Starnberg:Die unbekannte Prachtvolle

Die Kirche St. Margaret in Krailling wird 700 Jahre alt. Endlich kann man einen Blick ins Innere werfen

Von Christiane Bracht

Einst war sie der Mittelpunkt einer Bajuwarensiedlung namens Greuling, doch im Laufe der Jahrhunderte hat sich vieles verändert. Aus Greuling ist längst Krailling geworden, der Ort ist stark gewachsen - vor allem im 20. Jahrhundert, doch die kleine pittoreske Kirche an der Würm gibt es nach wie vor. Ihr Zwiebelturm zieht auch heute noch alle Blicke auf sich, obwohl St. Margaret längst in zweiter Reihe steht und deutlich tiefer liegt als die Häuser drum herum. Die Kraillinger aber sind stolz auf ihr historisches Gotteshaus. Es ist das Wahrzeichen der Gemeinde geworden, auch wenn es geografisch betrachtet schon längst nicht mehr in der Mitte liegt. Am Sonntag, 19. Juli, feiern die Kraillinger mit einer Prozession, zu der auch Weihbischof Engelbert Siebler kommt, das Jubiläum ihrer Kirche. Wie alt sie genau ist, weiß niemand, auch nicht, wer sie erbaut hat. Sicher ist nur: Vor 700 Jahren wurde sie zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Denn als Konrad III. Fürstbischof vom Bistum Freising wurde, wollte er wissen, über welche Besitztümer seine Diözese verfügte. Er ordnete eine Art Inventur an und so wurden 1315 im so genannten konradinischen Matrikel alle Kirchen, Kapellen, Klöster und Friedhöfe sowie deren Filialabhängigkeiten festgehalten. St. Margaret ist dort erstmals als Filialkirche von St. Stefan in Gräfelfing aufgeführt. Auch wenn die Kirche sicher um einiges älter ist, für Historiker zählt nur Schriftliches und so wird anlässlich des Patroziniums heuer der 700. Geburtstags gefeiert.

Fürs Fest soll natürlich alles blinken und strahlen. Deshalb hat die Gemeinde das Kircheninnere heuer für rund 90 000 Euro renovieren lassen. Seit Karfreitag ist in Krailling kein Gottesdienst mehr gefeiert worden. Die Handwerker haben die Kirche okkupiert, Risse und kleinere Schäden im Putz ausgebessert und die Wände neu gestrichen. Außerdem sind alle Figuren und der Rokoko-Altar professionell gereinigt worden. "Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht", schwärmt Hans Wechner von der Kirchenverwaltung, der die Renovierungsarbeiten geleitet hat. Sogar die goldenen Verzierungen am Altar sind nun mit einer neuen Schicht Blatt- und Pulvergold überzogen. "Und auf der linken Altarseite, wo der Christbaum immer steht, war die Farbe an mehreren Stellen ein wenig abgesplittert und musste retouchiert werden", erklärt Wechner. Doch jetzt sind die Arbeiten abgeschlossen. Selbst die Möbel aus den 60er-Jahren wurden aufpoliert. Alles blitzt und blinkt. Nur auf dem Boden steht noch allerhand herum: Pappkartons und Eimer sind da, die Sänfte, auf der die Madonna bei der Margaretenprozession jedes Jahr durch den Ort getragen wird, lehnt locker am Altartisch und auf dem hölzernen Altarboden fehlt noch der Teppich. Bis zum Fest gibt es eben noch ein bisschen was zu tun.

700 Jahre St. Margaret Krailling

Runder Geburtstag: 700 Jahre wird die Kirche St. Margaret in Krailling alt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Wir haben alles im barocken Stil renoviert", erklärt Wechner. Darauf habe man sich mit dem Denkmalamt geeinigt, denn nur das passe zum Altar. Ursprünglich war St. Margaret vermutlich romanisch. Die dicken, schweren Mauern und die Rundbögen an den Fenstern des Kirchenschiffs deuten darauf hin. "Um 1500 hat man den Altarraum gotisch umgebaut", weiß der Architekt. Davon zeugen die Spitzbögen an den Fenstern und das Kreuzrippengewölbe mit den Schlusssteinen. Damals hatte die Kirche übrigens eine ganz andere Farbe als heute: Sie war in einem gelb-roten Ton gestrichen. 1682 änderte sich das. Barock war jetzt modern und so wurde St. Margaret völlig neu ausgestaltet: Man kalkte die Kirche weiß mit dezenten grauen Verzierungen und die Familie Ruffin, die damalige Hofmarksherrin, stiftete den Rokoko-Altar, der wohl in der berühmten Werkstatt von Johann Baptist Straub in München gefertigt wurde. Dieser Altar mit dem ganz oben vom Gewölbe herabschauenden Gottvater in Gold auf der Weltkugel thronend und der großen gotischen Madonna im Zentrum ist der glänzende Blickfang der kleinen Kirche. Die wichtigste Figur für die Kraillinger steht jedoch links neben dem Tabernakel: Eine Heilige in einer Art Rüstung mit Krönchen auf dem Kopf, Goldkette um den Hals und einem Palmwedel in der Hand. "Das ist die Heilige Margaret", erklärt Sanftl mit leuchtenden Augen. Zweifel sind natürlich ausgeschlossen, auch wenn die Heilige nicht mit einem Drachen dargestellt ist, wie es sonst üblich ist.

