Arbeitsmarkt:"Die wollen hier Fuß fassen"

Arbeitsmarkt: Engagiert und ehrgeizig: Rainer Dollinger, Chef der Kraillinger Firma Radotec, ist begeistert von seinen beiden Lehrlingen.

Engagiert und ehrgeizig: Rainer Dollinger, Chef der Kraillinger Firma Radotec, ist begeistert von seinen beiden Lehrlingen.

(Foto: Arlet Ulfers)

Einige Arbeitgeber schätzen die Motivation und den Ehrgeiz von Flüchtlingen und bieten ihnen deshalbbesonders gerne einen Ausbildungsplatz an. Mangelnde Sprachkenntnisse sind allerdings ein Problem

Jeden Tag kommt ein Asylbewerber in Arbeit", weiß Daniela Tewes von der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (Gfw) in Starnberg. Wer die Zeltdörfer in Berg, Tutzing oder Pöcking sieht, die Spendensammlungen und mühsamen Versuche der Helferkreise, den Flüchtlingen ein paar Worte Deutsch beizubringen, mag darüber erstaunt sein. Doch Arbeit ist der beste Weg für die Fremden aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Irak, Deutsch zu lernen. Im Alltag mit deutschen Kollegen können sie auch sehen, wie man sich hier verhält, welche Sitten und Gebräuche es gibt. "Das ist Integration", stellt der Leiter der Starnberger Arbeitsagentur, Dirk Dieber, klar.

In den ersten drei Monaten dürfen die Flüchtlinge nicht arbeiten, nur unentgeltliche Praktika sind möglich, vielleicht auch ein Ein-Euro-Job. Erst ab dem vierten Monat können sie eine Arbeitserlaubnis bei der Agentur für Arbeit beantragen. "Und das ist auch gut so", findet Dieber. "Es wäre furchtbar, wenn die Leute erst drei Jahre im Zelt, Container oder sonst wo sitzen müssten und auf dumme Gedanken kämen. Dann besteht die Gefahr, dass das gleiche passiert, wie bei unseren Langzeitarbeitslosen, dass sie von der Arbeit entwöhnt werden oder gar aus Frust anfangen zu trinken."

Früher war das so. Heute legt man großen Wert auf Integration. "Am liebsten würden wir die Leute in sehr kurzer Zeit in eine Berufsausbildung bringen", sagt der Behördenleiter. "Aber das ist ein Traum." Manche sind Analphabeten, andere wollen schnell Geld verdienen, um es zu ihrer Familie in die Heimat zu schicken, denn die setzt die Geflohenen meist ganz schön unter Druck. Wieder andere sind zu alt für eine Ausbildung.

Die Bereitschaft der Arbeitgeber im Landkreis Starnberg, Flüchtlinge einzustellen, ist aber laut Dieber lobenswert hoch. Einige hätten schon "Pionierarbeit" geleistet, und ihre Erfahrungen sei in vielerlei Hinsicht positiv. Allerdings seien die Chefs oft auch deutlich mehr gefordert: Manch einer lernt nach Dienstschluss mit seinem Auszubildenden noch Mathematik oder ein anderes Fach für die Berufsschule. Andere sagen: "Man muss unendlich viel Geduld haben." Denn die Flüchtlinge kommen aus Ländern, in denen ganz andere Gepflogenheiten herrschen. So müssen sie den Umgang mit Kunden noch lernen oder es fällt ihnen schwer, exakt und sauber zu arbeiten.

Dennoch gibt es Unternehmer wie Rainer Dollinger von der Radotec in Krailling, die Flüchtlinge als Azubi bevorzugen. Denn die deutschen Jugendlichen hätten zwar durch ihre Schulbildung vom Wissen her einiges voraus, aber viele würden von den Eltern gedrängt, sich zu bewerben, manche kommen sogar mit der Mutter zum Vorstellungsgespräch. "Die Flüchtlinge indes haben sich schon durchgebissen. Sie haben eine andere Motivation und viel mehr Ehrgeiz. Sie wollen sich integrieren und hier Fuß fassen", sagt Dollinger. Drei Azubis aus fremden Ländern habe er bereits eingestellt.

Wer jetzt Angst hat, dass die Einheimischen, egal ob Jugendliche oder Erwachsene, das Nachsehen haben, dem sei gesagt: Ganz so einfach haben es die Asylbewerber nicht auf dem Arbeitsmarkt. Erstens denken nicht alle Chefs wie Dollinger und zweitens muss die Arbeitsagentur eine Vorrangprüfung machen, bevor sie eine Arbeitserlaubnis ausstellt. Das bedeutet, es darf kein Einheimischer für den entsprechenden Job in Frage kommen. Denn der müsste zuerst eingestellt werden. "Wir haben eine Arbeitslosenquote von 2,8 Prozent. Da können wir das großzügig auslegen", erklärt Dieber. Erst wenn die Asylbewerber 16 Monate oder länger in Deutschland sind, fällt die Vorrangprüfung weg. Die zweite Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis ändert sich indes nie: Die Flüchtlinge müssen unter den gleichen Bedingungen eingestellt werden wie Einheimische. Ihr Verdienst darf nicht niedriger sein als der Mindestlohn, und es darf auch keine Mehrarbeit verlangt werden. Selbst für 450-Euro-Jobs ist eine Arbeitserlaubnis nötig, sagt Dieber und warnt davor, Asylbewerber heimlich früher zu engagieren. "Wenn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auftaucht, wird es unlustig", warnt der Chef der Arbeitsagentur.

