Milchbauern in Starnberg:Dramatische Talfahrt

Milchbauern in Starnberg: Auf satten Wiesen grasen glückliche Kühe. Die Milchbauern haben andere Sorgen: Der Preis für einen Liter Milch ist auf weniger als 20 Cent gefallen.

Auf satten Wiesen grasen glückliche Kühe. Die Milchbauern haben andere Sorgen: Der Preis für einen Liter Milch ist auf weniger als 20 Cent gefallen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Der Rückgang des Milchpreises nimmt immer schlimmere Formen an. Auf weniger als 20 Cent ist er gesunken. Mit großer Unterstützung dürfen die Landwirte nicht rechnen. Die Molkereien halten sie für verantwortlich

Wer in diesen Tagen Georg Zankl begegnet, wird ein paar Sorgenfalten mehr auf seiner Stirn entdecken. Der Kreisobmann des Bauernverbands nennt den freien Fall des Milchpreises "dramatisch". Der Kreisvorsitzende des Milchbauernverbands Bad Tölz-Wolfratshausen formuliert es noch drastischer. Der konventionelle Milchpreis sei "unter aller Sau", sagt Hans Falter. Innerhalb von nur zwei Monaten ist er von knapp 30 Cent auf weniger als 20 Cent gesunken, also auf die Hälfte dessen, was ein konventioneller Milchviehhalter von den Molkereien bezahlt bekommen müsste, um wirtschaftlich überleben zu können. Ein Ende dieser rasanten Talfahrt ist nicht abzusehen.

Zankl geht davon aus, dass die Zahl der Milchviehbetriebe weiter zurückgehen wird. Eine "Katastrophe" nennt er diese Entwicklung - wenngleich sich der Kreis Starnberg noch glücklich schätzen könne im Vergleich zu anderen Regionen dieses Landes. Durch die Bevölkerungsdichte und Struktur habe der hiesige Landwirt noch Möglichkeiten, zumindest ein wenig mehr Geld mit seiner Milch zu verdienen, meint er: Zum Beispiel durch Direktvermarktung oder gar durch das Aufstellen eines Milchautomaten: "Das würde ich hier jedem Milchbauern raten." Voraussetzungen dafür sind seinen Aussagen zufolge allerdings die einfache Erreichbarkeit des Hofs und die damit verbundene Laufkundschaft - Standortvorteile also, die hier anders als in weniger dicht besiedelten Regionen vorhanden seien. An einem solchen Automaten könne der Bauer den Liter Milch für einen Euro verkaufen: "Das ist auch Geld", sagt er. Und wohl auch zumindest ein kleines Stück mehr Unabhängigkeit von den Molkereien, ohne die ein Milchbauer angesichts der produzierten Milchmenge nie überleben könnte.

Den Molkereien schieben viele Landwirte derzeit den schwarzen Peter zu, wenn es um die Frage geht, was wirklich den rasanten Preisverfall verursacht hat. Diese, so behaupten viele, würden sich derzeit massiv gegenseitig unterbieten, wenn es darum ginge, sich im Lebensmittel-Einzelhandel, vor allem in den Discountern, zu platzieren. Das wiederum bekämen dann die Bauern bei den Preisverhandlungen zu spüren, sagen sie. Offiziell ist davon aber nicht die Rede, die Angst ist vielleicht zu groß, es sich mit den Molkereien zu verscherzen. So werden andere Ursachen für die derzeitige Entwicklung genannt: die geringe Nachfrage aus China beispielsweise, das russische Lebensmittelembargo, die steigende Produktion auf dem Weltmarkt und fehlende Einfuhrbeschränkungen. Daher wünscht sich auch Zankl weniger Milchimporte, um die regionalen Erzeuger zu stärken. Denn wenn es so weitergehe, breche irgendwann alles zusammen, sagt er.

Auch Hans Falter ist sauer. Der Bundeslandwirtschaftsminister habe einen klaren Auftrag, sagt der Kreisvorsitzende des BDM Bad Tölz-Wolfratshausen. Aber er tue nichts. "Er kriegt seine Informationen von Wissenschaft und Verbänden", sagt Falter über Schmidt. "Er hat ja sonst nix am Hut mit der Landwirtschaft." Falter selbst produziert auf seinem Hof im Dietramszeller Ortsteil Unterleiten seit etwa fünf Jahren Biomilch und ist deswegen von der Milchpreiskrise weniger betroffen. Das gilt aber nicht für alle 615 aktiven Milchbauern im Kreis, die er vertritt. Die Produktion von Milch müsse zurückgefahren werden, fordert er daher. Das gehe aber nur mit "Regeln, die allgemein, EU-weit, verbindlich sind", ist sich Falter sicher. Im Gegensatz zu Milchbauern verdienten Molkereien und Handel immer gut, sagt Falter, "auch in der Krise".

Von einer "Misere, die ich befürchtet habe", spricht auch Johann Schamberger. Der Vorsitzende des Milchviehhalterbundes (BDM) im Landkreis Fürstenfeldbruck ist der letzte Landwirt in Moorenweis, der noch Milchkühe hält. Früher seien sie zu sechst gewesen, erzählt er. Aber der stetige Preisverfall habe die anderen aufgeben lassen. Damit steht der Ort im westlichen Landkreis sinnbildlich für das ganze Brucker Land, in dem die Zahl der Milchbauern stetig sinkt. Schamberger ist überzeugt, dass dieser Trend sich fortsetzt. Auch wenn hierzulande noch etwas mehr für den Liter Milch bezahlt werde: Laut Schamberger 26 Cent. Die bayerischen Molkereien seien bekannt für "Spitzenprodukte", sagt er. Deswegen könnten sie höhere Preise an die Landwirte bezahlen, doch "der Druck steigt". Aber auch 26 Cent deckten die Kosten nicht, sagt er. Mehr Geld gibt es momentan noch für Biobauern, etwa 45 bis 50 Cent in der Region. Doch die Umstellung auf Bio sei für viele Bauern keine Alternative, weil sie erhebliche Investitionen erfordere. Außerdem stoße auch Biomilch längst an Nachfragegrenzen. "Der Preis dafür wird nicht ewig steigen, und der Einsatz dafür ist hoch", weiß auch Zankl.

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