Starnberger Bahnhof See:Einig vor allem in Uneinigkeit

Auf der Seepromenade

Kein Starnberger See in Sicht, obwohl er nur ein paar Meter hinter der Unterführung liegt. Seit Jahrzehnten kämpft die Stadt um eine Lösung.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der "Projektausschuss Bahnhof See" diskutiert die 105 Millionen Euro teure oberirdische Gleisverlegung. Der Berechnung der Ausgaben folgt nun die Darstellung der Einnahmen - und Eva John soll mit der Bahn reden

Von Peter Haacke, Starnberg

Es hat nicht viel gefehlt, da wäre das Thema "Seeanbindung" eine Angelegenheit für die Rechtsanwälte geworden: Der "Projektausschuss Bahnhof See" lehnte am Donnerstag einen ad hoc formulierten Antrag von Starnbergs Bürgermeisterin Eva John ab, der faktisch das Aus für das Projekt am Nordufer des Starnberger Sees bedeutet hätte.

Der Antrag betraf die Aufhebung eines im Juli 2015 gefassten Beschlusses, der die Erstellung eines Finanzierungskonzepts zur oberirdischen Gleisverlegung vorsieht. Doch John selbst votierte gegen ihren Antrag, derweil die Unterstützer-Allianz aus BMS, WPS, BLS und FDP die Beendigung des umstrittenen Projekts forderte. Dem Prozedere über das weitere Vorgehen war eine Debatte zu Möglichkeiten und Grenzen der "Seeanbindung" vorausgegangen, wie und ob das nunmehr auf 105 Millionen Euro taxierte Projekt mit Gleisverlegung zu bewerkstelligen sei. Immerhin: Gutachter Konrad Daxenberger bestätigte unter Berücksichtigung nominaler Baukostensteigerungen weitgehend die Richtigkeit jener Zahlen, die der "Arbeitskreis Seeanbindung" in den Jahren 2012 bis 2014 erarbeitet und im Abschlussbericht vorgelegt hatte.

Daxenberger, Geschäftsführer der Lahmeyer GmbH, hatte die bisher vorliegenden Dokumente und Berechnungen zur Kostenkalkulation auf ihre Richtigkeit und Plausibilität hin akribisch überprüft. Sein Ergebnis: Für das Bahnprojekt - also die oberirdische Gleisverlegung - seien nach derzeitigem Stand 51 Millionen Euro (2012: 43 Millionen) fällig, für die Promenadengestaltung 21 Millionen (17) und für die Verlegung des Regionalhaltepunkts an den Bahnhof Nord 5,3 Millionen (4,9). Zudem rechnete er einen "Risikopuffer" in Höhe von acht Millionen Euro ein. Unter Berücksichtigung nominaler Kostensteigerungen bis zum Jahr 2025, dem theoretischen Zeitpunkt zum Bau des Projekts, ergäben sich demnach gesamt 105 Millionen Euro Investitionskosten.

Dazu präsentierte der Fachmann dem Gremium eine hypothetische Zeitschiene mit den jeweils erforderlichen Schritten von 2016 bis zur Fertigstellung 2028, bei der die Inbetriebnahme der Regionalbahnsteige am Bahnhof Nord bis spätestens 2024 zwingende Voraussetzung wäre. Zwar stehen laut Daxenberger eine ganze Reihe von Planungen, Gutachten, Abstimmungsprozessen und Antworten auf technische Fragen für eine Planfeststellung aus. Aber er zog im Hinblick auf die sehr guten Vorarbeiten des Arbeitskreises ein überaus positives Fazit: "Es ist ein großes Projekt mit Problemen, die aber alle lösbar sind." Nach Berechnung von Unterhalts- und Entlastungskosten könne die Stadt sogar mit einer Ausgleichszahlung rechnen. Allerdings fehlt für ein weiteres Vorgehen noch die Zustimmung zur "Verkehrlichen Aufgabenstellung" (VAST) als zentraler Baustein, die der Stadtrat im Vorjahr aber mehrheitlich abgelehnt hatte.

Die nachfolgende Diskussion offenbarte ein weiteres Mal große Uneinigkeit im Gremium. Tim Weidner (SPD) eröffnete die Debatte mit der Feststellung, dass angesichts des "mehrheitlich unwilligen Stadtrats", der das Projekt ohnehin ablehne, jeder weitere Schritt "Zeitverschwendung, Spiegelfechterei und Verschwendung knapper Ressourcen" sei. Das Gremium solle sich besser über die finanziellen Folgen bei Nichterfüllung des Vertrages mit der Bahn informieren. Einen entsprechenden Antrag hatten vor geraumer Zeit bereits die Grünen gestellt. Jürgen Busse (UWG) betonte, es sei unmöglich, nur Investitionen zu benennen, ohne auch die Einnahmeseite darzustellen. Man müsse sich entscheiden, ob man das Konzept beerdigen wolle, zumal man sich durch den "Bürgerpark" (ehemalige Schiffswiesen) oder die eingestellten Planungen zum Hotel "Bayerischer Hof" wichtige Einnahmequellen verschließe. Klaus Rieskamp (BLS) dagegen konstatierte: "Die Bürger wollen die Gleisverlegung nicht." Michael Mignoli (BMS) meinte: "Wir können uns das Projekt nicht leisten." Und Maximilian Ardelt (WPS) argumentierte, eine Gleisverlegung "überfordert die Stadt finanziell" und führe Starnberg in eine "ruinöse Situation". Ardelt benannte diverse Unwägbarkeiten und kam zum Schluss: "Es ist unsere Sache, das zu stoppen."

Stefan Frey (CSU) dagegen meinte, man müsse die "Rechnung zu diesem Jahrhundertprojekt auch konsequent und solide zu Ende führen" - insbesondere im Hinblick auf das enorme vorherige Engagement in der Bürgerschaft. Er verlangte vor einer endgültigen Entscheidung einen Bürgerentscheid. Daxenberger warnte das Gremium eindringlich davor, "das Projekt unqualifiziert zu beenden".

Einigkeit herrschte im Ausschuss lediglich darüber, dass Bürgermeisterin John schnellstmöglich Gespräche mit der Deutschen Bahn führen müsse - auch, um über die aktuell viel diskutierte Alternative und den in der Bevölkerung mit großen Sympathien bedachten "Kompakttunnel" von Lutz J. Janssen zu verhandeln.

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