Starnberg:Eine Frage der Interpretation

Die Fraktionssprecher im Stadtrat deuten das Gespräch im Innenministerium unterschiedlich: Für CSU, Grüne, SPD und UWG ist klar, dass am B2-Tunnel kein Weg vorbeiführt. Bürgerliste und BMS halten an der Umfahrung fest, die Parteifreien wirken unentschieden

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Vertreter der neun Stadtratsfraktionen interpretieren die Ergebnisse des Gesprächs im Innenministerium zu Alternativen des B2-Tunnels unterschiedlich. Die SZ hat daher alle Fraktions-Chefs um eine Stellungnahme bis Freitagmittag gebeten; lediglich die WPS kam dem Anliegen als einzige Gruppierung nicht nach.

Klaus Rieskamp (Bürgerliste): Von der Obersten Baubehörde wurde dargestellt, dass es keine Alternativen zum B2-Tunnel gibt. Losgelöst von der B2-Verkehrsproblematik wird die BLS weiterhin die Realisierung einer ortsfernen Umfahrung zur generellen verkehrlichen Entlastung Starnbergs anstreben. Die BLS wird das Angebot der Obersten Baubehörde zu einem Gespräch über die ortsferne Umfahrung annehmen, detaillierte Planunterlagen vorlegen, erläutern und sich weiter für die ortsferne Umfahrung auf der Jann-Trasse nach Wagner-Planung einsetzen.

Stefan Frey (CSU): Die rechtliche und finanzielle Durchsetzbarkeit von Alternativplanungen zum Tunnel ist völlig ungewiss. Die Stadt müsste Alternativen aus eigener Tasche bezahlen. Der Staat hat kein Interesse an Alternativplanungen. Der Bund wartet für die Bereitstellung der Finanzmittel für den Tunnel auf eine positive Grundsatzentscheidung der Stadt, für Alternativen gibt es kein Geld. Der Tunnel hat Baurecht. Bis Pfingsten müssten Stadt und Bund ihr "Go" geben. Allerdings verfällt das Baurecht 2018 und würde auch nicht verlängert. Dann fängt die Stadt bei Null an. Unter 15 Jahren, wenn überhaupt, wäre mit keiner Alternative zu rechnen. Es heißt jetzt: Tunnel oder nichts.

Christiane Falk (SPD): Eine Finanzierung für eine Umfahrung als Alternative zum B2-Tunnel wird es von Bund, Land und Landkreis nicht geben. Eine Umfahrung als Alternative zum B2-Tunnel kann es nur als von der Stadt selbst finanzierte Straße geben. Es gibt keine Alternative zum Tunnel, wenn es um den B2-Verkehr geht. Sollte die Baugenehmigung "auslaufen", ist der Weg nicht frei für die Umfahrung. Die Kurzform lautet: Tunnel - und eventuell Umfahrung für andere Entlastungen als B2 - oder gar nichts.

Josef Pfister (BMS): Zur Realisierungschance einer Alternative zum B2-Tunnel in rechtlicher und finanzieller Hinsicht: Für eine Umfahrung - sehr gut, wenn sich alle einig sind, noch besser! Das Beispiel Westumfahrung Starnberg zeigt es uns doch. Der Tunnel bringt auf Dauer keine Entlastung, sondern noch mehr Verkehr nach Starnberg. Zum Zeitraum einer Realisierung von Tunnel oder Umfahrung: In beiden Fällen gleich lang, etwa zehn Jahre. Der Unterschied liegt in der Bauzeit: beim Tunnel acht Jahre Baustellen in der Stadt, die dabei restlos im Verkehrschaos versinkt, oder drei Jahre Bauzeit für die Umfahrung außerhalb der Stadt ohne Beeinträchtigung. Mit den Herren aus dem Ministerium kann man über eine Umfahrung reden. Sie bauen den ersten Teil davon schon als Westumfahrung, für deren Verlängerung im Norden und Osten der Stadt braucht es noch Überzeugungskraft. Der Tunnel zieht noch viel mehr Verkehr als heute in die Stadt und lässt den Starnbergern keine Luft mehr zum Atmen. Langfristig gesehen: Chaos pur.

