder Maximilianstraße, Tim Weidner oder Eva John, Hü oder Hott.

Die Kasperl aus der Bücherjolle und ihr Autor Ole Schultheis haben die anstehenden Wahlen zum Anlass genommen, sich mit Politkasperln, Realsatire und der Frage zu beschäftigen, was zuerst da war: die Wahl oder die Qual. "Die Qual der Wahl" lautet der Titel der neuesten Produktion, am Dienstagabend haben Claudia Wagner, Erika Schalper, Rolf Gottstein, Ole Schultheis und, am improvisierten Mischpult hinterm Ladentisch Stadtrat Helge Walter, die Puppen tanzen lassen und den Politkasperln aus dem echten Leben aufs Maul geschaut.

Zunächst wurde natürlich erst einmal kräftig vor der eigenen Tür gekehrt, sprich: vor der Tür des Kleinen Saals der Schlossberghalle, wo der Kasperl sich über die Spielregeln wundert, die "Schläge unterhalb der Gürtellinie ausdrücklich erlauben" und wo der Sepperl sich fragt, ob man angesichts vom üblichen Schlagabtausch in Abkürzungen überhaupt noch von Rederecht sprechen kann: "Das gesprochene Wort verkommt zur Verbalinjurie auf elektronischem Weg", ärgert er sich, und der Kasperl stimmt ihm zu: "Der Stadtrat verständigt sich auf seinen Sitzungen jetzt nur noch per Handy: Die BMS schickt eine SMS an die WPS oder an die UWG oder umgekehrt." Doch ein Bürgermeisterkandidat, zumal einer mit "Qualität, Phantasie oder Visionen" ist den beiden in der Kreisstadt am See bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Auf ein paar wissen sie sich ein Lied zu singen, auf "Martina, Martina, Martina" zum Beispiel oder auch der Gassenhauer "Duday, Duday, du/bist du der Beste?", der im Gewand von "Strangers in the night" daherkommt.

Aber auch die Landespolitik gibt den Jollenkasperln Anlass für ironische Betrachtungen. Mehr noch: Eine leibhaftige Bankerin sucht vor der Kasperlbühne das Gespräch mit einem geneigten Investor, wobei einige Interna aus dem bayerischen Finanzministerium zur Sprache kommen. Markus Söder persönlich meldet sich nämlich per Handy, gerade mit der Hanns-Seidel-Stiftung in Samoa unterwegs und besorgt um die Staatsgelder. Die seien alle Offshore angelegt, beruhigt ihn die Bankerin mit dem schönen Namen Geldhahn, beschäftigt beim Institut Nirwana. Und die Staatsgelder? Bereits transferiert, entgegnet Frau Geldhahn dem Minister, und zwar küstennah: Herrenchiemsee und Roseninsel. Dort würde man bei Renovierungsarbeiten ganz zufällig, an den ehemaligen Turtelplätzen von Sisi und König Ludwig, unbekannte riesige Goldbarrenmengen entdecken. Dem Investor gehen beinahe die Augen über, und im Hintergrund quält sich der Sepperl mit dem Gedanken an seine Wahlberechtigung: Wem darf, wem kann man noch trauen?

Natürlich wird auch das Münchner Rathaus einer genauen Prüfung unterzogen und mit ihm der Kandidat Christian Ude, der für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert und zu diesem Zweck vorab noch mit dem amtierenden Ministerpräsidenten in Sachen Flughafen und Dritte Startbahn ein paar Deals aushandeln muss. Währenddessen beschließt Kasperls Großmutter, in Starnberg für die Piratenpartei zu kandidieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt schlagen die Stimmungswogen in der Bücherjolle hoch, ist der Seegang im Publikum von allerbester Qualität. Mit "Die Qual der Wahl" ist Ole Schultheis und seinen Kasperln ein kluges, von wunderbarem Wortwitz geprägtes und mit zahlreichen charmanten Spitzen gegen die real existierenden Politkasperl gewürztes Stück in bester Hanswurst-Tradition gelungen. Am Ende bleibt die Feststellung, dass, wer die Wahl hat, die Qual unabänderlich dazubekommt. Drum quäle sich, wer ewig wähle - und wähle dennoch.

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