Starnberg:Dem Alkohol verfallen

Nach Körperverletzung: 42-Jähriger darf seine Therapie fortsetzen

Von Michael Berzl, Starnberg

Zwischen dem alkoholbedingten Aussetzer in einem Starnberger Lokal im Januar und dem Auftritt vor dem Amtsgericht neun Monate später liegen Welten. Als wären es zwei verschiedene Menschen. Damals, als der 42-Jährige zugeschlagen hat, war er stark betrunken, aggressiv, laut und ungepflegt. Als er sich nun als Angeklagter verantworten muss, spricht er mit sanfter Stimme, bedächtig, er wählt seine Worte. Seinem Opfer, dem er eine blutige Lippe verpasst hatte, reicht er im Verhandlungssaal die Hand. Nach dem Urteil bedankt er sich bei Richterin Brigitte Braun, dass er die Chance bekommt, seine Therapie in einer geschlossenen Einrichtung fortzusetzen und sein Leben zu ändern. "Ich werde nie mehr in eine Gerichtsverhandlung müssen, ich habe schon so viele hinter mir", beteuert er nach der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.

Es sind nicht nur Gerichtsverhandlungen, die der Mann aus Ottobrunn hinter sich hat. Es sind schon einige Gefängnisaufenthalte, mehrere gescheiterte Therapien, mehr als 30 Alkoholentgiftungen. Immer wieder hat er getrunken, immer wieder ist er mit dem Gesetz in Konflikt geraten, oft wegen Diebstahlsdelikten, auch wegen Schwarzfahrten und Körperverletzung. Zuletzt in einer Eisdiele in Starnberg. Der 42-jährige war an jenem Samstag im Januar gerade erst am Vormittag aus dem Entzug in Haar entlassen worden, war obdachlos und hatte schon 2,8 Promille intus, als er am Nachmittag in Starnberg ausfällig wurde. Eine Flasche Wodka war zu der Zeit etwa sein tägliches Quantum. Als er aus einem Lokal hinauskomplimentiert wurde, beschimpfte er einen Angestellten unflätig und schlug zu. Das bringt ihm eine weitere Verurteilung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung ein. Doch das sind nur die strafrechtlichen Folgen einer verheerenden Alkoholiker-Karriere. Leber und Hirn seien schon geschädigt, sagte ein Gutachter in dem Verfahren.

"Ich habe noch nie eine Straftat nüchtern begangen", sagte der Angeklagte in der Verhandlung vor dem Starnberger Amtsgericht. Dennoch konnte er bisher nicht vom Alkohol lassen. Es war wohl zu viel, was das Leben ihm aufgebürdet hat. Seine Mutter hat Selbstmord begangen, sein Vater lebt ebenfalls nicht mehr. Ihm und seiner damaligen Partnerin geriet der Drogenkonsum außer Kontrolle, sodass sie ihre gemeinsamen Kinder lieber bei Adoptiveltern unterbrachten. Der Sohn verweigert bis heute jeden Kontakt. Zur Tochter entstand gerade wieder eine Beziehung, als auch sie sich im vergangenen Mai umbrachte.

Ein weiterer Schicksalsschlag - wieder der Griff zur Flasche. Zu dem Zeitpunkt war der 42-Jährige Arbeitslose schon in einer geschlossenen Einrichtung für Alkoholkranke. Auf eigenen Wunsch lebt er in einer beschützenden Wohngruppe, die Einweisung läuft noch bis zum kommenden Februar.

Dort würde der Süchtige gerne noch länger bleiben, um loszukommen von der Flasche. "Es müsste doch mal zu schaffen sein", sagte der Angeklagte, ehe Amtsrichterin Braun ihm viel Glück wünschte. Der Gutachter hätte den Angeklagten gerne per richterlicher Anordnung in eine Entzugsklinik geschickt, doch das hat Richterin Braun dem 42-Jährigen vorerst erspart.

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