Margaret ist übrigens in ganz Krailling präsent: Die größte und schönste Dorfstraße ist nach ihr benannt. Auf dem Haus gegenüber der Kirche hat in den 50er-Jahren ein Künstler die Heilige riesengroß verewigt. Sogar in gotischer Zeit wurde St. Margaret offenbar schon verehrt, denn auf einem der Schlusssteine des Kreuzrippengewölbes über dem Altarraum, ist sie abgebildet. Der Grund für so viel Hochachtung: Margaret hat den Ort vor einer schrecklichen Mäuseplage befreit, so jedenfalls ist es in einer Legende überliefert. Im Dreißigjährigen Krieg zogen Soldaten durch das Würmtal Richtung München und später durchkreuzten sie das Gebiet erneut. Um nicht zu verhungern, schlachteten sie streunende Katzen. Denn es herrschte Hungersnot. Doch ohne Katzen verschärfte sich das Problem für die Bevölkerung nur noch mehr: Die Mäuse konnten sich nämlich ungehindert vermehren.

Sie fraßen alles, vor allem das Korn auf den Feldern. In ihrer Not beteten die Kraillinger die Heilige Margaretha von Antiochien an. Sie hatte der Legende nach im Kerker sogar einen Drachen besiegt, der sie vom christlichen Glauben abbringen wollte. Doch Margaretha bezwang ihn allein mit dem Kreuz. So viel Mut und Durchsetzungskraft imponierte dem Volk, man glaubte, wer es mit einem Drachen aufnehmen kann, der ist auch in der Lage, die Mäuseplage in den Griff zu bekommen. Und so unternahmen die Kraillinger einen Bittgang. Und siehe da: Margaretha half und die Mäuse verschwanden. Seither gibt es jedes Jahr eine Prozession um den Namenstag der Heiligen herum, dem 20. Juli. Allerdings laufen die Gläubigen schon lange nicht mehr hinaus aufs Feld, sondern durch den Ort. Auf der Sänfte, die traditionell vier junge Mädchen tragen, steht auch nicht St. Margaret, sondern die Madonna, die normalerweise auf der rechten Seite des Kirchenschiffs ihren Platz hat. Die Margartenprozession ist aber in all den Jahrhunderten noch nie ausgefallen, nicht mal während der Naziherrschaft oder im Zweiten Weltkrieg. Darauf sind die Kraillinger besonders stolz. Und so ist diese auch der Höhepunkt der Jubiläumsfeier. Um neun Uhr treffen sich die Gläubigen kommenden Sonntag vor der Kirche. Wie jedes Jahr sind die Häuser dann geschmückt, an denen Pfarr-Administrator Anicet Mutonkole mit seinen Ministranten und den Fahnenabordnungen der Vereine vorbeizieht, um zum Altar am Brunnen Ecke Margareten-/Luitpoldstraße zu schreiten.

Einziges Manko bei der großen 700 Jahrfeier: Die Orgel ist noch immer die alte. Schon vor Jahren hatte Organist Ludwig Götz über Misstöne geklagt, da einige Register kaputt seien. Außerdem könne die Orgel kaum bedient werden, lamentierte er. Die Gemeinde sammelte für eine neue. 60 000 Euro soll sie Kosten, ein Drittel der Summe fehlt noch. Dennoch wollte die Kirchenverwaltung bereits heuer das neue Instrument einbauen lassen, doch das Denkmalamt machte einen Strich durch die Pläne. Die Beamten wollten zunächst alles genau überprüfen. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die alte Orgel nicht extra für St. Margaret konzipiert, sondern aus mehreren ausrangierten Orgeln zusammengesetzt worden war. "Krailling hat halt schon immer sparen müssen", sagt Gemeinderätin Veronika Sanftl mit einem Augenzwinkern. Erst im nächsten Jahr wird die neue Orgel eingebaut.

Anlässlich des Jubiläums hat der Arbeitskreis Ortsgeschichte einige alte Ansichten der Margaretenkirche im Rathaus aufgehängt. Neben ersten Fotografien sind dort auch Gemälde und ein alter Stich der Heiligen zu sehen. Die Ausstellung läuft noch bis September. Das Innere der Barockkirche bleibt aber weiterhin verschlossen. "Es ist schwierig, jemanden zu finden, der die Kirche auf- und zusperrt, oder öfters danach schaut", erklärt Wechner. Lediglich zu den Gottesdiensten am Sonntag um acht Uhr und für Taufen oder Hochzeiten kann man hinein. Kein Wunder, dass viele, die schon seit Jahrzehnten in Krailling wohnen, gar nicht wissen, dass St. Margaret nicht nur von außen hübsch anzusehen ist, sondern auch von innen beeindruckend ist.

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