Aufgeschlagen:Drei Morde und ein Showdown

Aufgeschlagen: Markus Ridders Krimi "Das Eisenzimmer".

Markus Ridders Krimi "Das Eisenzimmer".

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Markus Ridders Krimi "Das Eisenzimmer"

Von Gerhard Summer

Das Inventar der Zelle 7 ist längst Sperrmüll, sein Schwarzmarktwert trotzdem irrwitzig hoch. 750 000 Euro oder sogar eine Million für ein "Eisenzimmer", also ein altes metallenes Bett samt Fußabtreter, Nachttisch mit Lampe, Schreibtisch samt Schreibmaschine und anderen Plunder - nur weil Adolf Hitler 1924 in diesem Gefängnisbett gelegen und auf dieser Schreibmaschine in der Landsberger Festungshaft den ersten Band von "Mein Kampf" getippt hatte?

Klar, Nazi-Spinner zahlen vielleicht solche Preise. Womöglich bietet auch ein Ex-Kommissar mit, der im Dürrenmattschen Sinne über Leichen geht, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen und seine Aufklärungsquote noch im hohen Rentenalter aufzupolieren. In Markus Ridders Krimi "Das Eisenzimmer" kommt es aber noch dicker. Alles in allem sind geboten: drei Morde, zwei mit SS-Dolchen, der dritte auf einer Garrotte, eine lange zurückliegende Greueltat, eine Romanze und ein Showdown, angerichtet von einem amerikanischen Auftragskiller im Auftrag chinesischer Sammler, die für viel Geld ein gefälschtes Eisenzimmer gekauft haben und nun nicht als Dumme dastehen wollen.

Der Plot ist kühn, aber auch überzeugend. Und dass ein alter Herr 70 Jahre lang das Mobiliar der Hitler-Zelle daheim bei sich in Landsberg hütet, klingt so unwahrscheinlich, dass es schon wieder glaubhaft ist. Damit könnte das am Ammersee, in Landsberg und Starnberg spielende "Eisenzimmer" ein feiner Thriller sein, auch wenn es vielleicht ein wenig erstaunlich ist, dass die Autoren von Regionalkrimis in letzter Zeit so gern in den Sumpf der NS-Zeit steigen. Aber leider geht Ridder mehr in die Breite als in die Tiefe: Sein Ermittlerpaar von der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, Heike Plossila und Jenny Biber, ist geschickt angelegt, bleibt aber blass. Was vielleicht auch daran liegt, dass Plossila nicht zu recht zum Arbeiten kommt: Erst prügelt ihn ein Neo-Nazi zusammen, wenig später wird der arme Kerl auch noch ins von Ratten bewohnte Eisenzimmer gesperrt. Doch auch die anderen Figuren, ob es um dubiose Antiquitätenhändler geht oder um Arno, den neuen Mitbewohner in Jenny Bibers WG, sind farblos.

Ridder neigt manchmal zum Abziehbild. Frauen kommen bei ihm schlecht weg: Die Frau des Ermittlers Dollerschell - eine selbstsüchtige blöde Zicke. Die Ex von Plossila - eine Besserwisserin, die nicht mal den Weg zurück ins Hotel findet. Jenny Biber ist damit verglichen fast schon eine Lichtgestalt, jung, ehrgeizig, clever. Aber wenn es mit rechten Dingen zuginge, dürfte sich so eine Frau, die letztlich den Fall klärt, nicht in den Schnösel Arno verlieben und mit ihm dann in Courths-Mahler-Manier durch die Gegend spazieren.

Das alles ist nicht so schön. Weit schwerer wiegt aber, dass Ridder die Geschichte mit unablässigen, eher beliebig wirkenden Beschreibungen auf ein Format von 426 Seiten aufbläht, durch die man sich streckenweise kämpfen muss, zumal der Krimi erst mit der Geschichte des Eisenzimmers weit nach der Hälfte Fahrt aufnimmt. Sprachlich unterlaufen dem Münchner, der ehemals in der Gegend am Ammersee gelebt hat, erstaunlich viele Schnitzer. Wer Stilblüten sucht, wird hier fündig werden. Ridder schreibt schon in der sechsten Zeile davon, dass "eine Leiche in ihrem Sarg nicht sagen konnte..." Er hat einen Hang zu kruden Metaphern, lässt ein "Meer aus Dunkelheit" in einem Keller hausen "wie etwas Lebendiges" oder schreibt von einem Nebel, "der sein Gemüt verdunkelt hatte wie der Dunst die Alpen". Einmal wird's unfreiwillig komisch, als er über Jenny notiert: "und da, wo andere den Schwanz einkniffen, kam sie allein aufgrund ihres Geschlechts nicht in die Verlegenheit dazu". Was Jenny übrigens in ihrer ersten Nacht mit Arno erwartet, der gern XXL-Kondome kauft? Eine "große Überraschung". Ja gut, das ist Herrenwitz.

Dieser dick aufgetragene, hippe Erzählstil führt dazu, dass sich der Krimi oft eine Spur zu fiebrig, zu spektakulär, zu aufgeregt gibt, ganz so, als könne Ridder den einfachen Dingen nicht vertrauen, weil sie im Verdacht stehen, langweilig zu sein. Dabei ist das "Eisenzimmer" im Kern sehr wohl spannendes Krimihandwerk. Und zuweilen blitzt auch auf, was Ridder als Autor kann, zum Beispiel in einer Fiebertraum-Sequenz, als Deutschlands größte Ratte den kleinen Plossila in die Manteltasche steckt.

Markus Ridder, "Das Eisenzimmer", Kriminalroman, 428 Seiten, Books on Demand, 12,99 Euro.

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