Angelika Kammerl (Die Parteifreien): Solange für den Tunnel die Baugenehmigung vorliegt und Geld für den Bau von der Bundesregierung bereitgestellt wird, wird es für eine Umfahrung seitens Bundesregierung und Freistaat keine Mittel geben. Ob Starnberg in der Lage ist, eine Umfahrung zu finanzieren, halte ich aufgrund der Haushaltslage für unwahrscheinlich. Die Behörde hat klargestellt, dass der Tunnel die einzige effektive Entlastung für die B2-Durchfahrt durch Starnberg bringt, eine - wie auch immer geartete - Umfahrung nur andere "Verkehrsströme" bedient. Zur Realisierung des Tunnels: Baubeginn in zirka drei Jahren, Bauzeit sechs bis acht Jahre. Zur Umfahrung: Mindestens 14 Jahre Planung inklusive Bau. Es sind umfangreiche Voraussetzungen zu erfüllen; eine korrekte Einschätzung ist nur nach Vorlage einer exakten Planung möglich. Es bleibt ein hartes Stück Arbeit im Stadtrat, eine mehrheitsfähige Verkehrsentlastung auf den Weg zu bringen.

Martina Neubauer (Grüne): Weder Bund noch Freistaat werden sich der Planung und Finanzierung eines anderen Straßenbauprojekts in Starnberg zur Entlastung vom B2-Durchgangsverkehr widmen. Nur mit einem Entlastungstunnel sind Optionen für weitere Straßenbauprojekte im Sinne einer Umfahrung möglich; die Stadt müsste die Finanzierung einer Umfahrung selbst tragen. Der Stadtrat muss sich nun sehr zeitnah mit diesen Ergebnissen befassen und entscheiden. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bürgermeisterin, wie beantragt, bereits zu Beginn der Amtszeit die Fraktionen umfassend informiert hätte; wir hätten uns viel Zeit und viele unsachliche Diskussionen gespart.

Patrick Janik (UWG): Weder Bund noch Freistaat stehen als Straßenbaulastträger für Umfahrungen zur Verfügung. Die Realisierungschance für die vorgestellten Umfahrungstrassen ist im besten Falle völlig ungewiss und gilt mangels Entlastungswirkung auch nicht als gleichwertige Lösung. Die wesentlichen Fragestellungen sind ausreichend geklärt. Bei einer Entscheidung der Stadt Starnberg für den Tunnel könnte das Straßenbauamt umgehend in die finale Planung eintreten mit einem Zeitraum von zirka zwei Jahren bis zum Baubeginn. Die UWG sieht sich in ihrer Haltung bestätigt: Der B2-Tunnel ist der logische erste Schritt zur Verkehrsentlastung in Starnberg.

Iris Ziebart (FDP): Das Gespräch zeigte, dass die Tunnelkosten jetzt schon gestiegen sind. Und: Die Realisierungschancen einer Alternative zum B2-Tunnel sind hoch. Wir sollen eine konkrete Planung vorlegen. In Sonderbaulast ist der Bau möglich. Beim Tunnel zieht sich die Bauzeit und damit das Chaos sechs bis acht Jahre hin, bei einer Umfahrung dauern Planung und Genehmigung länger. Siehe Westumfahrung: sechs Jahre Vorlauf, zwei Jahre Bauzeit. Mein Eindruck ist, dass sich das Ministerium offen und konstruktiv gegenüber Alternativen zeigte. Wir müssen es mit Fakten und Zahlen überzeugen, damit wir die bestmögliche Entlastung für die ganze Stadt erreichen und nicht die politisch opportune Lösung für die B 2.

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