Dieber bat um Verständnis, weil es 14 Tage oder auch mal drei Wochen dauern kann, bis die Arbeitserlaubnis erteilt wird. Seine Leute hätten sehr viele Anträge zu bearbeiten. Außerdem müsstren übergeordnete Behörden in das Verfahren involviert werden. "Es ist einfach ein Massenproblem", erklärt der Behördenleiter. Von den 2000 Asylbewerbern, die momentan im Fünfseenland sind, waren 525 schon bei der Arbeitsagentur, um eine Beschäftigung zu finden. Aus- oder Weiterbildungen werden laut Dieber auch bei Flüchtlingen gefördert, aber nur bei solchen, bei denen eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit besteht. "Das ist bei Leuten aus Iran, Irak, Syrien, Eritrea und Afghanistan der Fall." Aber wie kommt man an jemanden, der zum Betrieb passt, der motiviert ist und schon leidlich deutsch spricht? Das fragen sich wohl die meisten Arbeitgeber, die mit dem Gedanken spielen, einen Flüchtling einzustellen. "Sprechen Sie uns an. Wir werden für Sie den richtigen Menschen finden und Ihnen präsentieren", ermunterte Georg Strasser vom Herrschinger Helferkreis die Unternehmer bei einer Veranstaltung der Wirtschaftsfördergesellschaft (Gfw) im Landratsamt Starnberg. Strasser ist dabei, sich mit den anderen Helferkreisen im Fünfseenland, insgesamt sind es wohl um die 15, zu vernetzen. Sein Spezialgebiet ist die Arbeitsvermittlung. Und so verspricht er den Betriebsleitern: "Herr Dieber hat 100 bis 150 Mitarbeiter dazugewonnen, ohne dafür bezahlen zu müssen." Denn in jedem Helferkreis gibt es Ehrenamtliche, die Einzelgespräche mit den Flüchtlingen führen, auch zum Thema Arbeit. Sie können die Leute gut einschätzen und begleiten sie auch zu Vorstellungsgesprächen. Das ist schon deshalb hilfreich, wirbt Strasser, weil die meisten große Sprachprobleme haben. Da ist es gut, wenn jemand den Werdegang und die Motivation schon kennt und vermitteln kann. Es müsse auch nicht immer gleich der optimale Job sein. "Wir wollen, dass die Flüchtlinge auch niederschwellige kleine Jobs angeboten bekommen. Das hilft ihnen bei der Werteentwicklung. Sie müssen erleben, wie es in Deutschland läuft, damit sie sozialisiert werden", erklärt Strasser.

Die meisten Arbeitgeber, die einen Flüchtling eingestellt haben, berichten, dass sie ihn zuvor als Praktikanten kennen gelernt haben, um zu sehen, ob er überhaupt in den Betrieb passt, ob er pünktlich zur Arbeit erscheint und ob sie mit ihm zurechtkommen. Das empfiehlt auch Dieber. Für eine Probearbeit ist auch keine Erlaubnis nötig, sagt er. Ein Praktikum mit dem Ziel, jemandem eine Berufsausbildung zu ermöglichen, kann vier Wochen bis maximal drei Monate dauern, und wer den Flüchtling über einen längeren Zeitraum im Betrieb haben will, kann ihm eine Einstiegsqualifizierung zwischen sechs und zwölf Monaten anbieten. Es gibt viele Spielarten des Kennelernens.

Diejenigen, die schon Erfahrung mit Flüchtlings-Azubis haben, bemängeln, dass die Berufsschulen keine Rücksicht auf diese nehmen. Auch wenn die meisten leidlich deutsch sprechen, so haben sie in der Schule oft große Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Viele Chefs fürchten, dass ihre Schützlinge daran scheitern, auch wenn sie technisch sonst gut sind. "Kann man da nicht Lobbyarbeit leisten und für nicht deutsche Azubis eine Sonderbehandlung in der Berufsschule erwirken", regte Gunther Kadegge von KL-Techik in Krailling an. Er hat einen Azubi aus dem Kosovo. Auch Stephan Fischer von der gleichnamigen Bootswerft in Bernried wünscht sich eine spezielle Förderung oder dass man in der Berufsschule ein Auge zudrückt bei den Flüchtlingen. "Wir prüfen, was möglich ist", verspricht Dieber. Er fürchtet allerdings, dass es von der einzelnen Berufsschule abhängt, ob er Erfolg hat mit dem Anliegen der Arbeitgeber. "Uns ist daran gelegen, dass die Berufsausbildung in normaler Zeit absolviert wird", versichert er.

"Es wäre gut, wenn die Azubis mit Sicherheit hier bleiben dürften", formuliert Bettina Treml, die in ihrer Firma Laufgut in Herrsching ebenfalls einen Flüchtling ausbildet, ihr Herzensanliegen. Dann wäre der Anreiz der Asylbewerber, sich zu integrieren auch viel größer, vermutet sie. "Es ist nicht in Ordnung, wenn sich so viele Leute engagieren und sie dann das Land verlassen sollen. Da fragt man sich schon, ob man das noch mal machen soll."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: